Ich bin keine so besonders gute Urlauberin, weil ich überhaupt nicht abschalten kann. In meinem Kopf passiert immer alles gleichzeitig. Ich bin tieftraurig und tief beeindruckt, Joseph Schmidt singt und ein besonders guter Satz für einen Fachaufsatz erscheint, blinkt kurz dreimal über San Lorenzo und verschwindet wieder. Ich erzähle dem F. etwas über den Unterschied zwischen der italienischen Basilika und den Kirchen, die er so aus Berlin kennt und suche den Einstieg in einen Roman, den ich vielleicht mal schreiben möchte, falls ich mal Zeit habe. Außerdem lese ich vier berufliche und zwei private E-Mails, überlege, was ich antworten möchte, und was ich antworten werde, und das alles in zwei Minuten. Dass ich überhaupt zu was komme, liegt nicht an mir.
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Als wir auf einmal vor einem Lush-Laden stehen, fällt mir auf, wie doch verhältnismäßig wenig Kettenfilialen es hier, eigentlich unweit von Duomo und Bargello gibt. Vielleicht steuert Florenz das irgendwie, dann ist es schade, dass deutsche Städte das nicht genauso machen, aber so genieße ich die liebevoll gestaltete Optik der Straßen, kaufe mit dem F. zehn Minuten eine duftende Seife, schaue überall herum und mache Pläne, wem ich was schenke, und außerdem esse ich täglich ein Eis. Habe ich so beschlossen. Gestern bei Venchi, heute bei Rivareno.
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Eigentlich gehen wir nur spazieren. Schauen in einen leicht abgeblätterten, verschatteten Aufgang. Laufen durch die große Markthalle und essen etwas. Dem F. erzähle ich eine dreiminütige Version von Pinocchio und eine fünf Minuten lange Fassung der Divina Commedia.
Den Neptun auf der Piazza della Signoria erkennt er selbst „an der Gabel“, denn auch vorm Berliner Rathaus steht ein Neptunbrunnen. Eine Stadt wird erst durch Geschichten schön, weiß auch der F., der am Abend lange einer Puppenspielerin zuschaut, und nachts von der Terrasse eines Restaurants zwei Artisten, die feurige Stäbe und Räder durch die Nacht wirbeln, die für andere beginnt, als sie für uns endet.
Ich habe lange gelesen.
Der F., ein echtes Kulturkind. Wie schön!
Meine L. mochte ab dem vierten Tag Florenz keine nackten Männer mehr sehen, fällt mir da wieder ein… und tatsächlich bin ich in Stadt sonst bisher an so vielen „öffentlich entblößten“ Statuen vorbei gekommen.
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Gerne gelesen
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