Frau Modestes Guide zu sehr entspannter Mutterschaft (2)

„Am wichtigsten“, fahre ich fort, „ist ohnehin ein ungebremster Wille zur Bequemlichkeit. Glauben Sie keinen Moment, Aufopferung zahle sich irgendwie aus. Weder wird Ihr Kind noch toller, als es ohnehin schon ist. Noch wird Ihnen Ihr Kind die viele Zeit und Mühe in 30 Jahren irgendwie zurückerstatten. Allgemeine Lebenserfahrung besagt nämlich, dass nicht die Mütter, die sich meisten ein Bein ausgerissen haben, später am häufigsten angerufen werden, sondern diejenigen, mit denen man auch als Erwachsener gern Zeit verbringt, weil sie klug, freundlich, amüsant und großzügig sind. Überdies leben Sie einfach besser, wenn sich auch mal jemand anders tummelt. Deswegen gilt:

Lassen Sie sich helfen.

Okay, stillen können wirklich nur Sie. Fläschchen geben kann aber auch Ihr geschätzter Gefährte. Und Wickeln, Füttern, Baden, Anziehen erst recht. Sie werden sehen, Ihr Mann und Ihr Kind sind um so mehr ein Superduo, wenn Sie nicht die ganze Zeit mit Argusaugen überwachen, ob er auch alles genauso macht wie Sie. Ich kann Ihnen versichern: Er wird Ihr Kind anders handhaben als Sie, und es wird beiden prächtig bekommen.

Ihr Mann ist aber nicht die einzige Adresse für Ihren Wunsch nach Freizeit. Ihr Kind durch den Park schieben, kann Ihre Mutter mindestens genauso gutwie Sie und Ihr geschätzter Gefährte. Sie liegen währenddessen in der Badewanne, lackieren sich die Fußnägel, essen Pralinen, probieren eine neue Haarkur und führen lange telefonische Gespräche mit Ihren kinderlosen Freundinnen. Ich versichere Ihnen: Sie werden sich großartig fühlen und außerdem viel großartiger aussehen, als wenn Sie das fünfte Mal in dieser Woche eine gelangweilte Runde durch den Volkspark drehen. Oder Sie liefern Ihr Kind bei guten Freunden ab und gehen zum Friseur.

Was den Haushalt angeht, so sollte man sowieso nur selbst machen, was man gerne macht. Ansonsten zerstört man Arbeitsplätze und bekommt schlechte Laune. Ich beispielsweise kaufe ganz gern ein und koche. Das geht auch sehr gut mit Baby. Alles andere mache ich ungern, das muss dann gegen Geld jemand anders machen.

Überhaupt … Ihr geschätzter Gefährte.

Natürlich hat Ihr Kind viel weichere Haut als Ihr Mann, und außerdem riecht es besser. Es wird Ihnen aber weder Komplimente zu Ihren schönen Augen machen, noch Sie zum Essen ausführen. Außerdem bekommen Sie von Ihrem Kind keine Rückenmassage. Pflegen Sie also Ihren Mann. Sprechen Sie mit ihm über Dinge, die nichts mit dem Kind zu tun haben. Sagen Sie ihm, wie gut er Ihnen gefällt. Suchen Sie sich sehr schnell einen Babysitter und setzen Sie sich gut angezogen und geschminkt zu zweit in ein Restaurant, um vier Stunden lang zu essen und die anderen Gäste zu belästern. Trinken Sie Champagner im Bett und in der bar tausend, feiern Sie das deutsche Filmkunstschaffen auf der berlinale und machen Sie sich schöne Geschenke. Mit einem Wort: Seien Sie ein Paar.

Machen Sie, was Sie wollen.

Gehen Sie auf Parties und binden sich Ihr Kind auf den Bauch. Wenn es nach Hause will, wird es sich schon melden. Wir waren mit dem F. nach knapp drei Monaten auf einer Vernissage, und wer mehrere Stunden später im Pauly Saal nach Hause wollte, war nicht der F. Gehen Sie essen. Nichts hebt so sehr die Laune, und kleine Kinder schlafen meistens sowieso. Wenn Sie (wie ich) Hemmungen haben, mit einem Säugling oberhalb der Sommeliergrenze auszugehen, weichen Sie auf Mittagstische aus. Niemand wird mit der Wimper zucken, wenn Sie um 12:30 im Parioli oder im Margaux Ihren Kinderwagen durch die Tür wuchten, um sich den verpassten Klatsch der letzten Wochen anzuhören. Mein persönlicher Tipp ist das borchardt: Hier ist es immer so laut, dass Ihr Kind eh keinen stört, egal, was es macht. Außerdem lohnt es sich, Ihr Kind früh an Restaurants zu gewöhnen. Der F. beispielsweise steht mit seinen elf Monaten auch sehr ausladende dreigängige Menüs stoisch durch, trinkt Apfelschorle, isst Nudeln mit Käse oder Knödel mit Sauce und verlangt, sobald er irgendwo im Hochstuhl sitzt, erst einmal den Brotkorb.

Noch weniger als in einen deutschem Lokal stören kleine Kinder übrigens im Ausland. Wir waren kürzlich mit dem F. in der Türkei, das war super. Der F. hat sich sauwohl gefühlt, und ich hatte keine Minute das Gefühl, anstrengender zu reisen als früher ohne den kleinen Kerl. Ganz groß aber waren die USA: Wir hatten überall das Gefühl, mit unserem Baby willkommen zu sein.

Lassen Sie das Internet in Ruhe.

Man muss ja keine Glucke sein, um sich immerzu Sorgen zu machen. Der F. etwa ist gerade zum ersten Mal in seinem Leben erkältet, und ich renne den ganzen Tag mit Hustensaft und heißem Tee hinter ihm her und habe schlimme Visionen von Asthma. Ich gestehe sogar, gestern gegooglet zu haben „Können Kinder beim Husten ersticken?“

Das Problem an der Sache: Das Internet beruhigt nie. Man wird im Internet immer denjenigen einzigen Kinderarzt finden, der jede noch so abwegige Sorge bestätigt. Von den anderen Eltern ganz abgesehen. Neulich wollte ich wissen, ob auch andere elfmonatige Kinder nichts weiter als „Mama“ sagen können, und fand mich wieder inmitten einer Forendiskussion von Müttern, deren Kinder jünger als F. sind, aber alles sagen können. Oder so ähnlich.

Überhaupt halte man sich – online wie offline – von Leuten fern, die schrecklich feste Vorstellungen vom Leben mit kleinen Kindern haben, und sich nicht scheuen, die bei jeder sich bietenden Gelegenheit auszubreiten. Machen Sie sich klar: Die anderen wissen es auch nicht besser. Die sind nur lauter. Insofern gilt: Machen Sie es sich bequem. Und stellen Sie schon einmal den Sekt kalt, denn das nächste Jahr wird Ihr Jahr: Das Jahr der entspannten Mutter.

Cheers.

28 Gedanken zu „Frau Modestes Guide zu sehr entspannter Mutterschaft (2)

  1. Entspannte Mutterschaft ist klasse. Mit Kleinkind wird es dann allerdings doch etwas… nun sagen wir mal… actionreicher. Laufen, Sprechen, Willen, Vorlieben, Bewegungsdrang, Trotzanfälle & Co lassen z. B. den Restaurantbesuch unentspannt werden. Mit Kiwa schieben durch den Park ist dann auch Essig (man rennt durch den Park). Auf Parties Kind auf den Bauch binden geht auch nicht mehr, sonst bricht der Rücken. Alternativ wird die Wohnung des Gastgebers gründlich und mit Patsche händchen umdekoriert. Ein Riesenspaß!

    Wo wir ganz flott wieder bei ihrem wunderbaren Tipp sind: frühzeitig Babysitter an Land ziehen – und entspannt durchatmen. Einen guten Rutsch wünsche ich Ihnen!

  2. Klassischer Fehler…

    … vom eigenen Kind auf andere schließen. Was Dein Kind mitmacht, machen andere vielleicht überhaupt nicht mit. Dafür können sie mit 11 Monaten aber schon 4 Wort Sätze oder so.

    … vom eigenen Partner auf andere schließen. Ich kenne in meinem Bekanntenkreis nur einen anderen Vater, der in der Lage ist, mit seinen zwei Kindern alleine loszugehen ohne dass es alle naslang Geschrei gibt. Wobei ich sagen muss, dass die meisten der anderen es nichtmal versuchen. Wobei Du damit Recht haben könntest, dass es einigen von ihren Frauen ausgetrieben wurde. Da passt Dein Rat.

    … vom eigenen Job auf andere zu schließen. In vielen Jobs ist Teilzeit problematisch. In noch mehr Firmen hat das Mangement Blockaden, wenn es um Teilzeit geht. Das wird sich hoffentlich mit der demografischen Entwicklung erledigen. Ebenso das Thema, dass viele Jobs Strukturen brauchen, die man Zuhause nicht nachbilden kann, wo also Heim oder Fernarbeit nicht gut geht.

    Die Ratschläge sind nicht schlecht, aber die Ziegruppe ist klein, will ich damit sagen. Frohes Neues 2013!

  3. REPLY:

    Danke!

    Eins ist mir übrigens noch eingefallen: Lassen Sie sich nicht eine Babywelt sperren. Ich weiß nicht, wieso die Orte, Accessoires und Ansprachen für Mütter immer so gestaltet sein müssen, als sei man als Mutter mit einem IQ von 80 und einer Vorliebe für kleine, rosa Niedlichkeiten geschlagen, aber es wäre schon sehr hilfreich, wenn die Kursanbieter, Designer etc. realisieren würden, dass es durchaus möglich ist, gleichzeitig ein Baby und Geschmack zu besitzen.

  4. REPLY:

    Ich teile Herrn Diedrichs Unverständnis, Herr Steppenhund: Ich verstehe Ihre Frage nicht. Was hat denn der Wunsch nach einem möglichst entspannten Leben mit dem Wunsch nach Kindern zu tun? Das ist doch kein Gegensatz? Und woher resultiert Ihre Vermutung, ich präferierte ein Einzelkind?

  5. REPLY:

    Babysitter, großartige Leute. Ich liebe es, guten Gewissens loszufahren und nach meiner Rückkehr ein schlafendes Baby und einen lesenden Babysitter vorzufinden, beide sichtlich gelöst und zufrieden.

  6. REPLY:

    Ich nehme meine Annahmen nach Lesen des Jahresrückblicks zurück. Wollte sie eigentlich schon korrigieren, aber nachdem jetzt Ihr Kommentar hier steht, mach ich es halt auf diese Weise:)

  7. REPLY:

    Klar, Kinder sind individuell, Jobs sind individuell, und Partner sind auch nicht alle gleich. Was aber, wie ich meine, universell gilt: Man sollte es sich nicht zu schwer zu machen. Viele der angeblichen Tipps aus schlauen Büchern und von erfahrenen Müttern sind im Ergebnis nichts weiter als ein nutzloser Hemmschuh.

    Was die Partner angeht, so glaube ich wirklich, dass die häufig vorhandene Unfähigkeit auf mangelnde Praxis zurückgeht. Die meisten Väter wären deutlich kind-kompetenter, wenn sie mehr Zeit allein mit Kind verbringen würden. Als Mutter hat man das ja auch nicht automatisch drauf.

    Ihren Punkt zu Teilzeit verstehe ich nicht. Ich arbeite nicht in Teilzeit und würde es auch niemandem empfehlen, solange es in vielen Unternehmen eine ausgesprochene Anwesenheitskultur gibt.

    Und zuletzt: Auch Ihnen ein frohes neues Jahr!

  8. Danke für den Text!
    Wir haben im Freudeskreis solche entspannten Eltern – nicht bloß Müter – und ich sehe dies sehr gerne. Und wir sind schon mal ‚die Freunde‘ bei denen Kinder abgegeben werden.
    Auf ein entspanntes 2013!

  9. Sehr schön geschrieben 🙂

    Mir fehlt da aber noch ein Punkt: „Bekommen Sie ein pflegeleichtes Kind. “ 😉
    (wenn ich mir vorstelle, meine Tochter wäre ein Kind, das 24/7 weint oder Aufmerksamkeit fordert, ich wäre sicher nicht halb so entspannt…)

    Viele Grüße,
    Frau Pimpernelle

  10. REPLY:

    Da fällt mir doch ganz spontan ein Gefühl ein, welches mich während der Kleinkindzeit meiner Tochter nicht nur einmal beschlichen hat: In den Augen vieler Menschen verschmilzt man als Mutter mit dem Kind offensichtlich zu einem Mischwesen, denn nur wenige Menschen fragen einen, wie es einem geht, sondern es ist dann zu vernehmen: „Wie geht es EUCH denn ?“ Kann ehrliche Anteilnahme signalisieren, kann aber auch scheinheilige Allüre sein – ich hab diesen Satz jedenfalls gehasst.

  11. das

    bequeme kind … ist keine gottgewollte sache. ein stück weit haben wir es schon selbst in der hand, was unser kind als normal und verkraftbar ansieht. stress, den wir – aus welchen gründen auch immer – produzieren, nimmt das kind sehr wohl wahr und über-nimmt ihn. die menge an sozialkontakten, die wir haben, sieht das kind sehr schnell als normal an und gewöhnt sich ab oder eben auch an, zu fremdeln uswusf. kurzum: kinder sind das produkt ihrer gewöhnlichen umgebung. insofern ist es immer gut, das kind als normalen bestandteil des lebens anzusehen, wie man es auch vorher schon führte, arbeits-, hobby- und partnerpflege (!) inklusive. ich kann daran nichts verwerfliches finden, wenn leute ihres/r kindes/r wegen das leben nur gerade so viel umstellen, wie es unbedingt nötig ist. das, denke ich, ist das problem unserer zeit: wir machen einen kult um eine ganz normale sache. kinder-kriegen und – haben i s t normal.

  12. REPLY:

    Ja, das hilft enorm. Bisweilen beschleicht mich bei manchem (nicht bei jedem) nicht so entspannten Kind allerdings auch das Gefühl, Mama und Papa seien an dem Zstand nicht so ganz unschuldig.

  13. REPLY:

    Ich meine, die Befindlichkeit der kleinen Kinder ist zum großen Teil Reflexion der Befindlichkeit der Eltern. Sind diese entspannt und lassen sich nicht stressen, gibt es meist auch keinen Stress mit dem kleinen Kind. So habe ich das schon mehrfach beobachtet.
    Das ändert sich zwar, wenn sie älter sind, spätestens wenn die (zumindest gefühlt immer früher einsetzende) Pubertät hinzukommt. Aber auch der dann unvermeidliche Zank mit dem eigenen Kind hat was. Zu erleben, wie sich da eine Persönlichkeit abgrenzt, die man immer ernster ernst nehmen kann und muss, das hat was, auch wenn die einzelnen Schritte manchmal nerven (aber vermutlich hat das die Natur auch so bei den Eltern eingerichtet).

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