Die Anderen. Und ich.

Was für Kreaturen, denke ich in irgendeinem Restaurant tief im südlichen Schwarzwald und schaue mir im Internet die Leute an, die nach den Anschlägen von Paris auf die Straße gehen und gegen Flüchtlinge demonstrieren, auch wenn die Attentäter offenbar Franzosen oder Belgier waren. Denen geht es, schaue ich mir die grauen Jacken und schütteren Haare der Demonstranten an, doch nicht um Sicherheit. Die treibt auch nicht die Sorge, ob auch für die Obdachlosen noch genug Schlafplätze vorhanden sind, und für die Langzeitarbeitslosen genug Hartz IV. Diese Leute treibt der schiere Rassismus auf die Straße, weil sie aus irgendeinem Grunde glauben, sie seien bessere Menschen als andere und hätten ein besseres Leben als jene verdient.

So bin ich nicht, denke ich und bestelle mir eine Tasse Tee mit braunem Zucker und Sahne und ein Schokoladeneclair dazu. Ich gebe jedem Bettler. Ich habe meine alten Kleider gespendet, ich gebe Geld, und ich schreibe an fremde Regierungen und eigene, wenn amnesty international dazu aufruft. Ab und zu gehe ich sogar auf die Straße. Und doch, fällt es mir ein, kenne ich keinen einzigen Moslem. In meiner Schule gab es keine, in meinem Studium und Berufsleben habe ich keinen kennengelernt, und in meinem Kiez habe ich bisher noch keinen einzigen Araber oder Türken getroffen. Wer sich unwillkommen fühlt, wer meint, die Gesellschaft nehme ihn nicht freundlich auf. Wer irgendwann radikal wird, weil er nicht werden will, wie wir, weil wir ihn nicht mochten: Der meint auch mich.

Und dann fühle ich mich auf einmal nicht mehr so gut, kaum besser als die Schreihälse auf den ostdeutschen Straßen, hier, irgendwo weit weg von zuhause. Mit einer Tasse Tee in der Hand.

9 Gedanken zu „Die Anderen. Und ich.

    1. Ich glaube, die Leute, die in Dresden herumschreien, haben keine Angst vor dem Unbekannten, oder wie auch immer sie ihre Weltsicht bemänteln. Das sind lupenreine Rassisten.

  1. Warum sollte man sich schlecht fühlen wenn man keinen Moslem kennt? Ich kenne z.B. auch keinen einzigen Buddhisten, Kopten oder Aboriginie. Die ganze Welt der Religion ist mir fest verschlossen.
    Woher kommt eigentlich die Idee Geschmack unterliege irgendeiner political correctness? Arabische Musik halte ich für fürchterliches Gejaule, auch die Küche begeistert mich nicht. Bei Malerei wäre der Gedanke völlig absurd.
    Das hat doch alles nichts damit zu tun wie man den Menschen gegenübertritt. Sie müssen sich da sicher keine Sorgen machen.
    Wenn sie da allerdings ein Defizit empfinden ist doch Berlin der richtige Platz um das zu ändern. In der Huttenstraße war ich letztens in einem Restaurant in dem auf dem TV sogar der Hisbollah-Kanal lief. Sie können da also beliebig tief eintauchen. Wenn sie wollen.

    1. Mein Unbehagen macht sich eher daran fest, dass ich immer wieder lese, viele junge Moslems würden sich ausgeschlossen fühlen. Nun, ich schließe bestimmt nicht bewusst aus. Aber ich lebe im Prenzlberg, einer ausgesprochen homogenen Gegend, und kenne tatsächlich überhaupt keine Moslems. Und das in Berlin. Vielleicht bin auch ich Teil einer Kultur, von der andere sich ausgeschlossen fühlen.

      1. Die Formulierung ist nicht ganz korrekt. Richtig müßte es heißen „… lebe in Prenzlberg, in einer ausgesprochen homogenen Gegend, …“, denn jenseits der chicken Altbauviertel ist der Bezirk alles andere als homogen – und da gibt es dann auch Moslems. Und selbst in den Altbauviertel gibt es ja Dönerläden…

  2. Ich kenne einige, bin immer freundlich, ganz normal, wie zu anderen Mitbürgern auch. Und wenn ich der netten Apothekenhelferin gegenüber am Tresen stehe, die bis auf ihr freundliches Gesicht voll in bodenlanges, braunes Tuch eingehüllt ist, versuche ich ihr nur ins Gesicht zu schauen und verkneife mir hässliche Bemerkungen. Wenn unsere moslemischen Mitbürger keinen Kontakt wollen, ist mir das Recht, denn ich suche auch keinen und habe kein schlechtes Gewissen dabei. Wer es wissen wollte, könnte mich fragen, was ich vom Islam halte. Ich würde antworten: „Von den drei verwandten Weltreligionen aus Abrahams Zeiten halte ich den Islam für die rückständigste, und religiöse Menschen interessieren mich wenig. Man kann ein guter Mensch sein ohne jede Religion, wenn man die volle Verantwortung für sein Denken und Handeln übernimmt. Außerdem ist Religion Privatsache.“

  3. Ich finde die Fragen, die Sie hier aufwerfen, sehr berechtigt. In der Schweiz läuft die Diskussion im Stil von: Die Städter sind toleranter, weil sie sich an das Multikulti-Zusammenleben gewöhnt haben. Aber leben wir wirklich zusammen oder leben wir nicht einfach an einander vorbei? Wer trägt hier wie viel zur Integration bei? Ist das genug? Ich kenne einen Muslim, einen älteren Herrn, vor vielen Jahrzehnten in die Schweiz gekommen, lebt auf dem Land, spricht und schreibt ausgezeichnet Deutsch, engagiert sich stark und sehr wirksam für die Integration. Dann kenne ich noch eine Türkin, die allerdings in der Türkei lebt – ich hätte sie nicht zuerst als Muslimin wahrgenommen, sondern einfach als meine Freundin in der Türkei. Aber hier in der Stadt? Vielleicht ist der dienstbare Geist, der mein Büro staubsaugt, Muslimin? Wer weiss?

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