Sachliches Zuendeleben

Ich weiß es doch auch nicht, denke ich, als ich die D. mich fragt, ob sie wohl was falsch gemacht hat. Mag schon sein, dass sie wirklich ein bisschen viel Zeit mit den Kindern und ein bisschen wenig mit ihrem Mann verbracht hat. Sie vermutet das. Aber wir alle haben doch niemals Zeit, ziehen an unseren Stunden wie unsere Großmütter am Strudelteig, bis sie bis zum Zerreißen dünn werden und man durch sie hindurchschauen und die Finger zählen kann, wie man das früher mal machte. Wäre der Bruch die Folge von zu wenig gemeinsamer Zeit, dann gäbe es kaum mehr verheiratete Paare über 40. Und außerdem: Wenn ihr Mann hätte mit ihr Zeit verbringen wollen, dann hätte er das wohl einfach getan, irgendwo was reserviert und einen Babysitter bestellt. Vermutlich – aber auch das weiß ich nicht – hatten einfach beide keine Lust mehr auf gemeinsame Zeit.

Weil die D. Juristin im Staatsdienst ist, ist die Trennung kein finanzielles Problem. Sie behält die Doppelhaushälfte und zahlt die beiden letzten Jahre ab. Er dagegen hat jetzt eine neue Wohnung und ein neues Auto in Charlottenburg und läuft nun jeden Tag bis zur Kanzlei. Die Kinder bleiben bei ihr. Die große Tochter, mit deren Freundin D.s Ex jetzt was hat, spricht eh nicht mehr mit dem Vater. Der Junge kommt jedes zweite Wochenende und die Hälfte der Ferien.

Ich glaube nicht, dass D.s Ex dauerhaft eine Beziehung mit einem noch nicht ganz volljährigen Mädchen führen wird, denn der gegenseitige Reiz nutzt sich wahrscheinlich noch schneller ab als alle anderen Reize. Das war schon in den Neunzigern so, als wir die Mädchen waren, um die sich die von zu langen Ehen ermüdeten Väter, Trainer oder Lehrer mit mehr oder weniger viel Elan bemühten. In ein paar Jahren wird er vermutlich bei jemandem landen, den man mitnehmen kann, wenn ein Kollege 60 wird. Wahrscheinlich ist seine nächste Frau dann 35 oder so und bekommt sehr schnell ein Kind, für das er mehr Zeit haben wird als für die beiden Großen. Vielleicht mögen sie das Kind trotzdem.

Ob die D. noch einmal einen neuen Partner haben wird? Ich glaube, sie hat keine Lust mehr, noch einmal irgendwelche Kompromisse einzugehen, nicht einmal bei Wochenendtrips oder Badezimmerfliesen. Vielleicht wird sie einen Freund haben, mit dem sie sich in Hotels trifft, wenn die Kinder nicht da sind. Möglicherweise fährt sie ohnehin lieber mit Freunden in Urlaub, denn dann fühlt sie sich nicht dafür verantwortlich, dass es allen gefällt und alles funktioniert.

Es tue ihr so leid für die Kinder, vor allem die Große, sagt die D. Sie dagegen hätte ein bisschen schlechtes Gewissen, dass er ihr nicht mehr fehlt. Sie habe alles in allem gar keine schlechte Zeit. Sie ging ja nie viel weg. Ihr Leben ginge nun einfach so weiter; nicht das schlechteste Leben und auch nicht das Beste, und als ich auflege und ein paar Schritte durch die sich leerenden Straßen laufe, frage ich mich, wieso mich dieses sachliche Ende einer sachlichen Ehe so unendlich verstört.

11 Gedanken zu „Sachliches Zuendeleben

  1. Hier ist wohl Platz für unsachliche Kommentare von Spielfeldrand, weil nunmal wirklich niemand weiss was vorgefallen ist und wo die beiden, nein, drei hätten abbiegen können, um Schmerz und Trennung oder gar Beziehung zu vermeiden. Vielleicht gab es auch nichts zu vermeiden, sondern es waren Lektionen die die drei jetzt lernen können. Schade, dass die Kinder es mit ausbaden, aber so ist das Leben: Lektionen in Demut.
    Was ich unsachlich als einer von 80Mio Bundestrainern in Beziehungsfragen, aber wenigstens mit Wissen um die eigenen Grenzen und Erfahrungen, eigentlich sagen wollte: ein Kerl der seine Kinder bei seiner Frau zurück lässt und sich nicht kümmern will? Sei froh ihn loszusein, D. Ein Kerl der sich nicht kümmern darf oder soll? Sei froh sie los zu sein und kämpfe um jede Minute der Versöhnung mit den Kindern. Zu guter Letzt an Beide: get sorted down there. Erwachsen werden, Lösungen jenseits des Schmerzes suchen. Es geht nämlich nicht nur um euch, eure Verletzungen und Lebenswege. Und denk darüber nach ob Freiräume zum Spielen nicht anders als durch Trennung machbar und klüger gewesen wären. Aber da wären wir wieder: Erwachsen werden, ne?
    Over and Out.

  2. eine gute geschichte eigentlich, das ende war erwartbar und ist halbwegs zivilisiert über die bühne gegangen, bringen doch oft erst die trennungen die schlimmen wunden und verletzungen. d. ist eine souveräne frau, wenn sie in so einer situation sachlich bleiben kann. wenn der mann mit einer minderjährigen durchbrennt, ist er ja u.u. sogar kriminell, verhält sich aber in jedem fall unentschuldbar albern.

  3. Die große Tochter tut mir leid, hat sie doch dabei auch eine Freundin verloren. Den Respekt vor ihrem Vater sowieso. Was für ein Wicht.

    Ich frage mich, was die Eltern der Freundin davon halten.

  4. Es ist immer tragisch, wenn Beziehungen zu Bruch gehen. Nicht, weil es grundsätzlich besser wäre, zusammen zu bleiben – koste es, was es wolle – sondern weil es schade ist um das ungenutzte Potential zur gemeinsamen menschlich-charakterlichen Entwicklung, das in jeder Beziehung steckt.

    (und mir ist ein bisschen bange um die minderjährige Freundin, aber – wer weiß – vielleicht kommt sie aus der ganzen Sache noch am besten heraus …)

  5. So ist das eben, nicht immer hält ewig, was für die Ewigkeit gedacht war und die Trennungsgründe sind so verschieden wie die Menschen. Sachlich bleiben, auch aus Rücksicht auf die Kinder, das klingt sehr lobenswert. Und vielleicht wartet ja auf beide noch ein neues Glück, wer weiß. Aber als längst Erwachsener Mann und Familienvater eine Affäre mit der noch minderjährigen Freundin der eigenen Tochter? Pfui, da fällt mir keine Entschuldigung ein.

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