Ausgerechnet Bananen

Meine Damen und Herren, ich habe ein Geständnis abzulegen. Anders als so gut wie jeder billig und gerecht Denkende, als der Löwenanteil der Zeitungsleser, Parkspaziergänger und Elternkindcafébesucher glaube ich nicht – hier denken Sie sich einen Trommelwirbel samt Tusch – an die Frühförderung kleiner Kinder. Also eigentlich aller Kinder vor dem Grundschulalter.

Vielleicht handelt es sich bei dieser Ansicht lediglich um eine Rationalisierung meiner Bequemlichkeit, um auch künftig mit gutem Gewissen auf dem Sofa zu sitzen, während andere Mütter mit ihrem Nachwuchs auf englisch turnen und mit eigens für die Förderung von Kleinkindern verfertigten Büchern und Kunststoffkästen deren Zahlenverständnis pauken. Vielleicht macht mir in nur wenigen Jahren der F. bittere Vorwürfe, weil alle anderen Erstklässler alles Mögliche können, was der F. nicht beherrscht, aber tatsächlich hat mir des F. Entwicklung bis heute eigentlich bestätigt, dass Kinder sich sowieso nichts merken und nichts lernen, es sei denn, sie streben nach dieser Fertigkeit von selbst. Konsequenterweise besucht der F. einfach die nächstgelegene Kita.

Heute nachmittag allerdings bin ich in Hinblick auf die Bildbarkeit Dreijähriger dann doch etwas schwankend geworden.

Dazu muss man wissen, dass der F. nach einer langen praktisch omniphagen Phase in den letzten Monaten etwas wählerisch geworden war. Nudeln ja, aber ohne Soße. Sushi ja, aber nur mit Lachs. Oliven ja, aber niemals Tomaten. Gurken ja, aber nur mit Schale. Äpfel ab und zu, Bananen niemals. Ab und zu Weintrauben und Orangen. Anderes Obst: Fehlanzeige.

Mir ist das tatsächlich ziemlich egal. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Kind Mangelerscheinungen zeigt, nur weil es nur noch drei bis vier Obst-und Gemüsesorten isst. Mein Gott, Äonen der Menschheitsgeschichte haben Menschen weniger Gemüsesorten gekannt und gegessen als heute. Im Norddeutschland der Steinzeit gab es schließlich auch Menschen, und selbst die Tundra ist nicht menschenleer. In der Kita allerdings muss des F. Verweigerungshaltung auf weniger Verständnis getroffen sein, denn am vergangenen Mittwoch Abend verlangte der F. auf einmal nicht nur nach Reis und Wurst, sondern auch nach meinem Linsencurry mit ordentlich Garam Masala und viel Koriander und erklärte: „Linsen machen sehr stark.“ Ich schaute auf. Der F. strahlte sein Linsencurry an. Spinat mache noch stärker, erklärte er. Dann aß er das Curry auf. „Hat deine Erzieherin dir das erzählt?“, fragte ich nach, und der F. nickte kauend und siegesgewiss.

ich unterdrückte den Impuls, dem F. zu erläutern, die gesundheitliche Wirkung des Spinats beruhe auf einem Messfehler und ließ ihn essen. Am nächsten Tag verlangte er nach einer Birne und aß mehrere rohe Möhren hintereinander auf. Freitag verzehrte er eine halbe Gurke, und am Samstag aß der F. einen ganzen Teller Mangold-Sellerie-Cremesuppe mit Croutons und knusperte nicht nur die Croutons. „Jetzt bin ich sehr stark!“, fuchtelte er mit dem Löffel und erklärte, er halte in seinem Zimmer einen Drachen, der sehr gefährlich sei, aber sich vor dem F. fürchte. „Kein Wunder – du bist ja so stark.“, versicherte ich ihm, und der F. strahlte über beide runde, rote Backen.

Am Sonntagnachmittag dann liefen wir von der Tram nach Hause. „Mir ist kalt.“, nörgelte der F., und das war vermutlich wahr. Es ist nämlich deutlich kühler, als man so denkt, wenn man aus dem Fenster schaut. „Ich werde bestimmt erkältet.“, drohte der F. mit dem schlimmsten aller Übel sozusagen, aber dann kam ihm der rettende Gedanke. Er wolle, verlangte er, jetzt auf der Stelle eine Banane.

Ich glaubte nicht recht an den neu erwachten Bananenhunger des F. Man lehnt doch nicht ein ganzes, halbes Jahr den Bananenverzehr als „eklig“ ab, und beißt dann in die nächste Banane, weil eine Erzieherin gesagt hat, dieses Obst sei besonders gesund. Entweder mag man Bananen oder nicht. Aber gut, gute Vorsätze soll man fördern: Ich spazierte also in den knallvollen LEKR-Markt, der auch am Sonntag einfach alles verkauft und erstand drei Pfund Bananen. Ich würde, nahm ich mir vor, des abends ein Bananenbrot backen.

Nun aber sitze ich hier. Es gibt kein Bananenbrot. Es gibt aber auch keine Bananen mehr, denn kaum war ich zuhause und hatte die Bananen abgeladen, riss der F. die erste Banane auf und biss herzhaft in die gelbe Südfrucht. Dann ging ich spazieren. Als ich wiederkam, saß der J. auf dem Sofa und spielte Gitarre, der F. stand mampfend in der Küche, und auf dem Mülleimer lagen die Schalen von fünf Bananen.

8 Gedanken zu „Ausgerechnet Bananen

  1. Du hast etwas wichtiges neues gelernt. Kinder sind anders. Kaum glauben wir, wir wüssten auch nur annähernd wie sie ticken, schon schlagen sie einen Haken und verdünnisieren sich in die andere Richtung.

    Das ist nun dein Schicksal. Du weißt das du nichts weißt. Es gibt keine Beständigkeit im Zusammenleben mit Kindern. Du kannst sie auch nicht erziehen, aber mach dir keine Sorgen sie erziehen dich schon so, dass sie ohne größere Klagen mit dir zurecht kommen.

    Ach ja Weinen hilft nicht. Dein Zeitpunkt der Rache kommt erst, wenn sie selber Kinder haben. Dann kanst du Salz in ihre Wunden reiben und sie verarschen. Das wiegt manches wieder auf. Sie sind eben doch nicht besser als du und ich.

  2. Ah, bei meiner Tochter wars damals umgekehrt: Als sie im Kindergarten Kontakt zu Kindern bekam, die grundsätzlich fast alles Obst und Gemüse – meine Tochter liebte bis zu diesem Zeitpunkt Obst und auch das meiste an Gemüse – ablehnten, meinte sie, es sei cool, sich in die Gruppe einzufügen, indem sie plötzlich anfing, auch zu Hause alles in dieser Richtung zu verweigern, was sie zuvor gerne gegessen hatte. (War aber schnell wieder vorbei, denn auf solche Machtspielchen wollte ich mich dann doch nicht einlassen.) Ihre Version find ich da deutlich besser.

    1. Heute Abend nach einem Wildschweinbraten mit Knödeln wiederum zwei Bananen. Danach wollte er bei einem französischen Bistro um die Ecke noch den Entenbraten essen. Das habe ich aber abgelehnt.

  3. Bananen sind eklig! Und viel anderes, wo Vitamine und gesundes Zeug drin ist, ist auch eklig!
    Sie verstehen sicher wieviel Freude meine Eltern mit mir hatten…

    1. Offenbar haben Sie Ihre Abstinenz überlebt, was wieder einmal zeigt, dass sich in Hinblick auf Kinder alle Beteiligten mal wieder locker machen sollten.

  4. Wie toll ist das denn, dieses Kind probiert Lebensmittel aus, was für ein Glück! Ich kenne auch Kleinkinder, die nur immer Nudeln ohne alles haben wollen.
    Da las ich doch neulich, dass Ottolenghis Sohn Papas Essen nicht mag. Der Sternekoch muss nun damit leben, dass der Kleine immer alles schön getrennt auf dem Teller liegen haben möchte, Erbsen, Reis, Fleisch. Und bitte nicht zu ausgefallen gewürzt! So sind sie, die Kleinen.

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