In diesem Setting sieht sogar ein Gaskamin gut aus, und die zunehmend verschmierte schwarze Tischplatte strahlt eine Art schmutzigen Glamour aus, Mitte, Style, Lässigkeit und sogar ich fühle mich in dieser Umgebung gutaussehend und interessant. Für meine Freundin T. gilt das natürlich erst recht, aber die sieht vermutlich sogar bei IKEA gut aus, und macht bestimmt auch auf einem Spielplatz in Regen und Matsch eine gute Figur. Sie sitzt mir also gegenüber und trinkt absolut makellos ein Glas Rotwein.
Um uns herum sind eigentlich alle Menschen ziemlich schön. Das ist ein wesentlicher Grund, warum es angenehmer ist, in Mitte auszugehen als woanders, also die Schönheit der Menschen in Mitte, aber hier, gerade in diesem Moment, fällt es noch mehr auf als sonst. Auf der Torstraße verkehren die schönsten Menschen Berlins und gehen essen.
Die T. und ich jedenfalls reden inmitten von so viel Schönheit ziemlich viel über Politik. Das interessiert uns beide, also das Handwerk der Politik, das Darum und Dahinter, ein bisschen Klatsch, ein paar „Ach so“-Geschichten, und außerdem regen wir uns über die Berliner Schulpolitik auf wie vermutlich alle Einwohner der Stadt, die Kinder haben, auch. Außerdem sprechen wir von de USA, vom Präsidentenwahlkampf, und sind uns einig, dass Obama zu den attraktivsten Männern der Welt gehört.
Das Essen, was wir dazu essen, ist okay. Meine Aubergine ist eine winzige Spur zu bitter, nur ganz wenig, ein Hauch, als sei jemand einen Moment zu langsam mit einem Topf Bitterkeit vorbeigegangen, und auch die Moules Frites der T. sind nicht ganz perfekt. Mein Gelbschwanztuna ist zart und schmilzt auf der Zunge, aber der Pistazienrand ist ein ganz, ganz wenig zu cremig, zu pralinig. Das Hummus ist zu wenig gesalzen. Gut gegessen haben wir trotzdem, und sitzen sehr zufrieden zwischen all den schönen Menschen und schauen uns die Kleider der Frauen und die Frisuren der Männer an. Inzwischen sind wir bei Indiskretionen über gemeinsame Bekannte angekommen und überreden uns gegenseitig zu immer noch einem Glas Wein.
Es ist fast zwölf, als ich zu Hause ankomme. Der F. schläft tief, seinen Schnuler fest im Mund. Der J. liegt auf dem Sofa. „Ich bin müde.“, sage ich und gähne und strahle mein Spiegelbild im Badezimmer an. Ich bin schöner als sonst, will es mir scheinen, nicht so schön wie die Leute in Mitte, aber schön genug für mich, schön genug für einen schönen Abend, und so gehe ich hochzufrieden zu Bett und lese, tja, ein nicht ganu so schönes Buch, aber das ist auf die Schnelle nicht zu ändern.
Tja ja. Oh ja. Ich verstehe das. Wahrscheinlich braucht man ein bestimmtes Gen, um diesen Unterschied wahrzunehmen und zu mögen, das Mitte-Gen. Die wenigsten werden ja vom lieben Gott dort ausgespuckt und sind nicht nur durch einen bequemen Zufall in dieser Ecke von Berlin. Es ist so eine Mischung aus Ehrgeiz und Biss und Sportsgeist. Unternehmergeist auch. Man hat das Gefühl, man sollte sich nicht gehen lassen, mehr als anderswo. Auch wenn es überkandidelt klingen mag, habe ich das Gefühl, dass man die Stadt auch repräsentiert und etwas Gutes zum Gesamteindruck beitragen kann. Ich habe eine Affenliebe zu Mitte, mehr als vor dreizehn Jahren noch, als ich aus einer verstaubten Ecke in Wilmersdorf in die Auguststraße zog. Ich will gar nicht mehr weg. Interessant, wie man so eine individuelle leidenschaftliche Vorliebe für einen Bezirk entwickeln kann. Eine Weile hatte ich intensive Kontakte zu Menschen, denen es so mit Friedrichshain geht, obwohl ich dadurch oft dort war, in allen Ecken, die durchaus auch Flair haben, werde ich nicht warm mit Friedrichshain. Mit dem Geist, der dort kultiviert wird. Ohne in Detail gehen zu wollen, aber wer Berlin gut kennt, ahnt vielleicht, was ich meine.
So my fellow citizens, ask not what Berlin can do for you, but ask what you can do for Berlin.
Es dürfte Don Alphonso doppelt schockieren: ich habe bei „Brechts“ am Schiffbauerdamm das beste Schnitzel meines Lebens gegessen. Mitte ist einfach wow! Die Museumsinsel ist der Ort, an dem ich den Rest meines Lebens verbringen wollte. Apropos Don Alphonso: er hat in „Überdruck“ ein Portrait of the Artist as a Young Woman verfaßt, das mich an „Nora“ erinnert hat, Modeste. Wie steht es damit?
REPLY:
Mitte. Tatsächlich die auc gefühlte Mitte meines Berlins. Ich bin in den meisten Innenstadtbezirken ganz gern, aber nur hier habe ich wirklich das Gefühl, im Zentrum zu sitzen, um das die Welt sich dreht.
REPLY:
Ach, die Nora. Die war der Agentur nicht „besonders“ genug. Nun denn, vielleicht ist sie’s wirklich nicht. Nur eine ganz beliebige Frau mit einem beliebigen Leben.
Was aber das Scchnitzel angeht, Herr Savall: Versuchen sie’s doch beim nächsten Besuch einmal im Alt Wien. Da finde ich das Schnitzel sogar noch besser. Im Borchardt ist das Schnitzel auch sehr gut, und der Schauwert ist es recht hoch. Man mag das albern finden, aber im Borchardt habe ich noch nie schlechte Laune gehabt. Nie. In über zehn Jahren.
1. Genauso ist mein(e) Mitte, Danke für die treffende Beschreibung und mind. 2x im Jahr mus das Borchardst einfach sein
2. WIE das mit der NORA verstecken Sie einfach so in einem Kommenatr!?!? Dann also bitte an einen anderen Verlag zu Begutachtung senden oder selbst publzieren: soll ja einfach sein heutzutage, mit dieser Digitalsierung…Ausreden gelten alo nicht!