Am Garten

Am Morgen erwachen, wenn das Haus noch ganz still ist, und selbst der Schatten noch hell. Auf nackten Füßen in den Garten laufen. Die Spinnweben zerreißen, in denen der Tag die Mücken fängt, und sich ganz flach ins hohe Gras legen. Weit über dem Dach, hoch über den Apfelbaum schwingt der Himmel weich wie ein leichtes, gleißend blaues Tuch.

Die Augen schließen und die eigene Schwere auf der Erde spüren, die einen trägt, als habe man kein Gewicht. Einem, der nicht kommt, die Hände entgegenstrecken, und sich hochreißen lassen, mit lautem Lachen und Worten, die man sich ausmalt, und von denen man noch nicht weiß, dass sie keiner sagen wird, die ganzen Jahre.

Erwachsen werden. Sein ganzes Leben in Kisten packen, wegziehen, von einer Stadt in die andere, Gepäck ansammeln, und sich wohl fühlen zwischen Stein und Asphalt. Nach allem greifen, was die Hände ausstreckt, und nicht hinhören, wenn die Worte nicht die sind, die man sich ausmalt. Vergessen, wie Gras riecht und frisch zerriebene Blätter. Der Spinnweben nicht mehr zu denken. Und selten, seltener, so gut wie nie, am Morgen das Haus verlassen, die ungeheure Leere der Luft zu spüren, der Erde nachzulauschen, und sich zu wundern, dass es Farn noch gibt, und noch Flieder, dass die Gärten voll Holunder stehen, und die Schneeballblüten zittern, wenn man vorüberfährt, als sei man gekommen, um zu bleiben.

3 Gedanken zu „Am Garten

  1. So viel Traurigkeit in einem Absatz… Aber wenn man das noch schreiben kann, wenn man noch erkennt, dass die Welt einem die Hand hinhält, dann muss man nur zugreifen und sich aus den Fesseln der Umgebung losreißen.

    Tu es! Heute! Mach früher Schluss und fahr raus aufs Land. Allein. Atme tief ein und blase die Dunkelheit der Stadt dem hellen Wolkenblau entgegen. Und sag hinterher, ob es funktioniert hat.
    Viele Grüße und eine schöne Woche
    L.

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