Sehen Sie, es ist nicht direkt Geiz. Es ist mehr so eine Art abstrakter Ärger über die Vergeblichkeit, aber wenn ich schon für jede Stunde abendliche Abwesenheit ohne Baby 12 Euro zahlen muss, will ich mich wenigstens amüsieren.
Natürlich ist das ein blödsinniger Anspruch. Mein Gott, ich habe in den letzten Jahren unglaublich langweilige, sinn- und geschmacklose Abende verlebt, und dass auch noch nachdem ich aufgehört habe, auch noch zur Eröffnung des letzten Klamottenladens hinzulaufen. Was ich an öden Lesungen, miesen Vernissagen und leeren Parties erlebt habe, reicht für gleich mehrere Personen völlig aus.
Es hat ja auch niemand was davon, wenn ich bei jedem Abend mit Babysitter zu viel erwarte. Letzten Samstag beispielsweise, in der Volksbühne mit Kollegen vom J. Ich saß da also in Reihe 14 ganz links, vor mir schrien und geiferten die wie immer sehenswerten Schauspieler des Ensembles in dem dort ja üblichen Zustand höchster emotionaler Erregung, und ich habe vergeblich versucht, mir den Handlungsstrang halbwegs zu erschließen. Allein die simple Frage, wer in dieser Inszenierung Castorfs von Dostojevskijs „Wirtin“ nun eigentlich wahnsinnig ist, war mir eigentlich zu viel.
„Was hat diese Ameise zu bedeuten?“, wispere ich dem J. irgendwann zu und schaue Kathrin Angerer zu, wie sie betet, schreit, in einen Brunnen fällt, woanders wieder auftaucht und so weiter. „Weiß nicht.“, antwortet der und vertieft sich wieder in die seltsam unkonzentrierte Inszenierung. Immerhin das Bühnenbild ist schön: Eine lange, dunkle Hütte vor einer schneeweßen, feindlichen Bühne.
Zwei Stunden später in der bar3 gewinnt der Abend wieder ganz erheblich. Ich trinke sehr schnell zwei Glas Grünen Veltliner auf Eis, denke über Haare, Gesichter, Kleider und Taschen nach, spreche über Suhrkamp und Rainald Goetz, stolpere mit dem J. durch den wärmeren Abend und lächele mich selbst aus, als ich im Bett liegend den Abend bilanziere.
Es ist nicht Geiz, sage ich mir. Es nimmt nur den Nächten das Leichte, Fließende, bei dem es nicht darauf ankommt, ob es elf Uhr abends ist oder morgens um vier. Ich werde mich dran gewöhnen, sage ich mir dann, und mache Pläne für die nächste Woche und schärfe mir ein, so zu planen, als sei ich allein.
Auch wenn sich die frühere Unbeschwertheit und Spontaneität vielleicht nicht zu 100 Prozent wieder einstellt: Das wird schon wieder. Wobei ich ehrlicherweise auch bekenne, dass es bei einem Kindersitter-Stundensatz von 5 Euro vielleicht auch ein bisschen leichter fällt, von der Erwartungshaltung wieder runterzukommen, dass der Abend auswärts dann auch total der Bringer werden müsste.
Enthalten die 12 Euro eigentlich einen Pregnancy-Hill-Premiumaufschlag? Und da liest man doch immer, in Berlin lebte es sich so günstig. Nun muss man dazusagen, dass wir solange die Kleine im Babyalter war, keine Sitterdienste in Anspruch genommen haben. Von daher weiß ich nicht, wie das Honorarniveau auf diesem Sektor aussieht und ob es günstiger wird, wenn die Kleinen ein bisschen größer geworden sind. Hier ist es so, dass sowohl die frühere Kindergarten-Praktikantin als auch die freiberufliche Early-English-Lehrerin fürs abendliche Kinderhüten 5 Euro die Stunde verlangen – wobei ich immer generös aufrunde und die English-Frau noch nach Hause fahre, weil das hier mit den Öffis nachts kein Spaß ist.
REPLY:
Ich weiß nicht, vielleicht haben wir uns auch übers Ohr hauen lassen. Es würde mich schon interessieren, was die anderen Berliner zahlen.