Sechsmal sonderbar

Wenn man gefragt wird, soll man antworten:

1. Ich finde Maschinen super und denke mir gern riesengroße Maschinen aus, wenn ich auf die Bahn warte oder mir ansonsten langweilig ist. Wegen vollkommener technischer Ahnungslosigkeit reicht es bei mir allerdings nur zu ziemlich einfachen Geräten – im digitalen Zeitalter bin ich noch nicht angekommen, weil ich nicht weiß, wie die Dinger funktionieren. Meine besondere Vorliebe gehört dabei den dampfbetriebenen Maschinen, so versuche ich seit Jahren ein komfortables, gern pflanzenölverbrennendes Gerät zu erfinden, mit dem man sich bequem am ganzen Körper gleichzeitig kratzen kann.

2. Mein Jähzorn richtet sich eigentlich nie auf erhebliches menschliches Versagen, sondern fast immer nur auf irgendwelche Petitessen, wobei man unerfreulicherweise (für mich und alle anderen Beteiligten) nie so ganz genau vorhersagen kann, auf welche. So bin ich bei Kaisers am Teutoburger Platz einmal total explodiert, als es da am Samstag um kurz vor acht keinen Waldpilzfond zu kaufen gab. Beim Friseur bin ich auch mal völlig außer mich geraten, weil ich – ohne Termin erschienen – mehr als 45 Minuten warten musste. Bei P&C dagegen habe ich mal vor Wut angefallen zu heulen, weil irgendwas nicht gepasst hat. An anderen Tagen lassen mich solche Vorfälle völlig kalt.

3. Weil ich in meiner früheren Jugend irrsinnig viele Gedichte auswendig lernen musste, leide ich bis heute an ziemlich grotesken Ohrwürmern, deren Inhalt sich aus dem deutschen Gedicht- und Balladenschatz speist. Als ich das letzte Mal beim Zahnarzt war, sagten ansonsten wenig gefragte Persönlichkeitsbestandteile die ganze Zeit Schillers „Gang nach dem Eisenhammer“ auf.

4. Bekanntlich habe ich einen Mordsminderwertigkeitskomplex, der mit meiner äußeren Erscheinung zu tun hat. Ein besonderer Aspekt, der – wie vielfache Nachfragen bei anderen Leuten ergeben haben – von anderen Menschen offenbar nicht geteilt wird, richtet sich dabei auf die Symmetrie meiner beiden Körperhälften. Ich habe mehrfach versucht, das mal messtechnisch zu verifizieren, es ist mir aber nicht gelungen.

5. Wenn ich mich an etwas erinnern kann, was mein Gegenüber vergessen hat, egal was, ist mir das peinlich, und ab und zu tue ich dann so, als hätte ich es auch vergessen.

6. Wenn ich krank bin, höre ich ich sofort auf, feste Nahrung zu mir zu nehmen, völlig egal, ob die Krankheit den Verdauungstrakt überhaupt betrifft oder ich mir den Arm gebrochen habe. Ich esse dann nur noch so Sachen wie Hühnersuppe oder Kartoffelbrei mit Butter, und vermeide alle starken Aromen wie Curry, Knoblauch, Chili oder Sesam. Auf welche unterbewussten Annahmen in Zusammenhang mit der Natur von Krankheiten diese Gewohnheit zurückgeht, ist mir bis heute unklar.

Ach ja – fang!

10 Gedanken zu „Sechsmal sonderbar

  1. REPLY:

    Hm, nee – das ist wohl eher nicht die Ursache. Meine Wutanfälle beruhen, glaube ich, auf so einer Art Kumulierungseffekt, bei dem viele kleine Ärgernisse irgendwann in der Summe die Jähzornsschwele überschreiten.

  2. Madame Modeste,

    für Sie einen meiner liebsten Ohrwürmer zur Nacht kredenzt,
    möge er Ihnen munden:

    Die Bürgschaft

    1. Zu Dionys, dem Tyrannen, schlich
    Damon, den Dolch im Gewande:
    Ihn schlugen die Häscher in Bande,
    „Was wolltest du mit dem Dolche? sprich!“
    Entgegnet ihm finster der Wüterich.
    „Die Stadt vom Tyrannen befreien!“
    „Das sollst du am Kreuze bereuen.“
    2. „Ich bin“, spricht jener, „zu sterben bereit
    Und bitte nicht um mein Leben:
    Doch willst du Gnade mir geben,
    Ich flehe dich um drei Tage Zeit,
    Bis ich die Schwester dem Gatten gefreit;
    Ich lasse den Freund dir als Bürgen,
    Ihn magst du, entrinn‘ ich, erwürgen.“

    3. Da lächelt der König mit arger List
    Und spricht nach kurzem Bedenken:
    „Drei Tage will ich dir schenken;
    Doch wisse, wenn sie verstrichen, die Frist,
    Eh‘ du zurück mir gegeben bist,
    So muß er statt deiner erblassen,
    Doch dir ist die Strafe erlassen.“

    4. Und er kommt zum Freunde: „Der König gebeut,
    Daß ich am Kreuz mit dem Leben
    Bezahle das frevelnde Streben.
    Doch will er mir gönnen drei Tage Zeit,
    Bis ich die Schwester dem Gatten gefreit;
    So bleib du dem König zum Pfande,
    Bis ich komme zu lösen die Bande.“

    5. Und schweigend umarmt ihn der treue Freund
    Und liefert sich aus dem Tyrannen;
    Der andere ziehet von dannen.
    Und ehe das dritte Morgenrot scheint,
    Hat er schnell mit dem Gatten die Schwester vereint,
    Eilt heim mit sorgender Seele,
    Damit er die Frist nicht verfehle.

    6. Da gießt unendlicher Regen herab,
    Von den Bergen stürzen die Quellen,
    Und die Bäche, die Ströme schwellen.
    Und er kommt ans Ufer mit wanderndem Stab,
    Da reißet die Brücke der Strudel herab,
    Und donnernd sprengen die Wogen
    Dem Gewölbes krachenden Bogen.

    7. Und trostlos irrt er an Ufers Rand:
    Wie weit er auch spähet und blicket
    Und die Stimme, die rufende, schicket.
    Da stößet kein Nachen vom sichern Strand,
    Der ihn setze an das gewünschte Land,
    Kein Schiffer lenket die Fähre,
    Und der wilde Strom wird zum Meere.

    8. Da sinkt er ans Ufer und weint und fleht,
    Die Hände zum Zeus erhoben:
    „O hemme des Stromes Toben!
    Es eilen die Stunden, im Mittag steht
    Die Sonne, und wenn sie niedergeht
    Und ich kann die Stadt nicht erreichen,
    So muß der Freund mir erbleichen.“

    9. Doch wachsend erneut sich des Stromes Wut,
    Und Welle auf Welle zerrinet,
    Und Stunde an Stunde ertrinnet.
    Da treibt ihn die Angst, da faßt er sich Mut
    Und wirft sich hinein in die brausende Flut
    Und teilt mit gewaltigen Armen
    Den Strom, und ein Gott hat Erbarmen.

    10. Und gewinnt das Ufer und eilet fort
    Und danket dem rettenden Gotte;
    Da stürzet die raubende Rotte
    Hervor aus des Waldes nächtlichem Ort,
    Den Pfad ihm sperrend, und schnaubert Mord
    Und hemmet des Wanderers Eile
    Mit drohend geschwungener Keule.

    11. „Was wollt ihr?“ ruft er vor Schrecken bleich,
    „Ich habe nichts als mein Leben,
    Das muß ich dem Könige geben!“
    Und entreißt die Keule dem nächsten gleich:
    „Um des Freundes willen erbarmet euch!“
    Und drei mit gewaltigen Streichen
    Erlegt er, die andern entweichen.

    12. Und die Sonne versendet glühenden Brand,
    Und von der unendlichen Mühe
    Ermattet sinken die Kniee.
    „O hast du mich gnädig aus Räubershand,
    Aus dem Strom mich gerettet ans heilige Land,
    Und soll hier verschmachtend verderben,
    Und der Freund mir, der liebende, sterben!“

    13. Und horch! da sprudelt es silberhell,
    Ganz nahe, wie rieselndes Rauschen,
    Und stille hält er, zu lauschen;
    Und sieh, aus dem Felsen, geschwätzig, schnell,
    Springt murmelnd hervor ein lebendiger Quell,
    Und freudig bückt er sich nieder
    Und erfrischet die brennenden Glieder.

    14. Und die Sonne blickt durch der Zweige Grün
    Und malt auf den glänzenden Matten
    Der Bäume gigantische Schatten;
    Und zwei Wanderer sieht er die Straße ziehn,
    Will eilenden Laufes vorüber fliehn,
    Da hört er die Worte sie sagen:
    „Jetzt wird er ans Kreuz geschlagen.“

    15. Und die Angst beflügelt den eilenden Fuß,
    Ihn jagen der Sorge Qualen;
    Da schimmern in Abendrots Strahlen
    Von ferne die Zinnen von Syrakus,
    Und entgegen kommt ihm Philostratus,
    Des Hauses redlicher Hüter,
    Der erkennet entsetzt den Gebieter:

    16. „Zurück! du rettest den Freund nicht mehr,
    So rette das eigene Leben!
    Den Tod erleidet er eben.
    Von Stunde zu Stunde gewartet‘ er
    Mit hoffender Seele der Wiederkehr,
    Ihm konnte den mutigen Glauben
    Der Hohn des Tyrannen nicht rauben.“

    17. „Und ist es zu spät, und kann ich ihm nicht,
    Ein Retter, willkommen erscheinen,
    So soll mich der Tod ihm vereinen.
    Des rühme der blut’ge Tyrann sich nicht,
    Daß der Freund dem Freunde gebrochen die Pflicht,
    Er schlachte der Opfer zweie
    Und glaube an Liebe und Treue!“

    18. Und die Sonne geht unter, da steht er am Tor,
    Und sieht das Kreuz schon erhöhet,
    Das die Menge gaffend umstehet;
    An dem Seile schon zieht man den Freund empor,
    Da zertrennt er gewaltig den dichter Chor:
    „Mich, Henker“, ruft er, „erwürget!
    Da bin ich, für den er gebürget!“

    19. Und Erstaunen ergreifet das Volk umher,
    In den Armen liegen sich beide
    Und weinen vor Schmerzen und Freude.
    Da sieht man kein Augen tränenleer,
    Und zum Könige bringt man die Wundermär‘;
    Der fühlt ein menschliches Rühren,
    Läßt schnell vor den Thron sie führen,

    20. Und blicket sie lange verwundert an.
    Drauf spricht er: „Es ist euch gelungen,
    Ihr habt das Herz mir bezwungen;
    Und die Treue, sie ist doch kein leerer Wahn –
    So nehmet auch mich zum Genossen an:
    Ich sei, gewährt mir die Bitte,
    In eurem Bunde der dritte!“

    (Friedrich Schiller)

  3. Punkt 1 kann ich voll und ganz nachvollziehen. Allerdings manifestiert sich diese Eigenart bei mir in einer weniger kreativen Art und Weise: ich stehe mit offenem Mund im Baumarkt vor den Kapp- und Gärungssägen, den Bohrmaschinen und all den anderen schönen Hilfsmitteln, die selbst eine schwache Frau in die Lage versetzen, handwerklich tätig zu werden. Und je mehr Ahomba, desto besser.

  4. Jähzorn

    Jähzorn beim Kaisers „am Teute“, ich muß es leider gestehen, ist lange, allzu lange Jahre
    ein Bestandteil auch meines Gefühlslebens gewesen. Es handelt sich hier m. E. um den
    Supermarkt mit der am wenigsten berechenbaren Angebotspalette in einem Umkreis
    von ca. 3 km, und das bei d e n Preisen! D i e s e Art „Attacken“ wurde ich durch einen
    Umzug los, wenige 100 Meter helfen da oft Wunder. Schreiben Sie also, bitte, Ihren
    Zornesausbruch bei K. am T. keinesfalls Ihrer inneren Konstitution zu, letztlich ist es
    eventuell nur genau das, was die perfiden Indiviuen im Management der besagten,
    ehemaligen „Kaufhalle“ bezwecken wollen. Ich sage nur so viel: Es hatte sicher mehr als
    nur den einen, schmutzigen Grund, daß dieser Ort vor Jahren, am Staatsfeiertag(!)
    ein Raub der Flammen wurde!
    Waldpilzfond, Wildfleischfond, Weltgeflügelfond werden Sie ganz sicher an jedem belie-
    bigen Samstagabend z.B. in der Ackerhalle, oder bei „Extra“ an der Schönhauser Allee
    erwerben können.
    Grämen Sie sich nicht zu sehr, dieser unwürdigen Einrichtung wegen!
    Mit freundlichen Grüßen.

  5. REPLY:

    Ah, endlich eine verstehende Seele. Tatsächlich ist dieser Kaisers eine nahezu unglaublich Einrichtung, die zwar ein an sich ansprechendes Sortiment bereithält, dies aber in einer an die DDR gemahnende Unzuverlässigkeit praktiziert. Vor dem extra-Markt in der Schönhauser Allee erschrecken mich dagegen stets die herumsitzenden Vagabunden, denen beim Betteln fast die Zähne aus dem Mund fallen. Die Ackerhalle ist dagegen okay, aber von mir aus schon ein paar Meter entfernt.

  6. REPLY:

    In Baumärkte wage ich mich ja selten. Wegen meiner ausgeprägten grobmotorischen Begabung nehme ich selber selten Maschinen in die Hand. Ich hoffe da immer auf die Fähigkeiten Dritter, diese Maschinen auch zu beherrschen. Hier – wie überall sonst auch – bin ich bekennende Schreibtischtäterin.

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