Die Blumenfrau wickelt die roten Schwertlilien dreimal in Papier, damit sie nicht durchweichen auf dem Weg nach Hause. „Ist schon gut,“, sage ich, dass ich es nicht weit habe, und es den Blumen doch nicht schaden wird, ein bißchen nass zu werden. „Ihnen geht´s gut!“, sagt die Frau mit der grünen Schürze, und hört sich ein klein wenig missbilligend an, ganz so, als sei es an höherer Stelle nicht gern gesehen, an diesem Herbsttag in Grau lachend die Kastanienallee herunterzulaufen, die Regentropfen mit der Zunge von den Lippen zu lecken, und auf den zehn Minuten Weg vom Gemüsehändler bis zum Bäcker alle vier Feigen aufzuessen, die so überreif sind, zuckerig süß, verlustig schon der säuerlichen Feigenfrische, und so saftig, dass sich der Feigensaft mit dem Regen in meinen Mundwinkeln mischt.
„Wieder unter den Lebenden?“, lacht die B. in den Hörer, und fragt nach Britten in der Komischen Oper, ein Glas Wein will die C. am späteren Abend trinken, einen Tee am Nachmittag der J., und ich sage alles, alles zu in Kompensation der allzu arbeitsreichen letzten Woche, süße mir den Lapsang Souchong mit drei Löffeln Zucker, und winke den Kindern im Hinterhof zu, die pudelnaß im Kastanienlaub rascheln. „Na duuu?“, grüßt mich ein kleines Mädchen zurück, und ich frottiere mir erst die Haare, um dann doch in die Dusche zu steigen, heißes Wasser über Rücken und Nacken. Ein neues Duschgel brauche ich demnächst einmal, denke ich, das nicht nach Sommer riecht, nicht nach Zitronen, Meer und grünem Gras, und stelle mir warme Zedern vor, vielleicht Orange, vielleicht Rosen.
Durch die offenen Badezimmertür, durchs Rauschen des Wassers singt Eberhard Waechter 1959 großartig, strotzend unter Giulini, und ich singe mindestens genauso laut, aber fürchterlich falsch mit:
Finch’han dal vino
Calda la testa
Una gran festa
Fa preparar…
Ich mache mir die Musik im Auto immer so laut an, dass sie meine falschen Gesänge übertönt. Weiss also gar nicht genau, ob ich überhaupt falsch singe. Vielleicht klingt es ja gut?
Ich habe bei Rossmann neulich Schokoladen-Duschgel entdeckt. Wäre das nicht sowohl etwas für Sie als auch für den Herbst?
Ah che barbaro appetito!
Che bocconi da gigante!
Mi par proprio di svenir.
Mi par prooopio di sveriirrr.
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schoko-duschgel für modeste? wenn das jetzt nicht eine gemeinheit war… 😉
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Die Frau Engl passt ja irgendwie mehr auf als ich – ich wittere Gemeinheiten ja eigentlich nie, wenn man sie mir nicht geradewegs auf die Nase bindet, und überlege gerade, welches Gemeinheitsgehalt der Schoko-Duschgel-Vorschlag jetzt so eigentlich haben könnte. Ich finde die Idee eigentlich ganz sympathisch, vermutlich wird´s aber am Ende doch wieder ein simples Seba-Med oder so.
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Genau, Don. Bis der Komtur kommt.
Modeste wie sie singt und lacht. Das klingt gut. Also, glaub ich zumindest.
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Oh, ich fürchte…wenn ich anfange zu singen, fällt der Putz von der Decke und die Milch wird sauer. Seien Sie froh, dass Ihnen dass erspart geblieben ist, Herr Burnston.
Der Eberhard Waechter aber, das ist eine großartige, eine unglaubliche Interpretation – viril, kraftvoll, dem nimmt man nicht nur die 1003 Spanierinnen ab, und würde auf der Stelle mit ihm zur Hölle fahren. Mein Nachbarn hassen mich gerade.
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Non credo, nego.
Ausserdem bevorzuge ich ab einem gewissen Punkt ohnehin die Deutung von Max Frisch. Bei aller Liebe zu da Ponte.
Und mal im Ernst: Was für eine klägliche, langweilige Welt, eingepresst in einem spanischen Hofzeremoniell, bleibt eigentlich nach dem Abtreten des Don Giovanni übrig? Das ist doch das eigentliche Drama, ganz ohne giocoso.
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Max Frisch gehört ja ohnehin nicht zu meinen Liebsten, und den Don Juan schätze ich schon gar nicht – selbstverliebte Intellektuelle kenne ich selbst genug. Faszinierend, anziehend am Don Gionvanni ist doch nicht das Glück bei Frauen – das haben ja viele – sondern das Dämonische, Besessene des Getriebenen, der letztlich nicht die Frauen liebt, sondern die Hölle. Insofern ist die Höllenfahrt letztlich nicht nur dramatisch, nicht nur Strafe, sondern auch Erfüllung, eine spiegelverkehrte Himmelfahrt.
Das Hörbeispiel…
das ich da oben verlinkt habe, hört sich an, als säße Waechter im Inneren einer großen Tonne, aber einen Eindruck vermittelt es vielleicht trotzdem.
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ich dachte da an das wohlige umhüllt sein von schokogelduft, ohne jedoch davon essen zu können. das ist gemein, ganz bestimmt.
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Nun, die wahrhaft positive Figur, der mein Herz entgegenschlägt, ist ohnehin Leporello. Wie er sich am Ende der Registerarie an Donna Elvira ranmacht, wie er sie später einwickelt, seine Skrupellosigkeit, sein Witz, sein Charme – das ist in meinen Augen der wahre Held, singt er doch ein Pladoyer für die Wechselfälle des Lebens, für die Freiheit, für die Torte und Lust.
Man muss sich vor Augen halten: All der Aufwand nur für ein wenig Sex, zu dem es in der Oper ohnehin nicht kommt. Sehr seltsam, die meisten der Leute auf der Bühne. Allein Leporello lebt, für den Moment, das Glück, das Gold und den Braten. Herrlich. Und man weiss, dass er die Registerarie am liebsten für sich selbst singen würde – und vielleicht auch kann, denn wer weiss, was er mit den Zofen der Herrinnen gemacht hat, die sein Herr eroberte?
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Da bin ich ja beruhigt; wie könnte ich jemals gemein sein! 🙂