Als Vater macht man ja schon fast alles richtig, wenn man einmal die Woche von der Kita abholt und weiß, wie die Erzieherin heißt. Eine Mutter, die sich in exakt diesem Umfang engagieren würde, würde von den anderen Müttern zum Zeichen ihrer abgrundtiefer Verachtung vermutlich gesiezt. Doch nicht nur die anderen Mütter beobachten das mütterliche Engagement ganz genau. Auch die Kinder selbst führen, ich weiß das genau, eine geheime Buchführung.
Anders als die anderen Mütter glauben, geht es dabei nicht um selbstgenähte Kostüme oder selbstgebackene Kuchen. Am ehesten kann man die intensive Beobachtung vermutlich mit dem Verhältnis eines Ornithologen zu einem ganz besonderen Vogel vergleichen. Der F. etwa hat schon mehrfach gefragt, wie groß ich bin, und erst kürzlich versucht, einen Blick auf das Display meiner Waage zu werfen. Ich bin dann schnell abgestiegen, um zu verhindern, dass nicht nur der F., sondern die ganze Kita mein Körpergewicht kennt und sich ungläubig weitererzählt, wie schwer eine ganz normalen Frau werden kann. Ich bin nämlich, das nur am Rande, die dickste Mutter der ganzen Kitagruppe.
Ansonsten recherchiert der F. vorwiegend mittels ausgefeilter Interviews. Meine Lieblingsfarbe. Was ich am liebsten esse. Mein Lieblingstier. Tassen, die ich nicht mag. Wovor ich mich fürchte. Mein Lieblingsbuch als Kind. Welches Denkmal in Berlin gefällt mir am besten. Ergänzend zu bohrenden Fragen beobachtet der F. sein Studienobjekt. Das geht manchmal auch schief, so glaubt der in meinem Büro ja nicht anwesende F. wirklich, ich äße am allerliebsten Salat und Gemüse und könne Schokolade nicht leiden. Seinen vorläufigen Höhepunkt allerdings fand die Recherche kürzlich, als ich morgens davon erwachte, dass der F. mit seinem neuen Zollstock versuchte, meine Füße zu vermessen.
Bisweilen fürchte ich bei solchen Gelegenheiten, dass der F. eines Tages aus den Ergebnisse seiner Forschung eine mehr oder weniger schonungslose Veröffentlichung machen wird, mit der ich dann leben muss. Dann aber fällt mir ein: Es wäre nur fair, würde er eines Tages über seine Mutter einen fiesen Roman verfassen.
Oder ein kleines, milde spöttisches Blog.
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Wunderschön, der F. scheint ein so süsser kleiner Kerl zu sein! Mein Kleiner (nennen wir ihn P.) redet noch nicht, ich bin gespannt was er so erzählt wenn ers dann kann!
Sie werden sich ein halbes Jahr lang freuen, dass er spricht, und dann fürchten, dass er nie mehr aufhört. Der F. spricht ungelogen ununterbrochen von morgens um sieben bis abends um acht über schlechthin alles.
Fein, da freu ich mich drauf. Dann kann er auch gleich was dazu schreiben, wie seine Perspektive auf den Papajob ist und vielleicht entdeckt die Mama ja dann Perspektiven, die sie bislang nicht hatte. #ist nichtfrauuebermannschreibenwiemannueberfrauschreibenoderwiefischeuebervoegelodereisbaerinnenueberMoostierchen?
❤️
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Der Junge hat wirklich ein äusserst ausgeprägtes, analytisches Talent….
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Das kann man nur hoffen. Sonst steht in seinem zukünftigen Buch nur Käse.
Köstlich! Er versucht wohl herauszufinden, welche Voraussetzungen seine Mutter mitbringt, um sich angemessen um ihn zu kümmern. Wie soll er auch wissen, dass dabei die Länge der Füße oder das Gewicht völlig unerheblich ist (die Größe des Herzens kann man ja mit dem Zollstock schlecht messen).
Mein Kleiner sagte einst im Kindergarten:“Meine Mutter liebt mich, sie macht mir immer Frühstück!“
Vermutlich handelt es sich um eine Art vorweggenommene Kompensation für die vielen Jahre, in denen er als Teenager und Erwachsener nicht auf die Idee kommen wird, dass auch seine Eltern richtige Leute sind, die Ideen und Leidenschaften haben und deutlich mehr als die Infrastruktureinrichtung, als die man in jenen Jahren seine Eltern zu betrachten pflegt.
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