Zucker und Fett

Es ist ja nicht so, dass hier grundlos gejammert würde. Tatsächlich verhält es sich nämlich so:

Unter der Woche läuft alles prima. Morgens stehe ich auf und esse gar nichts. Mittags gehe ich essen. Entweder gibt es Salat. Oder es gibt Sushi. Einmal die Woche esse ich chinesisch, meistens Hühnchen mit Gemüse. Ab und zu esse ich Nudeln, gelegentlich ein Steak, und abends gehe ich wieder irgendwo essen. Wenn es hinhaut, irgendetwas Leichtes. Am Wochenende aber schlägt der Gott der fetten Speisen so richtig auf die Pauke.

Am Freitagabend also treffe ich den J.2. Jenem reizenden, mir seit vielen Jahren vertrauten Herrn schlage ich vor, japanisch zu essen. Oder Thai. Die Mails gehen vier- fünfmal hin und her. Der J.2 ist aus irgendwelchen obskuren Gründen strikt gegen den Fischverzehr, so dass die japanische Küche faktisch ausscheidet. Thai findet er ohne Angabe von Gründen doof. Am Ende sitzen wir im Jolesch, er isst Schnitzel, ich esse Tafelspitz, und dass ich die Kartoffeln stehen gelassen habe, macht den Braten dann auch nicht mehr fett, bzw.: Es macht die Mahlzeit nicht mehr magerer. Weil wir schon mal da waren, habe ich vorher Tartar von der Jacobsmuschel bestellt, mit Brunnenkressemousse aus Sahne dazu. Danach gab es Sorbet. Mit Kokosmilcheis.

Am Samstag wache ich auf und der geschätzte Gefährte J. ist krank. Wie es so zu gehen pflegt, wenn man am Vorabend vier Bier auf seit dem Frühstück nüchternen Magen trinkt, fühlt der J. sich enorm unwohl und jammert leise vor sich hin. Ein Versuch, den maladen Magen nach einem Charles Bukowskis Werk entnommenen Vorschlag mit einem hartgekochten Ei zu heilen, schlägt überaus drastisch fehl. Ich koche also magenberuhigende Kartoffeln. Dazu gibt es Gemüse. Dann kaufe ich ein.

Nachmittags besuche ich eine charmante Dame, ihren hübschen Hund und ihre reizenden Söhne. Es gibt Sekt, es gibt Torte. Es gibt Petit Fours und Hefekranz. Es gibt Schlagsahne. Ich nehme von allem, weil man die Feste feiern soll, wie sie fallen, amüsiere mich bestens und dann fahre ich heim. Zwei Stunden später kommen ein paar Gäste, weil der J. Geburtstag hatte.

Weil gerade weder der J. noch ich Zeit und Lust zum Zubereiten von Speisen haben, klingelt es absprachegemäß um sieben. Ich bin noch unterwegs, der J. öffnet die Tür, der Caterer überreicht ein paar Platten, und der J. ruft mich an. Ich steige also mitten auf der Danziger Straße vom Rad, und der J. schäumt aus dem Hörer. Es sei zu wenig. Die Platten seien fast leer. Die Tapas reichen nicht mal, so sagt er, für uns beide, und so kaufe ich auf der Stelle noch ein bisschen ein. Es gibt also auch noch Antipasti. Und Brot. Und einen Käsekuchen habe ich auch gebacken. Außerdem gibt es Wein und Sekt und Bier und Bionade.

Wie sich einige Stunden später herausstellt, reichen die Platten doch. Die eingeladenen Freunde haben dem J. zudem beim Sowohlalsauch einen Schokoladentorte gekauft, weil jener Herr gelegentlich einmal den Wunsch geäußert hat, einmal eine ganze Torte für sich allein zu haben.

Der J. verteilt die urfetten Tortenstücke dann doch. Ich esse von allem. Ich esse Torte und Albondigas. Ich esse Seranoschinken und Manchego. Ich esse Montaditos, ich esse Nüsse, ich kaue ein bisschen Tortilla, weil sie da ist, und was sonst noch so herumsteht, esse ich auch. Weil ich beim Sekttrinken gerade so schön in Fahrt bin, trinke ich einfach weiter. Gegen morgens um zwei habe ich cica 7.500 Kalorien verzehrt und getrunken. Dann gehe ich schlafen.

Morgens um zwölf wache ich auf und esse weiter. Die Platten sind ja noch da. Etwas später ruft die C. erst an, kommt dann vorbei, verlangt Torte, und als ihr Sekt angeboten wird, strahlt sie. Es gibt also Sekt.

So gegen sieben muss die C. los. Ich bin pappsatt. Leider habe ich einen Rehrücken schon vorher aufgetaut und mariniert. Den kann ich nun nicht wieder einfrieren. Schade darum wäre es auch, deswegen werfe ich den Ofen an, schäle Kartoffeln, setze Rosenkohl auf und als der Rehrücken fertig ist, schmecke ich die Sauce ab. Wildsaucen schmecken ja nur mit Fond und Wein.

Um neun kann ich unmöglich noch irgendetwas essen. Zum Sport ist es zu spät. Ich fühle mich wie diese französischen Gänse mit der großartigen Leber, bin aber sogar zum Schnattern zu satt, sitze am Rechner und surfe ein bisschen herum.

Morgen Salat, nehme ich mir vor. Und nächstes Wochenende nichts als gedünstetes Gemüse.

22 Gedanken zu „Zucker und Fett

  1. Auch wenn ich mir diverse Argumente einfallen lassen würde, damit man schlussendlich im Jolesch landet, schaffe ich da trotzdem lediglich ein Hauptgericht, was mich jedesmal ein wenig traurig macht. Aber an den Kaiserschmarrn als Nachtisch traue ich mich definitiv nicht ran. Das könnte ein böses Ende nehmen.

  2. frau modeste, sie erwecken mein tiefstes mitleid ob ihrer sorgen. als geübte österreicherin bitte ich aber, dem tafelspitz mit kartoffeln keine schuld zu geben, hier firmiert der nämlich unter „leicht, bekömmlich und gesund“. ich kenne übrigens jemanden, der beim salat auch noch das öl weglässt…

  3. REPLY:
    Das ist alles eine Frage der Organisation. Man hat ja stets die Wahl zwischen Abendkarte und Standardkarte. Nimmt man einen der – meist eher etwas reichlichen – Vorspeisen von der Abendkarte, dann reicht es zum Dessert wirklich nur noch dann, wenn man nicht gerade auf die Mehlspeisen verfällt. Wählt man dagegen Suppe – etwa die gute Frittatensuppe – und dann ein kleines Schnitzel (d.h. nur eins und nicht zwei der kälbernen Lappen), dann müsste es zumindest für einen 1/2 Kaiserschmarrn reichen. Mit extra Zwetschgenröster.

    Aber danach geht in der Tat nicht mehr viel.

  4. REPLY:
    Aus exakt diesem Grunde habe ich den Tafelspitz auch gewählt. Ich war berufsbedingt schon mittags essen und habe da sehr gute, aber nicht gerade leichte Hechtklößchen bekommen, die in einer Art Eiersauce schwammen. Die gebutterten Kartoffeln dazu habe ich zu allem Überfluss auch noch restlos verspeist.

    Salat ohne Öl ist natürlich ganz großer Unsinn. Man ist schließlich kein Hase.

  5. REPLY:
    Oh, das habe ich vergessen. Gab es natürlich auch. Sonntag morgen. Ciabatta mit Butter und einem richtig guten halbfesten Ziegenkäse, dessen Namen ich gerade nicht mehr weiß.

  6. wen man von vier bier, egal wann, wie und wo verzehrt, krank wird, dem empfehle ich grundsätzlich mineralwasser. ansonsten hilft am nächsten tag nichts besser als ein -3C° kaltes konter-pils.

  7. REPLY:
    Ja, war in der Tat sehr nett, recht beschaulich und angenehm. Zudem bin ich heute morgen angstvoll auf die Waage gestiegen, und siehe da: Kein Gewichtszuwachs. Uff.

  8. REPLY:
    Dem kann ich aus eigener Erfahrung zustimmen. Es schmeckt in der Tat fies, aber: Konterpils hilft. Kontervodka auch. Oder Konterrum. Zumindest war das in meiner Jugend so.
    Was die feste Nahrung betrifft: Kleidergröße 38 wird völlig überschätzt. Und es steht gar nicht jeder Frau. Das kann ich in diesem Einzelfall natürlich nicht beurteilen, aber ich habe Freundinnen, die mit Größe 38 einfach nur erbärmlich und verhungert ausssahen – mit Größe 40 oder 42 hingegen fantastisch.

  9. Oh, nee, nicht wieder Jammern, dachte ich nach dem Lesen der Überschrift. Dann aber der Barbara-Schöneberger-Trick am Anfang, die ja jetzt auch noch singt und so wurde mir der WInd aus den Segeln genommen. Schließlich habe ich mich gut amüsiert und obwohl ich sicherlich einiges abzunehmen hätte, würde ich diese Unmengen kaum schaffen.

  10. REPLY:
    dem kann ich wiederum nur zustimmen. alles unter 40 fühlt sich im bett dann doch schon mal etwas zu klapprig an wirkt manchmal etwas dürr. und: natürlich ist das fies. aber es wirkt. ein milder korn z.b. auch. hauptsache allerdeutlichst unter null grad …

    [und wenn man schon mal dabei ist, fängt man auch schon mal einfach wieder an. mit etwas verzögerung natürlich, erstmal muß man ja was äußerst herzhaftes essen. und dann: am tag danach, da geht alles!]

  11. REPLY:
    Ich habe da gerade so einen französischen Weichkäse entdeckt, der im Kühlschrank zwar offensiv von sich reden macht (olfaktorisch), aber wunderbar zu Ciabatta paßt (als Franzose!). Ziegenkäse habe ich früher gern für liebe Gäste gekauft, aber ich selbst esse den nur selten.

  12. REPLY:
    Oje, wirklich nicht? Ich habe schon öfter gemutmaßt, ganz generell und unabhängig von meiner Gewichtsentwicklung viel mehr zu essen als andere Leute. Aber sei’s drum. Es hat geschmeckt.

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