Alle Beiträge von Modeste

Jahresrückblick 2018: Erstes Quartal

Januar

Soviel Freiheit hatte ich zuletzt mit Ende 20. Da war ich Doktorandin, wälzte mich in lauter lustigen Dramen, hatte nicht so besonders viel zu tun, und stiftete Unruhe unter den Dächern der Stadt. Ungefähr so sieht es auch jetzt aus: Ich habe nach Jahren wieder einmal richtig viel frei. Das alte Leben ist endlich vorbei, das neue noch nicht losgegangen, und so treffe ich fast täglich alte und neue Freunde, esse und schreibe. Entwerfe großartige Pläne und verwerfe sie wieder und schmiede neue, und außerdem fahre ich einfach so zum Spaß fürchterlich viel durch die Republik. Köln, Bielefeld, Hamburg, Hannover, Leipzig: Ich lerne wieder zu schlendern, nehme mir Zeit für lange Gespräche in Cafés, und auf einmal fallen mir sogar wieder Freunde und Freundinnen ein, an die ich ewig nicht gedacht habe, und rufe sie an, die sich dazu noch alle freuen, und wenn ich morgens in den Spiegel schaue, dann sehe ich eine ältere Version meines ich mit 25 und nicht mehr eine Fremde.

Februar

Das Semester ist zuende und ich breche auf: Im Sommer wird der F. eingeschult werden. Das ist die letzte Gelegenheit. Unter mir wird Berlin kleiner und kleiner, verschwindet unter kalten Wolken, und als wir in Dubai zwischenlanden, kann ich die Sonne schon sehen, die dieses Jahr mir mehr gehört als jedem sonst.

In Hua Hin haben wir eine Wohnung gemietet in einer Anlage am Meer, vor unserer Veranda schlängelt sich ein Pool wie eine Lagune über einen Kilometer einmal um die Anlage herum, und unter Palmen, zwischen Orchideen, eingehüllt in die feuchte, nach Blüten und süßer Fäulnis duftende Wärme der Tropen, spazieren der F. und ich am Strand entlang, essen die riesengroßen, vor Saft strotzenden Früchte, kaufen jeden Tag auf dem Nachtmarkt gegenüber alles, was unser Auge reizt, freunden uns mit Nachbarn an und freuen uns auf den J., der zwei Wochen später eintrifft.

Geht’s dir gut, fragt mich ein paar Tage später mein alter Freund S., Freund seit Schultagen, der mit seiner Freundin aus Burma zu Besuch gekommen ist, und dann freuen wir uns beide, dass es uns besser geht, als wir jemals erwartet haben, als wir 15 oder 18 waren in unserer kleinen Stadt.

März

Was habe ich eigentlich im März getan? Als ich wieder da war nach ein paar Tagen Bangkok nach den Wochen am Meer? Die ich genossen habe, weil ich diese asiatischen Megastädte mag, besonders Bangkok, wo ich vor einigen Jahrhunderten mal Referendarin war, und es liebe, wie die Stadt sich verändert, verformt, verschlankt, verschönt manchmal, und ich zünde für alles, was ich liebe, eine Kerze an in einem Tempel und eine riesengroße für das, was ich auf Erden am allermeisten liebe: Den klugen, liebevollen, freundlichen F.

Ich fürchte, ich habe einfach nur sehr viel geschlafen. Und noch mehr Freunde getroffen und herumgefahren. Leute getroffen, die ich online kennengelernt habe und schon lange mal in echt treffen wollte. Und überhaupt so viel ausgegangen, dass ich jetzt wieder wie zuletzt vor zehn Jahren oder so ziemlich genau weiß, wo man so hingeht und was es da gibt. Im Theater war ich auch, endlos viel gelesen und habe alle meine Pläne für zehn Jahre oder so aufgeschrieben und hake seither ab, was ich geschafft habe. Punkt für Punkt.

 

Hai

Na, geben Sie es zu: Sie wollen es doch auch. Schließlich herrscht bei Ihnen diesbezüglich Ebbe. Nicht mal ein bisschen Tuna haben Sie im Haus, so von wegen Delphine. Und ihr Aquarium, das Sie mit 12 von ihrer Patentante bekommen haben, haben Sie nicht mehr, seit Sie 16 geworden sind. Aber wenn Sie sich so umsehen, ganz ehrlich, Ihr Heim ist vielleicht schick, aber leer. Ich weiß, was Ihnen fehlt: Sie haben keinen Hai.

Wir dagegen, der geschätzte Gefährte, unser liebenswürdiges Kind und ich, wir leben in unserer Berliner Wohnung zwar fernab der salzigen Fluten der Meere. Aber ob es an der heute Morgen besuchten Führung durch die Ausstellung „Europa und das Meer“ lag, oder ob der F. schon immer davon träumte, einen eigenen Hai zu halten: Seit heute nachmittag wohnt Markus bei uns, ein ungefähr ein Meter langer Plüschhai, aufgesticktes Maul, weich, aber blutrünstig, und zur Stunde liegt der F. inmitten seiner ungefähr fünfzig Kuscheltiere neben dem riesigen Vieh.

Nur ganz kurz hatte der F. bei Ikea den Elefanten gestreichelt, den Tiger getätschelt und den Hund geschwenkt. Dann hatte er höchstpersönlich (ich bot die Tasche an, aber wurde zurückgewiesen) den Hai zur Kasse geschleppt, und nun gehört er ihm. Der mit den beiden Gutscheinen aus F’s Ikea Adventskalender gekaufte Kuschelhai.

Und ich bin mir sicher, auch Sie sehnen sich gerade nach danach, einmal im Leben etwas so Geliebtes in den Armen zu halten wie der F. heute nacht.

Törtchen

Sie glänzten schokoladenbraun wie lackiert. Sie waren kreisrund, vielleicht vier Zentimeter hoch, bestäubt mit essbarem Glimmer, und obendrauf lag ein kleiner Weihnachtsbaum aus heller Creme. Sie stammten aus der überaus empfehlenswerten Patisserie Jubel, und ich hatte sie am 22. vorbestellt und am 23. abgeholt. In einer hellbraunen Schachtel trug ich sie vorsichtig nach Hause.

Was soll ich lang erzählen: Die Törtchen standen in der Loggia auf einem Hocker. Am selben Tag nachmittags ging Sohn F. in die Loggia, nahm die Schachtel hoch und kam damit in die Küche. Schwenkte die Schachtel, hielt sie hochkant dem geschätzten Gefährten entgegen und fragte laut, was denn in der Schachtel sei.

Also war. Mit überdeutlicher Betonung auf dem Präteritum.

Als ich kam, brach ich fast in Tränen aus. Der geschätzte Gefährte aß das, was noch übrig war. Der F. heulte. Ich rief meine Mutter an und verfluchte die Unfähigkeit meines Sechsjährigen, unbekannte Schachteln einfach dort zu lassen, wo sie sind, und blätterte in Kochbüchern. Man kann ja eine Menge auch noch recht kurzfristig machen. Aber diese Törtchen kann ich nicht mal, wenn ich sehr, sehr, sehr viel Zeit hätte.

Der J. war dann am 24. vormittags im italienischen Supermarkt und kaufte eine Riesenportion Tiramisu, die okay war, aber eben eine Tiramisu und kein Kunstwerk. Und als dann am 24. ein neuer Christbaumständer beschafft (jaja, mal sehen, wo der alte wieder auftaucht), der Baum geschmückt, die Freunde eingetroffen, die Bescherung abgeschlossen und zwei Gänge gegessen waren, löffelte ich entschlossen die Fabriktiramisu aus und nahm mir vor, direkt nach der Jubel-Weihnachtspause das allerschönste Törtchen zu kaufen und vor Ort ganz allein zu verzehren.

Gilbert Grape

Kenne ich, höre ich einem Teenager beim Weihnachtskonzert der Musikschule zu. In den Reihen vor mir wippen kleine und nicht mehr ganz kleine Kinder aufgeregt oder gelangweilt mit den Füßen, und mein Sohn dreht sich ab und zu zu mir um und schaut mir einen kurzen Moment direkt in die Augen. Er hat schon gespielt, langsam fällt die Aufregung von ihm ab.

Kenne ich, denke ich, während der vielleicht Vierzehnjährige angestrengt weiterspielt: Das ist aus „Gilbert Grape“, den ich Anfang der Neunziger gesehen habe, da wohnte ich noch zuhause, und jeden Montag gab es im Kino in der kleinen Stadt einen Film, der als „Der besondere Film“ angekündigt wurde. Das war dann Tarantino. Oder Kaurismäki, Kusturica, irgendwie so.

Von Gilbert Grape weiß noch, dass Juliette Lewis mitspielte, die ich nicht so schön fand wie Winona Ryder, die Audrey Hepburn jener Jahre. Und Johnny Depp, ganz jung mit langen Wimpern, androgyn und hübsch, der scheue Außenseiter spielte, und der ganz junge Leonardo Di Caprio. Ich weiß noch, dass eine dicke Mutter mitspielte, die am Ende in ihrem Haus verbrannte, und dass es darum ging, freundlich zu sein, aber sich selbst nicht dabei zu vergessen, und dass es eine Utopie war, einfach eines Tages aus Liebe mit einem Wagen davonzufahren.

Ich weiß noch, dass ich damals in einen Jungen verliebt war, den ich nie bekam, und mit einem zusammen, der mich langweilte und den sehr schlecht behandelte, aber wochenlang nicht verließ, warum auch immer. Ich weiß, dass ich mir mit meiner Freundin N. wie jeden Montag im Kino eine Schachtel Eiskonfekt teilte, und dass ich in diesem Jahr fast sitzengeblieben wäre, weil ich meinem Widerwillen gegen die Schule endlich nachgeben konnte und an manchen Tagen einfach nicht mehr hinging. Ich weiß noch, wie es war, stattdessen bei meiner Freundin zu übernachten und nachts in ihrem Zimmer im Bett zu liegen, zu zweit auf 90 Zentimetern, und über Dinge zu sprechen, die sehr wichtig gewesen sein müssen, aber ich habe sie alle vergessen.

Ich weiß noch, dass ich mich damals sehr einsam gefühlt habe und sehr unverstanden, dabei stimmte zumindest das mit der Einsamkeit nicht, oder jedenfalls nur so, wie man eben einsam sein kann, wenn man ständig umgeben ist von Leuten. Ich weiß, dass Filme damals wichtig für mich waren und dass ich sehr viel las. Das weiß ich alles, während die kurze Melodie endet, auf diesem Musikschulkonzert an diesem unfassbar grauen Samstag, und als der Junge, der gespielt hat, wieder zu seinem Platz geht, muss ich daran denken, dass ich ewig nichts von Juliette Lewis gehört habe. Dass Johnny Depp der verrückte Hutmacher geworden ist, ein Zerrbild, ein Bajazzo als Howard Hughes. Dass die N. selbst bei Instagram aussieht wie eine unzufriedene Frau mit genug Geld und trotzdem nichts zu Lachen, und dass ich von Glück sagen kann, von unverdientem, unerwarteten Glück, um das ich manchmal zittere, weil nichts auf Erden sicher ist, erst recht nicht: Das.

Immer Abschied

Die reine Wahrheit ist leider, dass er mir jetzt schon fehlt, der kleine Kerl, das tapsige Baby mit den speckigen, kurzen Beinen und dem struppigen Schopf. Das lallende Lachen, das Glucksen, die ausgestreckten Arme und wie er im Dämmerlicht in seinem Bett lag, mit seinen Füßen in der Hand, weich und rund und sehr, sehr warm.

***

Seit ein paar Wochen nimmt er auf der Straße nicht mehr meine Hand. Er ist zutraulich, noch, er erzählt seinen ganzen Ärger, seine Freude, mit wem er gespielt und was er gegessen hat, worauf er stolz ist und seinen ganzen, kleinen Kummer, aber er geht nicht mehr direkt neben mir, ein großer Schatten auf der Straße, sondern ein, zwei Schritte neben mir, 30 Zentimeter Kluft. Ein heller Streifen zwischen unseren Schatten, der wachsen wird, zu Metern werden wird, einige Kilometer umspannen, wenn er die Schule wechselt in eine paar Jahren, sich verbreitern wird irgendwann zu Bahnfahrten, Flügen, ein Korridor aus Leere zwischen Berlin und München, Palo Alto, Heidelberg, Paris, ach, was weiß ich schon, aber ich fürchte ihn schon, diesen Andreasgraben, der sich langsam öffnet, während er Tag für Tag wegwächst von mir.

Die stummen Toten

Ich glaube, sie war eine Cousine. Sie war eine Cousine meines Großvaters, sie war das einzige, späte Kind eines Notars und seiner Frau, die lange seine Köchin gewesen war, bis er sie dann kurz vor der Geburt der Tochter geheiratet hatte. Wenn ich nachrechne, war das 1915.

Irgendetwas war mit ihr. Sie „konnte nicht gut sprechen“, wobei ich nicht weiß, ob das in einer Familie, in der alle durcheinander und sehr, sehr viel sprechen, einfach eine stille, nicht besonders wortgewandte Person bezeichnet. Oder ob sie behindert war. Wie auch immer: Sie besuchte eine Mädchenschule und ging mit 15 ab. Mein Großvater erzählte einmal beiläufig, eine Lehrerin – das waren damals Nonnen – hätte sie beschimpft und geschlagen, so dass sie sich vor Beginn des Schuljahrs einmal im Keller versteckte, eingeschlossen wurde, und erst die Polizei fand sie, die wohl wusste, wo man Kinder wiederfand, die weggelaufen waren.

Sie heiratete nie. Sie führte ein paar Jahre zwei ihrer Cousinen den Haushalt, die eine Buchhandlung führten, und dann bekam sie einen Herzinfarkt, mit knapp über 40, lag noch zwei Jahre im Bett, und starb. Ich weiß nichts über sie: Ein weißes, leeres Gesicht mit straff nach hinten gekämmten Haaren und ein bisschen hängenden Wangen.

***

Das Entsetzen, das den K. befiel, als er feststellte, dass der kleine K. aus seinem Fotoalbum ein anderer K. war. Weil der kleine K., der nicht er gewesen sein konnte, auf dem Schoß seiner Mutter auf der Taufe eines Vetters saß, der tatsächlich zwei Jahre älter war.

Der erste K. war, das bekam der K. aber erst nach vielen, vielen Jahren heraus, ein paar Wochen nach dieser Taufe an Keuchhusten gestorben. Das muss 1952 gewesen sein. Lange dachte der K., er wäre nach dem Tod des ersten K. gezeugt und dann kurzerhand auch K. genannt worden, damit der Schmerz nachließe und alles würde, wie zuvor. Erst nach dem Tod seiner Mutter bekam er heraus, dass er tatsächlich das Kind einer entfernten Verwandten war, und die Eltern ihn kurzerhand adoptierten, was dann sowohl die leibliche als auch die verwaiste Mutter sehr glücklich machte, und den K. lebenslang mit der Frage zurückließ, ob er eigentlich ein ganz richtiger K. ist oder nur eine Art stabiler Schatten eines kleinen, blonden Jungen, den seine Mutter innig umarmt.

***

Dass auf ungezählten Bildern im Fotoalbum der Großeltern des T. in den Vierzigern und Fünfzigern eine junge, dann etwas ältere Frau abgebildet ist, mittelgroß, schlank, lange, dunkle Haare, die keiner kennt und über die keiner etwas weiß, und ca. 1952 ist sie auf einmal weg.

Gold und Lichter

Dieser ewige, unbarmherzige Sommer ist nun doch zu Ende. Die Natur legt sich schlafen, wird weich, löst sich auf in feuchten Blättern und der immer noch warmen Erde. Im Volkspark laufen die Jogger gedämpfter, selbst der Schall ist nun müde, und um die Laternen bildet sich ein goldener Hof aus sattem Licht.

Der F. und sein Freund ziehen mit ihren Laternen am Schwanenteich vorbei und singen leise und ein bisschen verloren ihre Lieder. Ab und zu tauchen Spaziergänger aus dem Dunkel auf, helle Jacken reflektieren, da: Haare und Haut, und versinken wieder in Schwärze.

Komm, sage ich, und der F. greift überraschend fest nach meiner Hand. So viele Abschiede werden wir nehmen in den nächsten Jahren, die kleine Hand wird nicht bei mir bleiben, wird wachsen, wird sich mir entziehen, aber heute Abend läuft er noch einmal mit mir zurück und auf dem Stein dieser Stadt leuchten die Blätter wie das pure Gold dieser Jahre.

Tagebloggen (17.10.18)

Ich habe noch nie ein Hammerklavier live gesehen, und das ist natürlich der beste Grund, sich eins anzuschauen. Außerdem mag ich den neuen Boulez-Saal. Andreas Staier spielt.

Eigentlich, denke ich und lasse die Blicke schweifen, gibt es kaum etwas Intimeres als Leute beim Musikhören. Die leicht geöffneten, gelösten Unterkiefer. Hände, die sich im Takt der Musik ganz leicht bewegen, unwillkürlich, über dunkelblauen Anzughosenbeinen. Ganz gestreckte Nacken. Diejenigen, die bei Musik ganz schlaff werden, und die, die sich straffen vor Feierlichkeit und Erwartung.

Zu sehen gibt es ansonsten nicht viel. Man wird eines Tages nicht mehr verstehen, warum wir alle uns nicht mehr schmücken. Das ganze Grau und Blau, Sie wissen schon. Und warum dieser sparsame Schmuck. Und warum diese innere wie äußere Fasson, warum nicht ein gleißendes, glühendes Zerfließen, so ein Funkenregen, wenn wir doch könnten, und statt dessen: Nur das. Musik.

 

Tagebloggen (16.10.18)

Ich bin gern nachts im Büro. Ich weiß, das klingt ein bisschen absurd, so nach jemandem, der sein Leben nicht vernünftig ausgefüllt bekommt, aber ich mag die Dunkelheit, die Ruhe  eines Bürohauses nach elf. Ich mag die Freiheit, die sich auf einmal ergibt, wenn es auch schon egal ist, wie lange man noch im Büro sitzt. Die Ideen, die einen anspringen, wenn man sich noch eine allerletzte Kanne Tee kocht und über den Hinterhof in Wohnungen schaut, in denen langsam die Lichter ausgehen.

Ich könnte heute abend Freunde anrufen und ausgehen. Ich könnte zu Hause auf dem Sofa liegen und lesen. Ich könnte einfach so den Ku’damm abwärts spazieren. Statt dessen stehe ich mit einer halb vollen Schale Tee in der Hand in meinem leeren Besprechungszimmer, schaue zu, wie die Straßenlaternen das Laub erglühen lassen in spätem Gold, und ziehe spät, sehr spät, die Tür hinter mir zu und fahre heim.

Tagebloggen (15.10.18)

Ich habe seit ein paar Wochen eine BahnCard 100. Leider war ich noch gar nicht so viel unterwegs, wie ich wollte. Aber schon die schiere Möglichkeit beflügelt mich. Wo ich überall hinfahren könnte. Wo Burgen stehen, wo man auf Berge klettern, an Küsten wandern könnte. Welche Städte schön und welche Freunde zu lange nicht besucht wurden. Ich will meinem Sohn Deutschland zeigen. Ich freue mich drauf.

Vorerst – und überhaupt eher häufig – fahre ich beruflich. Heute fahre ich zur Uni, ich unterrichte da nebenberuflich, und freue mich auf mein neues Semester. Anders als viele, die beklagen, was Studenten heute alles nicht könnten, bin ich begeistert von meinen Semestern. So engagiert, so klar und so offen war ich mit Anfang 20, fürchte ich, nicht, und ich freue mich, als ich einen Studenten aus meinem letzten Semester treffe, der in dem Fachgebiet promovieren will, über das ich spreche.

Nach der Vorlesung treffe ich meinen Doktorvater zum Kaffee. Ich habe an einer ziemlich gesichtslosen Uni in NRW studiert und seit ich denken kann, klagt alles über anonyme Massenunis. Ich kann das nicht bestätigen. Ich bin von Anfang an, seit den ersten Seminaren im 3. oder 4. Semester, großzügig gefördert worden, ich bin immer auf Gesprächsbereitschaft gestoßen, auf Menschen, die sich viel Zeit für mich genommen haben. Ich habe sehr gut und sehr komfortabel betreut mit einem Stipendium promoviert, war lange Mitarbeiterin und habe viel über Wissenschaft, über Gremien, über Menschen generell und über Büros gelernt, und lehre bis heute. Wenn ich heute an der Uni bin, dann komme ich heim. Uni ist, was man draus macht.