Sehen Sie hier, meine Damen und Herren, eine am Boden zerstörte, zunehmend hektische, noch nicht einmal (und zwar seit Stunden) ganz aufgestandene Dame, die zum ungefähr zehnten Mal versucht, das Profil ihres Thunderbird vom Acer auf den Mac zu bringen.
Tatsächlich scheint es zunächst vorgeblich zu funktionieren. Der Mac täuscht an. Die Dame entspannt sich. Dann aber, beim Versuch den Thunderbird mit den geänderten Profildateien zu öffnen, versagt das Progamm den Dienst: Statt den Thunderbird zu öffnen, erscheint ein Feld, welchem zu entnehmen ist:
Thunderbird beenden.
Eine Thunderbird–Kopie wird bereits ausgeführt. Es können nicht mehrere Thunderbird-Kopien gleichzeitig ausgeführt werden.
Ich schwöre, ich habe den Thunderbird nur einmal geöffnet. Weiß jemand Rat?
Ein Umzug. Gut und schön, man kennt das: Es gilt Kisten zu kaufen, seinen Haushalt einzupacken, zu überlegen, ob man seine steinalten Seminararbeiten und die wirklich scheußlichen, zahnbelagfarbenen Teller mit dem Goldrand wirklich noch haben will, mietet einen Wagen, und dann zieht man um.
Zieht man aber nicht von einer Wohnung in eine andere, sondern von der gemütlichen, grauen, alten Möhre von Acer in ein blitzblankes, neues, schneeweißes Heim mit blitzendem Apfel vor der Tür, ist guter Rat teuer:
Zwar hat man brav alle Dokumente in Kisten gepackt. Zwar sind auch alle Texte aus den Word-Ordnern angekommen und warten im neuen Heim auf weitere Verwendung. Die E-Mails aber, die E-Mails aus dem alten Schrank von Thunderbird, die anderen E-Mails, die ein netter Mensch mal ins Outlook gepackt hat, um sie zu retten: Verpackt sind sie, nur die Kisten gehen nicht mehr auf, und haareraufend, zunehmend verzweifelt, zähnefletschend und ratlos sitzt man da, der Umzug wird einem fürchterlich, und einen Helfer, vielleicht auch nur einen guten Tipp würde man reichlich, zumindest aber mit dem obligaten Bier belohnen, welches freundlichen Umzugshelfern von alters her gebührt.
Sehr, verehrte Damen und Herren, bedaure ich Ihnen mitteilen zu müssen, dass mein geschätzter Gefährte, der J., diesmal wohl wirklich versterben wird, denn – angemeldet von finsteren Mächten – wird der J., gemeinsam mit vier seiner Kollegen am 4. Juni dieses Jahres, an der Berliner Teamstaffel teilnehmen müssen, welche ihn fünf Kilometer durch den Tiergarten führen wird.
„Wieso ausgerechnet du?“, frage ich den aufgebrachten J. – „Die haben mich reingelegt.“, ächzt der geschätzte Gefährte. Fünf Kilometer sei gar nicht so wenig. Aus dem Stand, ohne vorheriges Training, sei dies jedenfalls nicht gut möglich, erst recht nicht vor den spottlustigen Augen der Kollegen.
Man werde üben müssen, höre ich den reichlich verdrossenen J. seine verschenkte Freizeit bedauern. Man werde nicht umhinkommen, sich längere Strecken zu Fuß und im Laufschritt durch die Parks der Stadt zu bewegen. Man werde höchstwahrscheinlich auf dem nassen Gras ausrutschen. Vielleicht werde man sich den Hals brechen. Möglicherweise auch nur den Knöchel. Man werde zu Boden sinken, und die weit über tausend Teilnehmer dieses größten Berliner Volkslaufs werden den J. tottrampeln, und unter den kränklichen Bäumen des Tiergartens wird dieser sein Leben aushauchen.
Vielleicht sagt dir nächste Woche einer, du seist krank, sehr krank, und dann kämen sie über dich mit pistaziengrünen Tüchern über dem Mund und spitzen, blitzenden Geräten. Vielleicht würden sie dir Schläuche in den Leib stecken, Flüssigkeiten würden ein- und ausgeleitet, eine Operation bliebe wirkungslos, eine weitere würde nur schaden, und in vier Wochen säßest du einem Arzt gegenüber, der dir sagt, dass du stirbst.
Früher oder später, würdest du antworten, sei das ja bei uns allen der Fall, und der Arzt würde nicht einmal den Mund verziehen angesichts des zugegeben dünnen Witzes. Denn er und die anderen sterben vielleicht auch – wie du – in einigen Wochen. Indes ist der Tod des Arztes zu diesem Zeitpunkt wenig wahrscheinlich, und deiner so gut wie sicher.
Ob er Fälle kenne, die geheilt worden seien, fragst du, und der Arzt schüttelt den Kopf. Ob man jemals von einer solchen Heilung gehört habe, willst du wissen, und er unterbricht dich etwas brüsk. Machen sie sich nichts vor, warnt er dich – wovor auch immer – aber natürlich gebe es immer Hoffnung, und ein Fall sei stets der Erste.
Dann fährst du nach Hause.
Der Taxifahrer wird laut irgendetwas ins Headset brüllen, was du nicht verstehst. Auf dem Bürgersteig rechts und links von der Straße gehen Leute herum, tragen Tüten und Taschen, und probieren in Geschäften Kleidungsstücke an, die sie tragen werden, wenn du tot bist, und das alles vorbei. Schöne Frauen, so schön, wie du niemals gewesen bist, werden von Männern angelächelt, die sie anrufen werden, wenn man dich beerdigt, und während du langsam verstehst, dass es das war, endgültig und ohne Wiederkehr, wirst du dir wünschen, noch einmal so, wie jetzt, so wie heute, am Schreibtisch zu sitzen. Das sei das Glück gewesen, wirst du dir sagen: Noch einmal eine Stunde der Sorglosigkeit, satt und müde am Sonntagabend. Ein Glas Wein vor dem Bad, gute Musik, und nichts, was du ändern würdest, im Großen und Ganzen, wenn du wüßtest, dass dies der letzte sorglose Sonntag wäre, und nächste Woche wärest du krank und in acht Wochen tot.
Wenn jetzt, denke ich, und schließe die Augen noch etwas fester, einer käme. Wenn also jetzt einer daherkäme, die Straße aufwärts von Mitte Richtung Norden, und käme die Treppe hoch, langsam, mit Taschen in beiden Händen, und stünde gerade in diesem Moment vor der Tür: Wenn er einen Schlüssel besäße, oder bräuchte gar keinen Schlüssel, weil ihn das mürbe Holz der Tür nicht hielte, dann käme er gleich, ach, in einer Minute zu meinem Bett.
„Meine liebe Modeste“, würde er sagen und ein bisschen knistern mit den Tüten in den Taschen und ginge dann erst einmal in die Küche, um auszupacken. In der Küche würde er Schränke öffnen, Schubladen aufziehen, Gläser würden klirren, Metall aneinander stoßen und vielleicht würde ich ihn hintereinander ein paar Türen aufstoßen hören auf der Suche nach Zucker oder Salz.
Gut gelaunt wäre der Mann in der Küche, vielleicht würde er sogar leise singen, ein bisschen lachen über irgendetwas, was ich nicht sehen kann, hier im Schlafzimmer und mit geschlossenen Augen. Vielleicht würde ich dösen, ein paar Minuten an den Schlaf verlieren, und wach werden, weil in der Küche Sahne geschlagen wird, oder Töpfe klirren.
Möglich wäre sogar, richtig zu schlafen, zu träumen, und erst zu erwachen, wenn es noch Essen riecht, nach Wärme, nach Früchten und nach Fleisch. Vielleicht würde ich sogar erst dann wach, wenn die Schlafzimmertür sich öffnete, und hielte doch die Augen geschlossen. Nur den Mund würde ich öffnen, und die wohltemperierte Sommerlichkeit einer Tomatensuppe schmecken, die Kühle und Sauberkeit von Sahne. Eine leinensteife Serviette. Kaltes, glattes Metall, und auf jeder Gabel genau ein Stück von der Entenbrust, ein bisschen, aber nicht zu viel Zitronenzeste, die Körnigkeit von Pfeffer. Kartoffeln, deren eigene speckige Glätte überginge in die geliehene Üppigkeit zerlassener Butter, und ganz kleine, ganz runde Erbsen, süß und straff vor Frische.
„Einen Wein?“, würde ich gefragt, und wählte doch, nur eine Neigung des Kopfes, kaltes, klares Wasser. Schweigen würde der Mann auf meiner Bettkante, höchstens ganz leise darüber sprechen, wo das Gemüse gewachsen, wo die Ente geschwommen ist, die auf dem Teller liegt, den ich nicht sehe, denn noch immer hielte ich die Augen fest geschlossen.
Löffel für Löffel schöbe man mir ein Sorbet auf die Zunge. Kirsch oder Himbeer. Champagner würde man mir reichen, ganz vorsichtig Schluck für Schluck, und liefe mir doch ein kleines, schlängelndes Rinnsal über den Mund: Der Mann auf meiner Bettkante tupfte mir die Feuchtigkeit sorgsam vom Hals.
„Schlaf gut, Modeste.“, würde er flüstern, am Ende, noch ein, zwei Minuten meinen Schlaf bewachen, und ginge dann, leise, unhörbar für mich, die Treppen hinab, die Straße hinunter, und überließe mich anderen Träumen.
1. Nimm das nächste Buch in deiner Nähe mit mindestens 123 Seiten.
2. Schlage Seite 123 auf.
3. Suche den fünften Satz auf der Seite.
4. Poste die nächsten drei Sätze.
5. Wirf das Stöckchen an fünf Blogger weiter.
Es hat schließlich die Hoffnungen der Heilsreligionen wiederangefacht, indem es das Heil des Menschen der Fleischwerdung und der Auferstehung Christi überantwortete.
Die Hamburger, weiß die Berliner Fama, zeichnen sich insbesondere durch einen ganz unvergleichlichen und in der Bundesrepublik einzigartigen Kleidungsstil aus. Sie tragen Barbourjacken, auch wenn das gerade sonst keiner tut. Sie mögen Twinsets. Sie tragen – ich habe das selbst gesehen – selbst nachts um drei und stockbetrunken ein dezentes Make Up und Perlenketten. An den öffentlichen Angelegenheiten ihrer Heimatstadt nehmen sie rege Anteil, selbst dann, wenn beide Kandidaten aus einigen hundert Kilometern Entfernung nahezu ununterscheidbar sein sollten.
Auch der politisch interessierte Hanseat muss aber nicht den ganzen Tag wählen gehen. Nachmittags
am 24.02.2008
um 16.00 Uhr
hat der Hamburger seine Wahl längst getroffen, und da es ohnehin, sagt man, mäßig spannend sein wird, wer die Wahl gewinnt, besteht ausreichend Gelegenheit, sich zum
zu begeben, wo neben einigen, sicherlich großartigen Autoren auch ich einen Text verlesen werde, der sich zur Abwechslung einmal nicht mit mir beschäftigt, sondern ganz und gar ausgedachte Menschen zum Gegenstand hat, die teilweise autofahren, und teilweise sterben.
„Müssen sie auch morgen raus?“, fragt mich einer der beiden Männer an dem Stehtisch im Foyer, und einen Moment lang überlege ich, zu bleiben. – „Bis dann!“, tippt mir die B. auf die Schulter, die einen Termin hat, morgen früh um acht, und warum ich nicke, warum ich nach Hause fahre, anstatt weiter zu ziehen, weiß ich selber nicht.
Vielleicht ist es das, was das Erwachsensein ausmacht, überlege ich, als das Taxi hält: Dass die Müdigkeit stets die Erwartungen überwiegt, und keine Wünsche einen durch die Nächte tragen. Vielleicht ist es die Erwartungslosigkeit selber, die nicht mehr annimmt, dass hinter der nächsten Ecke, einen Straßenzug weiter, das Unbekannte wartet, und das Unbekannte größer, strahlender, oder auch nur anders ist, als das, was man kennt. Vielleicht ist es etwas wie Zufriedenheit, vielleicht ist es aber auch nur, dass man irgendwann, als man es selbst nicht wusste, einen dicken, schwarzen Strich gezogen hat, unterhalb dessen die Summe von dem steht, was mich ausmacht, und was zu reichen hat, die nächsten paar Jahrzehnte.
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