Picasso und ich

Als ich in der Picasso-Ausstellung bin, fällt mir wieder ein, dass ich die Moderne eigentlich nicht mag. Ich bin nämlich gar nicht so sehr für unmittelbaren Ausdruck, kraftvolle Farben, eine Feier des Lebens, und was die Kunstkritik sich alles so hat einfallen lassen, um das Kunstschaffen seit 1900 zu beschreiben. Ich habe ein echtes Faible für die zarten, transparenten Himmel des Rokoko, die duftenden Bäume Lorrains und die warme Haut, unter der das kühle Herz dieses intimsten der europäischen Zeitalter schlägt. In Hamburg habe ich letztlich eine Gainsborough-Ausstellung gesehen, die ich mochte, aber hier laufe ich durch den aufgebrochenen Körper der Jacqueline Picasso und versuche Sohn F. zu erklären, was die Moderne einmal war.

Es ist schrecklich voll, außer uns sind alle Bewohner Potsdams und Berlins da. Die Einwohnerschaft Potsdams zerfällt von Jahr zu Jahr mehr in zwei Teile, einen, der blässlich und missgestimmt ist und an den irgendwie verformten Körpern bunte Kleidung aus Kunstfasern trägt, und einen, der aussieht wie Alexander Gauland. Ja, einen dritten, gutaussehenden und sympathischen Teil gibt es auch noch, das ist meine Freundin J. Und ihr Mann.

Ich würde mich ganz gern mit der J. unterhalten, weil mein Leben gerade sehr aufregend ist und ihrs auch. Man fürchtet ja mit 17, das Leben sei quasi zu Ende, wenn man mal 30 oder älter und mit der Suche nach dem Mann fürs Leben fertig sei. Dass man einen Beruf auch deswegen hat, um sich auch ab 30 nicht zu Tode zu langweilen, sagt einem ja keiner. Leider ist hier inmitten von mehreren Hundertschaften Menschen nicht daran zu denken, meiner Freundin von den aufregendsten Seiten meines Lebens zu erzählen, außerdem wird Sohn F. irgendwo zwischen Stierbildern und Frauenbildern schlecht. Der J. geht dann mit Sohn F. ein paar Runden zwischen den historischen Gebäuden herum, die der F. für eine Zeitung fotografiert, die er in einer einzigen Ausgabe textet, bebildert und verkauft. Dann steigt der J. in unser Auto und fährt davon. Sohn F., der ungern Auto fährt, und ich bleiben zurück.

Im Café Kaiserwetter sitzen wir irgendwann zwischen Blumen und Törtchen und Sesseln in Pastell. Ich erzähle Sohn etwas über die Farben des Rokoko, über Friedrich II, über Fragonard und die Sitte, sich die Haare zu pudern, damit man alt aussieht, und plaudere mit meiner Freundin und ihrem Mann. Dann fahren wir heim. Ich bin, denke ich, und schaue in die Wälder rechts und links der Strecke: Ich bin der Moderne abhanden gekommen.

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