So eine Art Nirwana

Nein, sage ich. Wandern, Ruinenstädte. Tauchen, Skifahren: Alles ganz schön. Aber nicht das, was ich gerade suche. Mir wird schon ganz anders, wenn ich daran denke, mich in einem Bus durch Südostasien mit den beiden anderen Touristen und dem einzigen Einheimischen, der englisch kann, stundenlang über Islamismus und amerikanische Fernsehserien unterhalten zu müssen. Oder irgendwo nach dem nächsten Zug in die Hauptstadt zu fahnden, der möglichst so rechtzeitig kommt, dass ich meinen Rückflug noch erreiche. Auf der anderen Seite habe ich für die putzmuntere Aufgekratztheit eines Strandhotels in einem Badeort auch keine Nerven.

In einem gediegenen Hotel mit Brokatvorhängen und goldenen Posamenten: Wie anstrengend die vorsichtig genervten Blicke der anderen Gäste auf mein Kind. In einem kinderfreundlichen Hotel: Nicht auszuhalten, die quietschbunten Farben und die omnipräsenten Grinsebärchen. Mit anderen Frauen, die Kinder haben, auf einem Spielplatz  sitzen und lange Gespräche über Kitaqualität und Mittagessen irgendwo auf der Welt zu führen, muss ich auch gerade nicht haben. Ich würde gern schweigen.

Irgendwo in einem dezent beleuchteten Raum auf einem sehr sauberen Laken liegen, leise Musik, vielleicht Bach oder Händel. tagsüber 22°, nachts 18°. Fisch, weißes Fleisch, feine, filigrane Speisen. Kein Kaffee, kein Alkohol, kein Knoblauch, überhaupt wenig Gewürze. Möglichst wenig Menschen sollten anwesend sein, vielleicht Roboter, wenn möglich. Aber nur, wenn die vollständig lautlos funktionieren und nicht etwa nervtötend piepsen. Die anderen Gäste, so es sie denn gibt, ebenfalls ruhig, leise Stimmen. Bademäntel in weiß oder cremefarben. Nachmittags ein bisschen Gebäck und grünen Tee. Schwachduftende Blüten. Keine Uhren, nur ein kleines, silbernes Glöckchen, das zu jeder vollen Stunde leise klingelt, damit man weiß, wann es Essen gibt. Die Mahlzeiten würde ich auf dem Zimmer einnehmen und das Tablett danach vor die Tür stellen, damit der Roboter nicht reinkommen muss.

Ich würde eigentlich überhaupt nichts machen, nur ein bisschen lesen. Natürlich nichts Aufregendes, vielleicht ein bisschen Lyrik. Rilke oder so. Keine Romane. Den größten Teil des Tages schaue ich aus dem Fenster auf den menschenleeren Strand und das Meer. Nachmittags ein schweigender Spaziergang, den F. an der Hand.

(Nächste Woche immerhin: Drei Tage Ostsee.)

7 Gedanken zu „So eine Art Nirwana

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