Um acht klingelte der Wecker. Um viertel nach acht schreckte ich hoch, um halb neun war ich geduscht. Zwischen halb neun und neun stopfte ich alles, was noch im Badezimmer war, in unsere Kulturbeutel, fütterte den ziemlich verschlafenen F. schnell mit Milch und Brioche, während der J. das Reisebett zusammenklappte, und dann klingelte die Vermieterin. Ein paar Höflichkeiten, die Kaution, Versicherungen unserer Wiederkehr, dann bestellte ihr Sohn uns ein Taxi, und wir fuhren ab, von Menton nach Nizza. Links von uns glänzte und glitzerte sehr blau das Meer. Über den Lufthansaflug will ich schweigen.
In Tegel schnarrte dann das Handy. „You forgot an owl cushion.“, schrieb die Vermieterin, und erschrocken zeigte ich die SMS wortlos dem J. Der blies ratlos die Backen auf. Au Backe: Eule. Wir hatten Eule vergessen. Ausgerechnet Eule, das Einzelstück. Ein Patchworkkissen. Die Prämie aus der fabelhaften buchbox, die es für fünf volle Stempelkarten gab, jede Stempelkarte wiederum für 100 Euro Einkäufe, die inzwischen ziemlich schnell zusammenkommen, weil wir seit der Geburt des F. viel Zeit zu Hause verbringen und lesen, was immerhin zumindest aufkommensneutral ist, weil wir dafür weniger Geld für Nachtleben verschwenden.
„Can you send it to Berlin?“, flehte ich die Vermieterin an. Sie werde uns Eule heute noch schicken, versprach diese, und ich bedankte mich so überschwenglich, wie es gerade noch in eine SMS passt. Dann bestiegen wir ein Taxi, fuhren heim und erwähnten Eule mit keinem Wort. Als der F. abends nach Eule fragte, versicherte ich ihm nur, sie sei noch in Urlaub. Eulen bräuchten nämlich mehr Urlaub als Rechtsanwälte, und deswegen kehre Eule erst nächste Woche oder so von der Côte d’Azur wieder heim. Als der F. auch ohne Eule irgendwann einschlief, fiel ich vor Dankbarkeit und Erleichterung fast auf die Knie. Ich hatte mich schon zehn Nächte oder mehr – abhängig von der französischen Post – mit einem verzweifelt weinenden F. im Elternbett gesehen.
Leider hielt des F. Gelassenheit nur bedingt an. Im Tierpark am 3. Oktober etwa verzog sich vor einem Gehege sein Gesicht zu einer jämmerlichen Grimasse. „Eule!“, hing auf einmal eine Träne an der linken Backe. Auch bei Durchsicht mancher Bücher erinnerte er sich bisweilen an das vermisste Tier und begann ein wenig zu jammern. Ich nahm die Bücher dann immer schnell weg oder blätterte um. Selbst zu Besuch bei den Eltern des J. gestern und heute erinnerte er sich auf einmal an Eule, als nämlich eine kleine Ton- und Stroheule auf einmal im Bücherregal auftauchte, die ich dann schnell hinter eine Bücherreihe stellen musste.
Am Freitag endlich fand der J. ein Benachrichtigungszettelchen von DHL im Briefkasten vor. Ein Paket sei bei den Nachbarn abgegeben worden. Ich habe nun ausnahmsweise einmal nichts bestellt. Es kann eigentlich nur Eule sein. Dann aber die Ernüchterung: Die Nachbarn sind in Urlaub. Das Paket liegt aber freundlicherweise jetzt bei anderen Nachbarn, die hoffentlich nicht ebenfalls in Urlaub, sondern nur heute abend zufällig nicht da sind, und mir morgen Eule in die Hand drücken. Im nächsten Urlaub tackere ich sie da vielleicht am besten fest.
Wenngleich nicht „Eule“, auch ich habe bereits ein solch weltbewegendes Problem mit einem „RÖSSEL“ hinter mir. Die Aktion gäbe Stoff für eine ausgiebige Geschichte und war mit einigem finanziellen Aufwand verbunden. Aber was tut man alles für das seelische Wohlbefinden des Nachwuchses.
Ich kann Sie beruhigen, Sie und F. können sich eines guten Schlusses freuen, dass es nicht zu teuer wird, möchte ich Ihnen an dieser Stelle wünschen.
Mißgeschickerfahren grüßt
Blinkyman
Was man nicht alles macht.