Schöngeredet

Was für ein mistiges Wochenende. Am Freitag mit einer Freundin des J. Wein trinken gewesen, die – an sich sehr nett und lebenslustig – ausgerechnet am Freitag sehr, sehr traurig wurde, als es um ihr Berufsleben ging. Am Samstag fing es während des Kiezfestes auf dem Arnswalder Platz an, heftig zu regnen. Abends hatte der F. dann Durchfall, und der J. sagte den Babysitter und damit den geplanten, lustigen Kreuzberger Abend ab, und als wir dann einen Film einschoben, so als Alternativprogramm, hielten wir den keine zwanzig Minuten aus. Dabei war der doch so lustig. 1984. Bei meinen Tanten auf dem Sofa.

Indes: Was soll das Gejammer. Die Misere verschwindet ja nicht, wenn man sie möglichst wortreich besingt. Deswegen, meine Damen und Herren, hier und exklusiv: Die besten Momente zwei mieser Tage:

1. Die Pizza am Freitagabend. Der J. backt eine fabelhafte Pizza, vor allem die zweite, die deutlich weniger hart war als Knäckebrot.

2. Der genau richtig kalte weiße Hauswein bei der Mallorteca. Und dass man noch draußen sitzen konnte, am Freitag, und dass sogar bis nach Mitternacht.

3. Mit dem F. Bärte bewundern. Die schönsten Bärte zeigt mir der F. mit dem beeindruckten Ausruf: „Der Buschel!“

4. Die Pizza am Samstag bei Zia Maria. Und das Liefersushi vom Lieblingslieferdienst abends. Und ein neuer Winzersekt von gegenüber.

5. Ausschlafen am Sonntag. Von selbst aufwachen, sich noch dreimal umdrehen. Blinzeln. Ein bisschen lesen. Nochmal einschlafen. Um zehn so halbwegs aufstehen, den F. wecken und in Unterwäsche Kaffee kochen. Ich weiß nicht, was ich gemacht hätte, wäre der F. Frühaufsteher. Verzweifeln, nehme ich an.

6. Sonntag mittag allein für eine Stunde abhauen. Im Spreegold Trüffelrührei und einen Spreegold Spezial (so einen Saft mit roten Beeten, Ingwer, Orange und Möhre) im Sessel am Fenster. Die FAS. Mich selbst dabei ertappt, fremden Leute auf die Bärte zu gucken („der Buschel!“). Nach Hause gegangen und dem F. beim Puzzlen zugeschaut und Blogs gelesen dazu.

7. Mit dem J. und dem F. nach Mitte. Familienfest in der Komischen Oper. Ein A-Capella-Konzert im Foyer, ein Kinderchor auf der Probenbühne und ein Barockkonzert wieder im Foyer. Mich gefreut auf das neue Buch vom Glam. Mit dem F. im Foyer ein bisschen getanzt.

8. Am Sonntag kurzer Besuch der C. Die C. ist nämlich zurück in Berlin und jetzt sogar auf einmal quasi Nachbarin. Ein Glas Sekt auf die Rückkehr.

9. Ganz zum Schluss ein Essen zu zweit. Der F. hat nämlich immer noch ein bisschen Durchfall, sieht es aber nie im Leben ein, etwas anderes zu essen als wir. Er muss also allein vorab zu Abend essen, wird dann zu Bett gebracht, und der J. und ich essen in aller Ruhe Thunfischsteaks mit Wasabipüree und Kohlrabisalat, planen eine Herbstwoche in Menton oder Antibes und das nächste Wochenende. Diesmal aber wirklich. Ein Fest. Kreuzberg. Kapoor im Gropius Bau.

Wenn nichts dazwischen kommt.

8 Gedanken zu „Schöngeredet

  1. schön geredet?
    och, nö. wer erwartet, dass das leben ein ständiges feuerwerk an höhepunkten ist, kann irgendwann ziemlich unglücklich sein.
    das schöne im kleinen erkennen zu können, halte ich vielmehr für eine gabe, die uns den alltag (und irgendwann auch das alter) heller macht. das will gelernt sein sein, damit wir darauf zurück greifen können, wenn wir es brauchen.

      1. So empfindet man das, wenn man jung ist. Aber das Kleine sind die Momente des Lebens, das nur aus „Kleinigkeiten“ besteht, eine riesige Ansammlung von Kleinigkeiten. Das merkt man immer erst dann, wenn man diese einmal nicht mehr hat oder nicht mehr machen kann. Wie sie einem fehlen, und dass man alles dafür tun würde, um sie wieder zu bekommen. Ein Beispiel: ich erinnere mich noch an mein unglaubliches Glücksgefühl, als mein Mann und ich zum ersten Mal nach 2 Jahren (er war schwer krank und es sah lange Zeit nicht gut aus) wieder zusammen zum ALDI einkaufen gehen konnten. In diesen besch****Supermarkt, das muss man sich mal vorstellen!

        Sich von großen Zielen verabschieden zu müssen, ist aber in der Tat schmerzhaft. Iirgendwann fährt der Zug ab, und man ist weder Model, noch reich, noch weltbewegend geworden. Und die meisten haben noch nie eine große Liebe erlebt. Das ist schon tragisch.

        Und dennoch, Argumente nützen gar nichts, die Ratio ist gewissermaßen unbelehrbar. Nur die Erfahrung und das Gefühl lehren einen wirklich Wichtiges. Sie werden das schon selbst herausbekommen.

        1. Wahrscheinlich haben Sie recht. Das muss reichen. Es ist ja vielleicht auch gar nicht so wenig. Ein Beruf, den man liebt. Ein Kind. Eine große Liebe.

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