Das ganze Internet hat den ganzen November Adventskalender für seine drei Kinder und vier Patenkinder handgeklöppelt, nur der J. und ich und Leute, die Kindergeburtstage bei Mac Donalds feiern, haben einen gekauft. Mit Schokolade. In unserem Fall auch noch bei IKEA. Aber wir können das erklären.
Tatsächlich war der selbstgefüllte Adventskalender vor zwei Jahren kein Erfolg. Entweder steckte Schokolade drin, dann freute Sohn F. sich sehr. Oder es waren Zungentattoos, Luftballons, ein Minikreisel, ein Jo-Jo, also so Sachen, die man ansonsten in Geburtstagstütchen tut, und die wurden nur flüchtig angesehen und verwandelten sich flugs in Dinge, die die vielen Spielzeugkisten des Sohns verstopfen. Seitdem also Schokolade. Die isst zwar auch nicht immer der Sohn, aber irgendwer hier wird sich schon opfern.
Neben 22 Stück Schokolade enthält der IKEA-Adventskalender auch noch zwei Gutscheine: Am sechsten und am 24. Dezember gibt es je einen Gutschein mit einem Nennwert von mindestens fünf, maximal 1.000 EUR. Mindestens zehn EUR vom Kaufpreis bekommt man also zurück. In unserem Fall: 10 EUR schenken wir dem F., der sich dafür bei IKEA etwas kauft.
Im vergangenen Jahr blieb es bei den zehn EUR. Nun sind zehn EUR bei IKEA durchaus Geld. Man kann eine Pizza aus Plüsch kaufen, die des F. Lieblingsbär sehr gern isst. Oder einen Plüschpanda, damit der Lieblingsbär endlich Babies bekommt. Oder zwei große Dosen Bügelperlen, wenn man geheime Aggressionen gegen seine Eltern hegt. Der F. kaufte aber nichts davon. Der F. legte noch drei EUR drauf und kaufte Hai.
Hai ist einen Meter lang und aus Plüsch. Sein Bauch ist weiß, ansonsten ist Hai blau. Er verfügt über eine imposante Rückenflosse und viele Zähne. Die sind allerdings auch aus Plüsch. Hai ist nicht so doll gestopft, daher ziemlich weich, ungefähr so wie ein Kissen, deswegen kann man gut auf Hai schlafen oder man lehnt sich gegen Hai oder man legt zumindest seinen Kopf in die Kuhle zwischen Hais Schwanz und seinem Rücken.
Der F. liebt Hai also sehr. Ab und zu spricht er mit Hai. Hai und er sind sich oft einig: Beide essen zum Beispiel gern Fisch. Sie finden den Sportlehrer unsympathisch, lesen aber gern. Abends sind sie noch nicht müde, finden morgens aber nicht aus dem Bett. Beide haben viele Freunde, die im Falle des F. aus Fleisch und Blut, im Falle des Hai auch aus Plüsch bestehen, aber manchmal fühlen sie sich einsam.
Nun aber naht die Rettung. Am 24. Dezember wird der F. Eigentümer von zwei IKEA-Gutscheinen sein. Zwischen den Jahren will er die Gutscheine einlösen. Er hat Hai mindestens einen Gefährten versprochen, denn auch dieses Jahr soll gegen eine Zuzahlung von nur drei EUR ein – diesmal weiterer – Hai erworben werden. Und vielleicht, so hat der F. dem Hai offeriert, hätten beide ja Glück und würden einen großen Gutschein im Adventskalender finden. Und dann würden für 105 EUR sieben Haie gekauft und noch ein bisschen Zuckerzeug dazu. Oder der F. gewinnt das große Los und kann 77 Haie kaufen.
Zumindest im letztgenannten Fall behalten der J. und ich uns allerdings vor, dem F. seine nur beschränkte Geschäftsfähigkeit gem. § 106 BGB entgegenzuhalten und ihm mitzuteilen, dass wir einem entsprechendes Geschäft keineswegs zustimmen.