Komplizierten

Wie sehr mich diese Pandemie in jemanden verwandelt, der ich nicht sein will. Jemanden, der sich nur alle paar Tage die Haare wäscht. Der ganz aufgehört hat, sich zu schminken, an manchen Tagen gar nicht in den Spiegel schaut, außer beim Kontaktlinseneinsetzen. Jemanden, dem es egal ist, ob er heute schon zwei Stück Torte gegessen hat, wenn er noch einen Lebkuchen hinterherstopft, weil ich ja so unsichtbar geworden bin wie alle anderen auch: Eilige Schatten, die sich manchmal dabei erwischen, wie sie Menschen, die sich lachend umarmen, wütend beneiden. Aber hier umarmen sich von Tag zu Tag weniger Menschen.

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Heute an einem Haus vorbeigefahren, in dem ich einmal neben jemandem auf einem Fußboden lag. Das ist sehr lange her. Ich weiß noch, dass seine Beine nicht ganz gleich lang waren, und dass wir sehr viel sprachen und er irgendwann ein bisschen zusammenhanglos sagte, dass wir komplizierte Leute in komplizierten Verhältnissen seien, und ich dachte, dass das auf die meisten Leute zutrifft, die ich kenne. Aber nicht auf mich.

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Es ist so kalt geworden in der Stadt und so leer und so still. Wenn die anderen Berliner noch kompliziert sind in diesen Tagen, dann sind sie es sehr privat: Lauter Explosionen eingeschlossen in Haut. Zwischen allen Menschen, die ich kenne, liegen Kontinente aus Eis, und vielleicht gibt es sie gar nicht mehr, vielleicht sind es nur Hologramme, Wiedergänger, die zerfallen, griffe ich nach ihren Händen, ihren Haaren, den vermeintlich warmen Stellen am Hals.

5 Gedanken zu „Komplizierten

  1. Was ist denn los? Ich ziehe mich auch hübsch an, wenn ich zu Edeka gehe, weil es Spaß macht, sich hübsch zu machen, und freue mich auf Heiligabend in einem neuen Kleid. Kontinente aus Eis zwischen den Menschen? Gar nicht! Der Mann vom Lieferservice hat mich gestern angestrahlt, weil ich ihn angelächelt habe und sehr respektvoll behandelt (inklusive reichlich Trinkgeld). Und die beiden Freundinnen, die mich neulich auf Abstand und mit Masken zuhause besucht haben, und ich haben unser gemeinsames Essen sehr genossen und viel Spaß gehabt.

    Wie es in den Wald schallt, so….

  2. Wenn Sie dieser Jemand nicht sein wollen: warum tun Sie das nicht einfach für sich selbst, das Schminken und Haare waschen? Einfach nur so, für ein besseres Gefühl?
    Und ja, JAAA, die Umarmungen, die Nähe – das fehlt einfach. Aber Kontinente aus Eis? Wegschmelzen! Noch freundlicher sein als sonst, noch mehr lächeln, damit man es auch trotz Maske sehen kann. Jetzt doch gerade, oder?

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