Unschön an der Endlichkeit des Lebens ist ja nicht nur, meine Damen und Herren, der Vorgang an sich, obwohl auch die Auslöschung keine angenehme Vorstellung ist – dieser Schrecken, ins Bodenlose zu fallen, und all das, was man jemals gedacht, gesagt, geliebt oder getan hat, einfach weggewischt zu wissen wie man ein Galgenmännchen nach beendetem Spiel von der Tafel wischt, um es ganz und gar zu vergessen. Erschreckend auch die Vorstellung von Schmerzen, die so recht geeignet sein mögen, einem die Seele aus dem Leib zu treiben, und derart arg, dass man ganz zuletzt als ein schwitzendes, entmenschtes Stück Fleisch nach dem Ende schreien mag und bliebe einem auch nichts das schiere Nichts.
Benebst Schmerzen, Schrecken und Dunkelheit, der Einsamkeit auf die letzten Meter selbst in Anwesenheit jener Menschen, mit denen wir doch alles teilen, und immer beieinander bleiben wollten, ist es wohl von untergeordneter Relevanz, aber doch wohl ärgerlich, ab einem Tag, einer Stunde, einem bestimmten Moment nicht mehr zu erfahren, wie es weitergeht, nicht mit einem selbst, das ist ja vorbei, aber doch mit dem Rest der Welt und besonders mit jenen, die uns mehr angehen als andere.
Wann sich der hinterbliebene Witwer trösten mag, und mit wem wohl? Wird er die Neue mehr lieben als dich, wütender begehren, sehnsüchtiger erwarten? Wer wird deine Lieblingskette tragen, wer an deinem Schreibtisch sitzen? Wer wird weinen, und wer wird nur so tun? Wer, den du längst vergessen hättest, wäre dein Gedächtnis nicht besser, als dir lieb ist, wird einen trübsinnigen Abend verbringen, wenn er von der leeren Luft hört, die du bis gestern gefüllt hast, und es nun nicht mehr tust? Wer, über dessen Anruf du dich gefreut hättest, wird nur ein Schulterzucken übrig haben oder gar nicht mehr wissen, wer du bist? Wie ist das Essen bei der Beerdigung, wer wird nächstes Mal Kanzler, und wie hättest du ausgesehen mit 80?
Und hätte sich das Durchhalten gelohnt?
Einmal mehr zeigt sich, wie situationsbezogen das Hirn aufnimmt, was die Augen lesen. Und so friert mich mit Blick hierauf ein wenig bei der Lektüre dieses Textes, weit mehr als mich gefroren hätte, wenn ich diesen Text vor genau einer Woche gelesen hätte. Es ist seltsam. Doch „auch ein Klaglied zu sein im Mund der Geliebten ist herrlich“.
Gut, ich werde diesen Text aus reinem Selbschutz nicht wirken lassen, wie er wirken dürfte,wäre ich besser drauf dieser Tage.
Ich saß am 1. Feiertag bei meiner Stiefmutter, gute 19 Jahre nicht gesehen und nicht gehört, sie mit einem neuen Partner an ihrer Seite nach einem leichten Schlaganfall ihr Leben wohl mehr der Couch gestiftet als dem Sofa. Aber ihre Erinnerungen an meinen Vater (vor 20 Jahren gestorben) waren ziemlich frisch und von gestern – und es schwang auch immer noch Liebe mit und das Verletztsein über das Handeln bestimmter Familienmitglieder ihm gegenüber.
Und das Essen bei der Beerdigung wird sehr gut sein. Und wenn nicht, ist es auch egal, denn irgendwann werden die harten Getränke ausgeschenkt und danach kann sich eh keiner an das Essen erinnern. 😉
`Man schreibt nicht, damit Gott über die Realität bescheid weiß.
Man schreibt, damit Gott über die eigene Version der Realität bescheid weiß.´
unschön, ja. dass man nicht dabei ist, wenn die grossen dinge geschehen im eigenen kleinen leben. dass man seinen anfang nicht mit erlebt, die zeugung, das drängen ins helle, ans licht. nicht bewusst wenigstens. – und nicht das eigene ende. von den letzten, verzweifelten einsamen metern einmal abgesehen, unter atemnot.
aus. unwiderruflich. „einmal jedes, nur einmal. ein mal und nicht mehr.“
seltsam tröstlich wäre dennoch der gedanke, wenigstens nachschau halten zu können, was die hinterbleibenen, die nachwelt so treiben. da haben sie recht, frau modeste.
ob wir darum so eifrig danach trachten, nachwuchs, werte, scheinbar bleibendes zu hinterlassen, wenigstens erinnerungen, weil wir das endlichsein so schwer ertragen?
Ein Klagelied, lieber Ole, ist man ja immer noch lieber als ein Klageweib, und das immerhin steht noch höher im Ranking als die Rolle des zu Beklagenden. Aber auch die Überlebenden haben keinen guten Part in diesem schlechten Spiel, Frau Creezy, da braucht es schon ein gutes Essen und einen gnädigen Gott, der unserer Version nicht nur zuhört, sondern sogar zumindest so tut, als würde er, Herr Malles, jedes Wort glauben.
Und ob die Erinnerungen, Frau Enna, uns wirklich so lange überleben werden – wer weiß das schon. ich möchte es bezweifeln.
REPLY:
Sie verstehen es wirklich, die unterschiedlichsten Kommentare in ein paar Sätzen zu beantworten.-Das macht auch die Kommentare lesenswert.