Es ist das Höchste der Gefühle

Ganz klein war der F., lag auf einem safrangelben Kissen auf meinem Schoß, winzige Fäuste und die Unterlippe voller Milch. So winzig war er, lag warm und schwer auf meinem Unterarm, und mit der anderen Hand suchte ich auf youtube nach Musik. Grieg. Beethoven. Ein bißchen Händel, ein bißchen Pergolesi, und immer wieder Mozart. Das kunstvoll-künstliche Veilchen der Schwarzkopf. Eberhard Waechters virilen, schwarzen Don Giovanni, und den Papageno, und den immer wieder, denn dann lachte der F., griff mir mit seinen kleinen Fäustchen ins Haar und gluckste laut und glücklich.

Größer war der F., krabbelte auf den bunten Schaumstoffmatten im Wohnzimmer herum, zog sich hoch, und wedelte zur Musik mit dem Hintern wie ein sehr kleiner Skiläufer, und lachte und streckte die Hände aus, als wollte er alle Töne für sich festhalten, und als der F. so groß war, dass er richtig laufen und sprechen konnte, kauften wir ihm einen CD-Spieler und ein paar CDs. Mozart war auch dabei, das Beste aus der Zauberflöte für 2,99 EUR vom Radioorchester Bratislava. Abends saß der F. bei mir und hörte Musik.

Als der F. drei wurde, bekam er ein Buch, das handelte von der Zauberflöte. Wie also Prinz Tamino eines Tages von einer Schlange … und so weiter, und ab und zu darf der F. auf dem Sofa liegen und die Zauberflöte von Harnoncourt auf CD von vorn bis hinten hören. Weil die Zauberflöte sehr gruselig ist, so aus der Perspektive eines immer noch Dreijährigen, sitzt der F. dabei passagenweise sehr gern auf meinem Schoß und versteckt sich bei sehr spannenden Stellen hinter seinen Händen.

Gern hätten der J. und ich den F. in eine Bearbeitung für Kinder geführt, aber in ganz Berlin läuft gerade keine Zauberflöte für Kinder. Wir haben deswegen drei Karten für eine ganz normale Nachmittagsaufführung erworben, heute um 15.00 Uhr, und Karten am Rand gekauft, falls er nicht durchhalten würde, und dann saßen wir da. In der Staatsoper im Schillertheater, und der F. schlug die Hände vor die Augen, als die Schlange Tamino jagte.

Der F. staunte die Königin der Nacht an, lachte über Papageno, trauerte mit ihm über sein verloren geglaubtes Weibchen, jubelte über die zahmen Tiere und schunkelte sogar ein bißchen vor sich hin. In der Pause aß er eine Brezel und drängelte ungeduldig wieder auf seinen Platz. Am Schluss applaudierte er. Minutenlang, frenetisch, und strahlte dabei wie einer, der weiß: Es ist das Höchste das Gefühle. Mehr Glück hält das Leben nicht bereit. Ihm wie mir. Vor über 30 Jahren.

3 Gedanken zu „Es ist das Höchste der Gefühle

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