Die Tarnkappe

Sie, sofern es sich bei Ihnen um einen männlichen Leser handelt, stellen sich sicherlich alles Mögliche vor, was Frauen anhaben, wenn sie Ihnen gefallen. Jeans zum Beispiel. Oder Kleider. Röcke, Stiefel, breite Gürtel und schmale Träger, glitzernde Täschchen oder T-Shirts mit und ohne Aufschriften drauf. An Hosenanzüge aber denken Sie nicht. Eine Frau, denken Sie, sollte weiblich ausschauen, Diva oder Mädchen, aber eine Frau im Hosenanzug ist nicht als Frau unterwegs, sondern eher als so eine Art Arbeitsbiene, ein Geschöpf, welches nicht zum Küssen, sondern zum Arbeiten gemacht ist, und deswegen konsequent übersehen wird.

Sie aber, sofern Sie eine Frau sind: Sie finden das ungerecht. Sie steigen morgens in einen Hosenanzug, schwarz, so neutral, wie ein Hosenanzug eben ausschaut, und versinken in einem Loch der Unsichtbarkeit. Wie ein kleines Arbeitspferd fühlen Sie sich, wie eins dieser falbfarbenen, robusten Pferdchen, mit denen man weit über Land und vielleicht sogar in den Krieg ziehen kann, und denen man allenfalls einmal die Seiten tätschelt. Nie spricht man von den Arbeitspferden, nie schaut man die Frau im Hosenanzug an, und abends, wenn Sie sich umziehen könnten, um wieder sichtbar zu werden, dann arbeiten Sie immer noch. Danach gehen Sie schlafen.

Im Traum aber stellen Sie sich vor, einmal wieder ein Kleid anzuhaben, zu leuchten und zu lachen, eine Frau zu sein, die sich irgendjemand vorstellt, wenn er allein in der U-Bahn sitzt. Eine Frau, die so sichtbar ist, wie eine Frau überhaupt sein kann, und fürchten doch, wenn Sie erwachen, dass eines nahen Tages der Hosenanzug festgewachsen sein wird an Ihnen, unausziehbar, und Sie selbst dann wie eine Ganzkörpertarnkappe bedeckt, wenn sie einen Rock anhaben, ein kurzes Kleid, oder sogar nichts.

15 Gedanken zu „Die Tarnkappe

  1. Hm, das hat mich jetzt durchgerüttelt,

    müssen Frauen sich wirklich uninteressant/unweiblich (mit Tarnkappe) kleiden, um in der Arbeitswelt als seriös zu gelten? Und: gilt das für uns Männer auch? Wenn ja, in gleichem Maße? Das gibt mir zu denken. Aber ich nehme die Gedanken einstweilen mal mit ins Bett.

  2. Zum Glück habe ich ja einen Beruf, in dem ich sowohl in Jeans als auch im knöchellangen Purpur-Samtrock herumlaufen kann, je nachdem, wie ich gelaunt bin. Allerdings habe ich seinerzeit die Juristerei auch nur im Nebenfach betrieben (eine Kommilitonin von der Halstuch- und Lambswool-Mäntelchen-Fraktion ließ sich einmal zu dem Satz hinreißen, das würde man mir ansehen – ich nahm’s als Kompliment).
    Und im Zweifelsfall verdienen Sie in Ihrem Hosenanzug auch mehr Geld.

  3. Echt?

    So schwarz sehe ich das Kleidungsthema gar nicht. Was ist mit Kostümen inkl. Rocken bis zum oder auch kurz vor Knie? Hauptsache, es sitzt perfekt und sieht vom Stoff her nicht nach Versandhausware aus. Die Schuhe müssen ähnliche Standards erfüllen und sollten moderate Pumps-Höhe nicht übderschreiten. Dann ist frau trotzdem adäquat gekleidet und fühlt sich feminin. DANACH entscheidet natürlich, was sie inhaltlich von sich gibt, bei Meetings etc. – daran wird sie wie ach das männliche Kollegium gemessen. Die erste flüchtige Wahrnehmung wird sicherlich im Röckchen, oder gerade im Röckchen, männlicherseits eher wohlwollend ausfallen – aber ich glaube nicht, dass, wenn es in medias res geht, weiblicher Input anders bewertet wird, weil der androgyn anmutende Hosenanzug fehlt. Auch bei den Farben kann frau durchaus z.B. die ganze Palette von caramel bis capuchino wählen als auch marineblau und sämtliche alle Grau-Abstufungen. Die Farbe der Bluse drunter macht dann noch evt. den Auffrischer!
    Ohne Ihnen jetzt zu nahe treten zu wollen: sind sie evt. grade in einer Phase der Überarbeitung oder segeln gar Richtung Burn-out ;-(?
    Ach ja, und manchmal kann man das Röckchen auch strategisch einsetzen, ohne den Respekt der männlichen Arbeitstiere, äh, Artgenossen zu verlieren. Wirklich.

  4. Hm, ich denke nicht, dass man gleich ein Burn-Out-Syndrom andichten muss (wenn Frau Melancholie an einem echten basteln würde, dann würde sie hier übrigens nicht mehr schreiben können), nur weil jemanden mal wieder auffällt wie irrwitzig diese Welt ist.

    Nur wer in der Kleidung einen gewissen Status vermittelt, gilt als kompetent. Und vor allem Frauen, die im Beruf sich dank des Kleidercredos brav untersagen, wie eine Frau, eine sehr weibliche Frau zu wirken – nur die kann kompetent und fähig sein und nur die hat ihre Position mit Fleiss und Intelligenz erworben und nicht gar über’s Bettlaken. Leider denken immer noch sehr oft die Schubladen lauter als die Hirne …

  5. das problem kenne ich auch. ich beneide französinnen und italienerinnen, die ihren job im geblümten seidenkleid machen können, ohne daß ihnen nachgesagt wird, sie würden eh nur auf den adäquaten heiratskandidaten warten oder inkompetent sein, weil weibchen.
    andererseits ist es eine frage von haltung und look. auch ein mann muss für einen wirklich guten anzug (und damit ich ihn als anzugträger ernst nehmen kann) ne menge geld hinlegen. es sei denn, er hat glück und ihm sitzt der 08/15-boss-anzug wie angegossen.
    so hart es ist: frau muß nach der marke suchen, die ihr tatsächlich passt und steht (was bei mir der designer mit a ist, das tut nur in der geldbörse so weh) oder maßschneidern lassen. in gutem material und gutem schnitt fühlt frau sich auch gut (das gilt auch für röcke). ich habe ladies gesehen im nadelstreifen, die sahen einfach geil aus.
    und dann: haltung, haltung, haltung. klingt wie nach einem ratgeber für höhere töchter, aber wir sind allesamt jeans- und sneakerversaut. was latschen und fläzen zur folge hat.
    nichts ist schlimmer und regt zur ingnoranz an, als eine frau in einem synthetikglänzenden oder knautschenden, an problemzonen verwerfungen erzeugenden dress, die sich verktrampft und verklemmt, weil eingeklemmt bewegt.
    schreiberin sitzt am schreibtisch mit birkenstocks, zwei paar sportsocken, hüftjeans, gemütlichem pullover und warmer baumwollunterwäsche… sie kann aber auch anders, wenns ums kundeneinwickeln geht.

  6. Ja, Herr Sokrates. Wer jemals versucht hat, in Rock und Stiefeln eine Verhandlung zu führen, weiß das. Wo es um Geld geht, und nicht nur um gute Worte, scheint das schlicht so zu sein. Dass man dabei, Frau Arboretum, auch Geld verdient, ist natürlich großartig, aber der Preis in Form des Hosenanzugs und allem, was dran hängt, fällt bisweilen schon ins Gewicht.

    Und nein, Frollein Müller, am Job liegt’s nicht, der ist klasse, aber die ganze Farbpalette von grau bis beige – seien wir ehrlich: Ich kann mir Besseres vorstellen. Da hat Creezy recht – Ihr Statement würde ich so unterschreiben (hiermit getan). Und Frau Kittykoma hat sicherlich recht, das ist eine Frage der Haltung, aber auch mit Haltung findet einen vielleicht fast jeder kompetent, aber kaum jemand begehrenswert.

  7. hosen-anzug

    meine liebe frau modeste!

    jetzt begehen Sie aber den fehler, in die falle des sexismus zu tappen. ich kann Ihnen sagen, auch der hosenanzug hat so seinen reiz. kleidung unterstützt die persönlichkeit und daher kann frau/mann sehr interessant sein, sofern die garderobe zur person passt. so kann der mann, so nehme ich unwissend aber aus beobachtung erfahrend an, sowohl mit feinstem tuch aus noblem hause, als auch mit der simplen vereinfachung der proletarischen kleidung, bei seinem gegenüber punkten. und das soll für frau nicht gelten? ich oute mich hier als primitiv dem instinkt folgend, aber es gab doch schon so manche frau in hosenanzug, die meinen (unbedeutenden) blick auf sich ziehen konnte. was tragen Sie denn so?

  8. ausgerechnet heute

    hatte ich seit langem wieder einmal einen hosenanzug in der arbeit an und ausgerechnet heute sagte der mir zugetane so ganz nebenbei und nicht einmal unfreundlich vor zwei stunden zu mir: du weißt aber eh, dass du in dem teil zehn jahre älter aussiehst … so viel dazu. und es ist einfach besser, wenn frau anzieht, worauf frau grad lust hat ….

  9. Da bin ich doch froh, daß in meinem Umfeld kein Uniformzwang existiert. Aber ich bin ja auch nur Student. Aber auch wenn man sich mal mit den Dozenten ins Städtchen zum Mampf begiebt sind Männlein wie Weiblein irgendwie frei Schnauze bekleidet. Macht das Leben irgendwie leichter.

  10. Gibt es eigentlich…

    Tarnkappensexbomben?

    Ich bin nur ein einfacher Mann und durch und durch tautologisch gestrickt, aber ich weiss genau, was das Gegenteil des perhorreszierten ‚Hosenanzugs‘ ist:

    Ein WRAP-DRESS von Diana v. Fürstenberg……………..

    Nicht wahr, meine Damen?

  11. Ich, Herr Mabel? Derzeit Jeans und Pullover, morgen einen Hosenanzug, und ansonsten gern Röcke, in denen ich hoffe, wohlgeformter zu erscheinen, als ich es bin. Marlene Dietrich freilich, Nachtbriefkasten, die musste nicht kaschieren, die war einfach großartig, aber unsereins ist auf die kleinen Täuschungen des Lebens angewiesen, die im Anzug auch nicht einfacher werden.

    Dass der Anzug altern lässt, Frau Mamma, ist mir gleichfalls bekannt. Man schaut also nicht nur sehr streng und irgendwie sächlich, sondern auch alt aus. Da ich ja auch alt bin, älter jedenfalls als Herr DrNix, tut mir das auch nicht eben gut.

    Und Tarnkappensexbomben, Herr Walhalladada gibt es meines Erachtens ebenso wenig wie einfache Männer.

  12. Wenn man die Biografie ihrer Tochter gelesen hat, weiss man, dass Marlene Dietrich sehr wohl kaschieren musste. Etwas sehr flachbrüstig soll sie gewesen sein und trug deshalb ein „geheimes“ Mieder.
    An jedem ist was scheppses. Eine Weisheit, die mein knapp 10-jähriger Neffe von sich gab, als wir über Schönheit redeten.

    Die Passform ist meist das Problem. Marlene Dietrich und auch Katharine Hepburn dürften kaum welche von der Stange getragen haben.

  13. REPLY:

    Ihr Neffe ist ein schlaues Kerlchen, will mir scheinen. Flachbrüstigkeit indes scheint heute fast eine der conditiones-sine-qua-non des Schönseins zu sein, wenn man mal die Laufstegdamen so anschaut.

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