Anregung an Wissenschaft und Technik

Verbrennen denkt man sich ja recht appetitlich, wenn man die Alternativen bedenkt, aber ich habe gehört, der Kopf platze, bevor man ganz verbrennt, und selbst wenn ich es nicht mehr erlebe, ist das keine Vorstellung, mit der man sterben möchte. „So, das war’s jetzt offenbar, die Luft wird reichlich knapp, und morgen schieben sie dich in einen großen Ofen und dann platzt dir der Kopf.“ – Nein danke.

Auf der anderen Seite fürchtet man natürlich auch die Würmer. Nimmt das Kopfplatzen immerhin recht wenig Zeit in Anspruch, so schaut es mit den Würmern ja schon anders aus. Die dicken, weißen Maden, die sich aus und in das Fleisch bohren, brrr…, die hässlichen Löcher in der Haut, die ja ohnehin ein wenig leidet in den ersten Monaten, die auf das Ableben folgen, das alles schreckt ja nicht wenig. Auch das Schmatzen, das selbst dann, wenn es keiner hört, als Geräuschkulisse des Endes meines zeitlichen Seins ein wenig unwürdig erscheint.

Die alten Ägypter haben sich bekanntlich aus Angst vor dem Verfall einbalsamieren lassen, auch fürchtete man, seine Überreste im Jenseits eventuell noch zu brauchen. Eines Tages in den Museen späterer Zeitalter herumzuliegen, ist aber keine hübsche Vorstellung, die mir im Übrigen auch ein wenig unbescheiden scheint, denn wo, fragt man sich angesichts einer tatsächlich wachsenden Weltbevölkerung, kämen wir denn hin, wenn sich jeder dahergelaufene Hans und Franz einbalsamieren lässt. Am besten noch mit Aufbewahrung der Mumie in einem riesengroßem Mausoleum, das für Bedürftige in einer einfachen Plattenbauversion von der AOK bezahlt wird. Binnen weniger Jahre wäre Deutschland voller exorbitant hässlicher Totenhäuser, die großen Baumarktketten würden Mausoleen in jedweder Ausstattung zum Selberbauen anbieten, und man kann sich vorstellen, wie ein Mausoleum aussehen würde, das etwa der Praktiker Markt anböte. Oder das in Vorarlberg handgefertigte Bakelitmausoleum von Manufaktum.

Mein Mausoleum wäre dem gegenüber natürlich sehr individuell und äußerst geschmackvoll. Trotzdem dünkt mich die Einbalsamierung nicht als vollkommen angemessen bezüglich der Überreste einer Allerweltsperson wie mir, und nicht nur qualvoll, sondern auch noch unbescheiden zu versterben, ist vielleicht wirklich ein bißchen viel.

Nicht übel wäre es, man löste sich mit dem Moment des Ablebens einfach in seine chemischen Bestandteile auf und würde teilweise durch unauffällige Abflüsse, die findige Architekten unter den Betten der Krankenhäuser anbringen, der Erde zufließen, und zum anderen entwiche man gasförmig einfach in die Luft. Auch in dieser Beziehung erweist sich aber die Schöpfung als durch und durch defizitäres System.

Wie auch immer, auch bezüglich der letzten Maßnahmen, die auf dieser Erde die eigene Person betreffen werden, besteht noch erheblicher Innovationsbedarf, und so rufe ich hiermit die deutsche Wissenschaft und Industrie auf, sich dieses Problems endlich anzunehmen und Lösungen zu entwickeln, die sich als geeignet erweisen, uns einen würdigen und umweltfreundlichen Umgang mit unserem Körper zu ermöglichen, wenn wir ihn eines Tages nicht mehr brauchen.

(Im Rahmen einer noblen Geste an diejenige Dame, die den Anstoß für die Lösung dieses Problems, das so alt ist wie die Menschheit, gegeben hat, dürfen freundliche Ingenieure die Maschine, die irgendetwas Appetitliches, aber Wirkungsvolles mit menschlichen Überresten macht, übrigens gern „Modeste“ nennen.)

23 Gedanken zu „Anregung an Wissenschaft und Technik

  1. Gewisse Steinzeitvölker haben ihre Toten in die Bäume gehängt. Ich denke, dass Vögel im Gegensatz zu Maden nicht schmatzen. Wäre das eine Alternative? Ansonsten empfiehlt sich die Abladung der Leiche in sicheren Permafrostregionen. Archäologen werden das lieben und auch in Jahrtausenden noch viel Spass mit Ihnen haben.

  2. In der heutigen Zeit…

    …ist Indian Style beim Essen chique, aber beim Bestatten wohl mit den aktuellen Umweltgesetzen nicht vereinbar. Der Vorteil liegt natürlich darin, dass man sehr genau weiß, was seine Hinterbliebenen machen. Eine richtig heiße Nummer.
    Das mit den platzenden Köpfen hätte man bestimmt öfter gehört, fände es statt. Brandopfer weisen dies jedochnicht unbedingt vor. Außer, sie litten zu Lebzeiten unter einem Wasserkopf. Und selbst da sollte sich der Druck mit einem Pfeifen, ähnlich dem eines Teekessels, abbauen.
    (Man verzeihe mir meine makabre Einstellung)

  3. REPLY:
    „Himmelsbestattung“

    ist ein interessantes Wort, weckt freilich die alte Vorstellung, als gehe es vielleicht um einen Hmmels-Ort, an dem bestattet werde. Gleichwohl: dieses Wort animiert auch dazu, ein wenig nachzudenken darüber, was denn für uns heute mit der Hoffnung gemeint sein könnte, „in den Himmel aufgenommen“ zu werden. Unser Baggerfahrer Willi jedenfalls erzählte uns erst vorletzte Woche von seiner Nahtodeserfahrung, in der er dem Himmelslicht schon sehr nahe gekommen ist. Jetzt sei sein Leben sehr viel entspannter; und es gehe ihm nur noch darum, in wirklichem Frieden und Wohlsein mit den Menschen zu leben. Ist doch verrückt, was das Koma alles mit uns machen kann.

  4. Nicht übel wäre es, man löste sich mit dem Moment des Ablebens einfach in seine chemischen Bestandteile auf und würde teilweise durch unauffällige Abflüsse, die findige Architekten unter den Betten der Krankenhäuser anbringen, der Erde zufließen

    Nun, zumindest wenn Sie in einem heißen Sommer in einer kleinen Leichenhalle ohne Klimaanlage drei Tage aufgebahrt werden, weil der Beerdigungstermin noch etwas auf sich warten lässt, funktioniert das schon zum Teil. Irgendjemand wischt das Tropfwasser dann schon weg.

    Aber das ist nicht der Grund, warum ich hoffe, am Ende eines Sommers zu sterben. Ich mag einfach die Jahreszeit und für die Trauergesellschaft ist es auch netter, wenn sie nicht frierend auf dem Friedhof herumstehen muss.

  5. das mit dem kopf platzen halte ich auch für ein gerücht. was aber durchaus passieren kann,ist, daß sie beim verbrennen noch ein wenig tanzen. allerdings sind die modernen krematorien da so fit, daß man binnen sekunden mit unglaublicher hitze zu asche und bröckchen gekärchert wird, daß sich da wohl nicht so viel ergibt. man sollte sich nur nicht der illusion überlassen, daß in der urne tatsächlich die eigene asche landet, und wenn, daß man da dann alleine drin ist – schließlich wird in kleingruppen gekärchert, wie bei der bvg.

  6. „DER TOD…

    ist die letzte radikale Neuigkeit , die dem Menschen der Moderne geblieben ist“

    (…aber nicht schon wieder Benjamin)

    Begraben, verbrennen, aufhängen, ablegen…, all diese Entsorgungsalternativen sind für mich persönlich uninteressant…!

    Desgleichen gilt auch für die Frage, bei welcher momentanen Beschäftigung ich mit einem – in seiner schieren Endgültigkeit – allerletzten Interruptus unterbrochen zu werden wünsche…!

    Ich verlange, fordere, ja heische geradezu nach einer Reinkarnation, aber bitte „Subito!“, ein bisschen plötzlich…und im nämlichen Augenblick…!

    Als wer/was…?

    Als Mensch und am liebsten als der nämliche, wäre meine zugegebenermaßen phantasielose Antwort…

  7. Herzblatt

    Vor einiger Zeit inserierte hier eine jungdynamische Firma in einem kleinformatigen dafür bunten Gratisblatt doppelseitig: „Wir legen Ihnen Ihre Liebsten ans Herz.“
    Aha. Und zwar wie? In Form von Indsutriediamant der durch ein Hochdruckverfahren aus der Asche meiner oder deiner Mutter in beliebiger Form (abegbildet war ein Herz) hergsestellt und mit Fassung zu einem Amulett gearbeitet wird. Ich weiss nicht, ob diese Idee Ihren Ansprüchen gerecht werden kann, fand sie aber bemerkenswert. Trotzdem hat die Firma seither nicht wieder inseriert. Vielleicht war einfach die Zeit nicht reif.

  8. REPLY:
    Bierlaster

    Hmhm, Herr Burnston, auch schön. Ein verdammt guter Freund von früher wollte immer im besoffenen Kopp beim Bumsen vonnem Bierlaster überfahren werden. Das würde sehr viele Probleme von Frau Modeste in einem Aufwasch lösen: kein hitzebedingtes Platzen flüssigkeitsgefüllter ballonartiger Körperextremitäten, kein Schmatzen schlemmender Maden, kein Vorsichhinsafteln in dunklen Verliesen: der Rest wird einfach weggeworfen.

    Wobei ich mich bei der o.a. Methode im Hinterkopf immer frug, ob das der beteiligten Dame denn auch recht gewesen wäre, denn das macht ja recht widerborstige Flecken. Ich habe das aber, so weit ich mich erinnere, nie konkret hinterfragt.

    Übrigens darf ich in diesem Zusammenhang auf folgende webSite hinweisen: http://www.jjchandler.com/tombstone

    Besonders gelungene Exemplare bitte in eMail (thomas@diesellog.de) an mich. Ich setze sie in mein weblog.

  9. Permafrost, Don? Mir ist Berlin schon kalt genug. Und öffentlich in Bäumen verschimmeln finde ich eher noch unangenehmer als ganz für sich ein paar Meter unter der Erde, Frau Walküre. Und auf dem Mond stelle ich es mir auch nicht so toll vor. Aber wenn Sie, Herr Pathologe, sagen, das mit dem Kopfplatzen sei gar nicht wahr, dann vertraue ich jetzt einmal einfach Ihrer sicherlich sachkundigen Auskunft und dem Herrn Lucky sowieso.

    Was die Nahtoderfahrung angeht, bin ich, Herr Sokrates, ja einigermaßen skeptisch. Wer noch lebendig genug bleibt, um zu referieren, der hat nicht viel vom Tod gesehen, und wer tot genug war, spricht nicht mehr, fürchte ich.

    Herrn Burnster kann man angesichts dieser Wunschvorstellung allerdings nur einen Egoisten nennen, und Herr Reuter hat’s erkannt: Ich würde nicht wollen, dass Menschen, denen ich sehr nahe komme, während der Begegnung auf einmal tot vornüberfallen, aber vielleicht sehen andere Damen das ja anders. Und vielleicht beurteilen andere Leute den tagelangen Auflösungsprozess auch als ebenso zufriedenstellend wie die Sofortauflösung, aber ich bin mir da, Frau Arboretum nicht sicher: Mir wäre eine Art Instantverfall lieber. Und der Reinkarnation, Herr Wallhalladada, misstraue ich auch. kann doch nur schiefgehen. Obwohl – einen langgehegten Wunsch hätte ich ja schon… Vielleicht lässt sich da ja was machen. Als Industriediamant weiterzuexistieren, lässt sich grundsätzlich hören, aber was, machen sie so ganz genau mit der Leiche, bis sie den Lieben am Hals baumelt?

    Und für die Verarbeitung zu Soylent Green, Herr Sirdregan, ernähre ich mich nicht gesund genug.

  10. REPLY:

    ja, kann man, wenn man sich mit dem knochenwächter vertraulich macht, wie ein bekannter von mir, der jetzt immerhin ein stück schlüsselbein seines liebsten zuhause hat. aber das darf keiner wissen, sosnt fliegt der knochenwächter im krematorium wedding, der das ganze durchsiebt.

  11. REPLY:
    Ein Diamant zu werden,

    ist voll im Trend, heißt es hier: http://www.sncweb.ch/dossiers/diamant.htm, aber noch recht teuer. Doch es war immer schon teurer, einen besonderen Geschmack zu haben. Im übrigen, Frau Modeste, gefällt es mir, wie Sie von der Begegnung zwischen Mann und Frau sprechen. Das ist nicht unbedingt der Jargon der Zeit, würdigt aber in m.E. angemessener Weise ihre Bedeutung für uns Sterbliche.

  12. REPLY:

    *lol* auch net schlecht. Aber wieso gerade das Schlüsselbein? Ich glaube, ich würde das Brustbein nehmen. Wobei ne Rippe auch nicht schlecht wär. Ach, ich glaube ich könnte mich gar nicht entscheiden.

  13. Doch bitte keine Methode, die auch nur im Entferntesten an „Soylent Green“ erinnern könnte ..

    Mir gefiele eine Kombination aus neutralisierter Schwerkraft und zerstäubten Molekülen. In meine Lieblingskleidung gehüllt steigt mein Körper zu den Wolken auf, wo er sich im Orange der untergehenden Sonne in Trilliarden kleinster Moleküle auflöst, die der Wind wie Blütenstaub langsam fortweht, der nach einer Phase des Schwebens irgendwann wieder den Erdboden erreicht. Als Alternative könntes ich natürlich für diesen Vorgang auch einen Ort weit draußen im Dunkel des Weltalls wählen, um für alle Ewigkeit als Sternenstaub im Universum zu schweben.

    Bis zu diesem hoffentlich noch fernen Tag bevorzuge ich es allerdings, meinen Körper durch die regelmäßige Einverleibung appetitlicher Häppchen möglichst lebendig zu erhalten.

  14. REPLY:

    Es gab da mal eine anatolisch-vorderasiatische Variante: In Catal Hüyük pflegten
    die Leute, das ist abewr schon 7000 Jahre her, ihre Toten bis auf die Knochen von
    Vögeln abnagen zu lassen, um die Knochen dann einzusammeln, die Schädel mit
    Eierschalen als Augäpfel zu verzieren und das handlich zusammengelegte
    Skelett unter der eigen Bettstatt aufzubewahren, Omi bleibt da sozusagen. In
    Kurdistan war die erste Hälfte genauso, nur dass die Knochen dann in Steinkisten
    beigesetzt wurden, die man am Rande viel befahrener Straßen abstellte, damit die Geister
    der Toten die Reisenden bescvhützen konnten. Die alten Perser hatten Totentürme,
    auf denen man die Leichen den Vögeln überließ. Ich bin mir nicht sicher, ob eine dieser
    Lösungen Modellcharakter hätte, wobei die Sache mit „am Rande viel befahrener Straßen“
    vielleicht eine Alternative böte. By, the way, ich hatte mir auch kürzlich Überlegungen
    zu der Thematik gemacht:

    http://che2001.blogger.de/stories/469565

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