Gibt nichts zu erzählen, rechtfertige ich mein Schweigen und schiebe mein Glas unruhig hin und her. Will doch keiner wissen, was ich tue, jeden Tag zwischen neun und elf Uhr abends, bis alles Rot verschrieben ist, und nur noch eine helle, trübe Brühe in meinen Adern zirkuliert.
Soll ich denn, trinke ich der Wand zu und den dunklen Scheiben, von den Morgen erzählen, in der Dusche, umflossen von Wasser und künstlichem Duft, wenn ich meine Hände betrachte wie Kinder es tun, und mir vorstelle, wie sie aussehen würden, wäre ich tot. Die blauen Adern, die hellgrauen Fingernägel, und wer mich alles anfassen könnte, den ich lebendig niemals berühren würde, und würde mir spaßeshalber die Hand schütteln.
„Guten Tag, Madame!“, hieße es dann, und würde nach Chlorophorm und Kälte riechen, und die Studenten rundherum würden lachen, wie man nur über den Tod lachen kann, aber ich bliebe stumm.
Gibt nichts zu erzählen, schüttele ich den Kopf, und körnig-naß schimmern die Straßen, als führten sie irgendwohin. Soll doch keiner wissen, was von mir übrig bleibt, nachts, wenn ich nicht schlafen kann, aber das kommt zum Glück selten vor, seltener jedenfalls, fast, würde ich sagen: so gut wie nie.
gut frau modeste, man denkt mal darüber nach über das thema mit dem tod und so.
denken sie doch bitte an etwas anderes, es macht mich ja selbst ganz nachdenklich.
und ich würde ihnen gerne mal die hand schütteln, aber nicht im hohn.
ich würde glauben, meinen und hoffen, daß ’studenten‘ nicht über den tod lachen WÜRDEN, wie man nur über den tod lachen KANN. auch wenn es eigentlich nichts zu erzählen gäbe.
„… bis alles Rot verschrieben ist…“ ist ja sehr schön geschrieben.
Vermutlich werden die Studenten mehr Angst und Respekt vor Dir haben, als Du Dir vorstellen kannst. Persönlich glaube ich, ist es in den Sezierräumen der Unis langweiliger als wir es uns wünschen würden. Der Scheinstreß steht den Studenten auf der Stirn geschrieben, sie wollen alles an Dir richtig machen, alles sehen, alles erkennen – und sie werden Dir dankbar sein, wenn Du noch eine halbwegs attraktive Leiche bist. Keine durchgelegene zu lange in feuchten Lösungen aufbewahrte … also streng Dich an 😉
Vielleicht noch übers Schlaflose lachen. Am Ende dann, leise, vor sich hinglucksend.
sehr schön!
das freut mich zu hören!!!
Mit dem Tod, Herr Lemonendres, ist es ja so eine Sache: Man denkt nicht gern dran, aber ohne das sachgedankliche Mitbewusstsein der Sterblichkeit ist das lebendig-Sein auch nur halb so schön, wie man ja auch beim Lachen über den Tod, Herr Schneck, im wesentlichen darüber lacht, dass man diejenigen, die nun tot sind, überlebt hat: Halb Triumph, halb Erleichterung. Tot sein wird man früh genug: Dieser euphemistische Dauerschlaf, Herr Kid, der der Schlaflosigkeit endgültig ein Ende machen wird, mit Lachen oder ohne. Immerhin gehört der gesunde Nachtschlaf zu denjenigen Dingen, die ich an meinem derzeitigen Leben am meisten schätze, Psss – und insofern herzlichen Dank. Ausgeschlafen lebt’s sich ja doch deutlich besser.
Und Mühe, Creezy, gebe ich mir auf jeden Fall – eine schöne Leich‘ abzugeben ist ja sozusagen die letzte Höflichkeit, die man der Welt gegenüber an den Tag legen kann.
REPLY:
Umwerfender Artikel, Respekt!
btw. beim Schnippelkurs, wenn wir Augen aus dem Gesicht sezierten, fragten
wir uns spaßeshalber, ob man sich beobachtet fühle…..
Mir ist kürzlich eine Kundin während meiner Anlieferung weggestorben.
Sie fiel eine sehr hoe Treppe hinunter und erholte sich nicht mehr von diesem Sturz.Ich habe den gesamten Sterbevorgang mitbekommen und mir war den ganzen Tag und noch lange nach diesem Tag mulmerant zu Mute.
Mir war direkt übel und erst mit ein wenig Abtstand konnte ich der Situation das positive des Lebens und die Kostbarkeit unserer Zeit abgewinnen.Zunächst hat mich der ganze Vorgang nur aufs derbste deprimiert.