Alle Schaufenster sind voller Chucks. Meine Chucks indes sind verschwunden, einfach und spurlos weg, und vergeblich frage ich mich, wie ein paar türkisblaue Schuhe sich einfach in Luft auflösen können. Sonderbarerweise ist offenbar genau das passiert.
Weil alle Schaufenster voller Chucks stehen, halte ich das aber für kein Problem. Ich gehe also ins nächste Geschäft, ich frage nach neuen Chucks – beige sollen sie sein, Größe 37 – und sehe die Verkäuferin fragend an. Sie nickt und geht nach hinten. Fünf Minuten später erhalte ich die Auskunft, die Schuhe seien aus. Verkauft, nie bestellt – jedenfalls: Nicht mehr da.
Ich gehe ins nächste Geschäft. Ich frage, die Verkäuferin nickt, alles wiederholt sich: Die Schuhe sind weg. – Bin ich in der DDR?, frage ich mich. Das großartige an der Marktwirtschaft ist doch, dass jeder Nachfrage auch ein Angebot gegenübersteht, aber es bleibt auch im dritten Geschäft dabei: Keine Chucks in beige. Keine Größe 37. Leicht belämmert ziehe ich ab. Vor lauter Frustration kaufe ich eine dieser neuen, taillierten Barbour-Jacken, die viel besser aussehen als die klassischen Jacken, von denen ich eine seit fast zehn Jahren trage, weil sie immer schöner wird mit jedem Jahr. Chucks aber sind hier nicht zu wollen.
Die Marktwirtschaft ist auch nicht mehr das, was sie mal war.
Sie werden wieder auftauchen. Versprochen. So wie eine Bast-Blümchen-Tasche tatsächlich einen Sommer lang verschwinden kann – um im Herbst aus der Versenkung zu tauchen…
Aber darf man in Berlin nun auch Barbour-Jacken tragen? Musste mir vor einigen Jahren noch sagen lassen, dass dies ein Inbegriff von „München-Style“ sei – und gar nicht ginge…
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Ich bin ja nicht Berlinerin, sondern Prenzlbergerin, und als solche steht mir eine Barbourjacke selbstverständlich offen.
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Ich wäre übrigens sehr, sehr dafür, wenn das Journal so weiter gehen würde.
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Bitte um Rückmeldung
Ich denke darüber nach. Mir macht es viel Freude so, allerdings bezweifele ich den Unterhaltungswert meines Alltags, in dem (weil naturgemäß viel fehlt) ziemlich viel gegessen, eingekauft und in Bars herumgesessen wird, ohne dass viel geschieht.
Ich freue mich über ehrliche Rückmeldungen: Ist das Journal langweilig?
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Nicht langweilig. Sehr nicht.
Rückmeldung
Ich liebe Ihr Journal! Es ist wunderbar.
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Quatsch, Madame, es ist nicht langweilig.
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Der internalisierte Qualitätsjournalist
Im Saldo sind vermutlich die meisten Existenzen von höchstens mittelmäßigem Unterhaltungswert, und auch der Erkenntnisgewinn hält sich in engen Grenzen. Selbst wenn es irgendjemanden geben sollte, der wissen möchte, wie eine Mittdreißigerin in Berlin durch ihren Alltag eiert, wird er hier schon aufgrund der vielfachen Auslassungen nicht recht glücklich. Mir selbst macht die Dokumentation Freude, aber das Lächerliche an der Ausstellung seiner selbst inklusive aller Banalitäten liegt bei einem Projekt wie diesem hier natürlich schon sehr auf der Hand. Ich sehe bisweilen förmlich, wie ernsthafte Leute durch mein Blog klicken und sich ausschütten vor Lachen: „Hier! Hier hat sie ihre Chucks verloren, ist ja wahnsinnig aufregend. Und da ist ihr Cousin zu Besuch, ich fass es nicht.“
Manchmal, wenn es in der Presse um Blogs geht, und irgendjemand illustrieren will, wie ridikül dergleichen sei, fürchte ich für eine Sekunde, Passagen aus dem eigenen Blog zu begegnen.
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Herzlichen Dank! Ich habe übrigens mit viel Vergnügen gesehen, dass die verehrte Frau Kaltmamsell nun gleichfalls tagebuchblogt. Ich freue mich drauf, ich habe dieses Kindervergnügen an dem (gelenkten) Blick in fremde Leben.
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Als ich eben schreiben wollte, dass auch ich anderer Leut‘ Alltag faszinierend finde, hielt ich ein: Nein, nicht aller anderer. Aus vielen Blogs verabschiede ich mich nach erstem Lesen, weil mich dieser Bloggerin Alltag, wie sie ihn schreibt, eben überhaupt nicht interessiert. Vielleicht braucht es fürs Erzählen die Chesteron’sche Fertigkeit, das Wunderbare im Alltäglichen zu sehen.
Gar nicht langweilig, weil Sie die Kunst des Verdichtens so wunderbar beherrschen! Wenngleich ich nach wie vor nicht verstehe, worin der Unterschied zu Ihren übrigen Texten bestehen soll, in denen es doch die gleiche Mischung aus Alltagsbetrachtungen, Lektüreschnipseln, Träumen, Mahnungen etc. gibt. Im „Journal“ halt ganz konsequent als just heute Erlebtes + Gedachtes + Gelesenes gekennzeichnet. Anyway.
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Ja, der Unterschied hält sich wohl in Grenzen. Die ganz langsamen Texte, die fallen weg, irgendwie. Für die benötige ich vielleicht mehr Distanz, als der Tag so hergibt.
Ich schließe mich an. Bei Ihnen klingt der Alltag poetisch, das Detail bekommt Bedeutung und überhaupt – wunderbar!
Trotzdem mag ich auch die langen Texte und hoffe, daß diese nicht völlig dem Journal zum Opfer fallen. Anfangs habe ich abends stundenlang bei Ihnen rumgelesen und dafür mein Buch kaum noch zur Hand genommen…
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Danke für das Kompliment. Nein, die langen Texte kommen auch wieder.