Tagebuchbloggen

Oktober, 9

Als der Wagen anspringt, starre ich wie gebannt auf den großen, runden Tacho. „Wo ist denn …“, zischt der J., und dann fahren wir los. Es ist ganz einfach. Der Car Sharing-Wagen von Drive Now gleitet wie ein ganz normales Auto die Greifswalder abwärts. Hinterm Rosenthaler Platz halten wir an.

Wir haben nicht reserviert, und eine feste Vorstellung, wo es hingehen soll, haben wir auch nicht. Wir sind nur hier, weil der Babysitter Zeit hat und beim F. weilt, und so laufen wir wie Schulkinder, die hitzefrei haben, durch den Abend: Unverhoffte Freizeit.

Für einen Dienstagabend ist es überall schrecklich voll. Im Mani gibt es keinen Tisch mehr für uns. Im Toca Rouge sieht es auch nicht besser aus. Ins Themroc gehen wir nicht, weil das Tagesmenü nicht so lecker klingt, und so biegen wir schließlich ganz am Ende der Torstraße nach rechts ab und gehen schließlich ins Rutz. Also unten. In der Weinbar, nicht oben im Restaurant.

Zwei Plätze gibt es auch noch. Auf Barhockern sitzen wir direkt am Fenster und schauen den Gästen zu, die teils schon leise schwankend die Treppe herunterwanken und manchmal auch wieder hinaus. Ich esse das regionale Menü, drei Gänge mit Kaninchen als Hauptgang und einer sehr, sehr guten Desservariation, die eine Mini-Apfeltorte, zwei runde karamellisierte Apfelkugeln und eine Nocke Apfelsorbet enthält. Alles ist sehr, sehr gutaussehend und schmeckt göttlich. Leider vergesse ich den Namen des Dessertweines sofort. Es war eine Riesling-Spätlese, und ich hätte gern noch viel mehr davon gehabt.

Sehr gern hätte ich auch dem J. sein Essen weggefressen. Die Vorspeise mit der Blutwurst. Das Hauptgericht mit einem so zarten Tafelspitz, dass es nicht einmal ein Messer dazu gab, und das ungeheuerlich leckere halbflüssige Schokoladentörtchen danach. Leider gibt der J. nichts ab.

Kurz nach elf sind wir wieder daheim, geben dem Taxifahrer zuviel Trinkgeld für seine Brummigkeit und lassen uns daheim erzählen, dass unser Sohn ein wahrer Engel sei. „Schlaf weiter, Baby!“, streichele ich dem Kleinen die Stirn, als ich selbst schlafen gehe, und schmecke dem Essen nach und dem Abend und male mir aus, wie ich dem F. alles zeige, was man so essen kann, wenn er erst größer sein wird und auch etwas davon hat.

Oktober, 8

Seit neulich in der Zeitung stand, dass die Berliner Schulen nicht in der Lage sind, Kindern genauso gut Lesen und Schreiben beizubringen wie woanders, bin ich dann doch ein bißchen besorgt. Nicht, dass ich es auf eine herausragende Schulkarriere des F. anlege. Tatsächlich ist mir seine Abinote komplett egal. Ich möchte aber vermeiden, dass er mit 18 weder weiß, wann die Kreuzzüge stattgefunden haben und warum, und auch nicht recht zu sagen weiß, was Klassik und Romantik unterscheidet. Vielleicht kann man es ungefähr so ausdrücken: Noten sind mir schnurz. Bildung nicht, und ich fürchte, dass das Berliner Schulssystem dieser Bedarfslage weniger entspricht, als ich es möchte.

Auf der anderen Seite will ich auch keine Privatschule, die den Leistungsgedanken mehr betont, als ich es angemessen und elegant finde. Ich denke bis heute, dass Bildung etwas Unangestrengtes haben sollte. Zudem stelle ich mir unter Bildung etwas vor, was sich nicht in Geld und Positionen niederschlagen soll, sondern vielleicht eher so in der Fähigkeit, vernünftig zu kommunizieren, ohne sein Gegenüber – beispielsweise seine Mutter – zu langweilen. Oder in der Oper sofort zu wissen, woran einen das Bühnenbild erinnert, und wieso dieser Bezug nun partout nicht passt. Solcherart, fürchte ich, ist es aber nicht, was man in Berliner Privatschulen erlernt. Die wollen doch entweder Tanztherapeuten oder Investmentbanker erziehen. Es mag sein, dass die etwas besser abgehangenen kirchlichen Institute noch derlei vermitteln, aber dazu müsste der F. erst einmal Christ werden, und für die damit verbundenen Zeremonien sind der J. und ich zu atheistisch und zudem zu faul.

Außer der Sorge um den Bildungsgrad des F. treiben mich gerade eher wenig Sorgen um. Von mir aus mag die Inflation kommen. Ich habe gerade kein Geld. Ich mag die dilletantischen Versuche des Gesetzgebers, das deutsche Gemeinwesen zu organisieren, und noch viel mehr schätze ich den europäischen Gesetzgeber für seine Querschläge, denen ich schon viele amüsante Stunden verdanke. Ich könnte etwas abnehmen, aber nach wie vor schmeckt mir das Essen zu gut, um wirklich weniger zu nehmen, und so liege ich um halb zwölf recht zufrieden im Bett, lese ein paar Seiten im neuen Krausser und bin zufrieden mit der Welt und dem laufenden Jahr: Verweile doch. Du bist so unterhaltsam.

Oktober, 7

„Wir waren doch schon zur Hochzeit zu spät.“, jammere ich und laufe so schnell ich kann. Neben mir schnauft der J. im Anzug. Nur der F. schnauft nicht, aber der wird ja auch gefahren. Hochzufrieden schaut der Kleine uns zu auf unserem eiligen Weg zur Kirche. Atemlos und leicht verschwitzt schleichen wir uns die drei Stufen hoch, schnell durch die Tür und dann in die letzte Reihe. In der ersten Reihe sitzt J.2 mit Familie. Heute wird seine Tochter getauft.

Zum Glück macht der F. keine Anstalten, den Gottesdienst zu stören. Eher werden der J. und ich etwas unruhig, weil wir in den letzten Jahren verlernt haben, noch irgendwo zu sitzen und ohne iPhone zuzuhören. Außerdem ist der Gottedienst nicht so spannend. Ungefähr eine halbe Stunde warte ich auf die eigentliche Taufe, aber dann zieht sich die ganze Angelegenheit noch Stunden um Stunden. Zumindest kommt es mir so vor.

Nach dem Gottesdienst finden wir uns mit der Festgesellschaft zusammen. Fast alle Teilnehmer des Gottesdienstes gehören dazu. Einfach so erscheint hier offenbar niemand, um am Sonntag morgen dem lieben Gott in Friedrichshain zu huldigen. Ich schüttele ziemlich viele Hände, erneuere alte und ganz alte Bekanntschaften, schließe neue, und freue mich, dass es so ungeheuerlich viele Kinder hier gibt, die alle ziemlich nett aussehen, so dass es auch gar nicht auffiele, wenn mein eigenes Kind sich schlecht benähme und etwa schreit. Tut es aber nicht, das eigene Kind.

Auch beim Mittagessen ist der Kleine ruhig. Ich rede nach links und rechts, höre mir Anekdoten über Immobilien, Reisen und Familie an, liefere mein Geschenk ab und esse zu viel, und die ganze Zeit sitzt mein Baby mit weit aufgerissenen Augen auf meinem Schoß und in seinem Wagen. Alte Tanten lassen ihn mit Schmuck spielen, kitzeln ihn, man kneift ihn in die Wange, und der F. gluckst fröhlich und isst große Mengen Brot.

Als wir das Lokal verlassen, schläft der F. auf der Stelle ein. F. ist groggy. „Wieso sind wir eigentlich immer zu spät?“, jammere ich schon wieder, hechte in meine Wohnung, reiße dem F. die Windeln ab und springe schon wieder los. Mit mir springen der J. und der F., letzterer wieder im Wagen.

In der M 4 schreibe ich eine Besänftigungsmail an die I. Aus der S 9 eine weitere, und als wir geschlagene 60 Minuten später im Grunewald am Kaffeetisch sitzen, entschuldige ich noch einmal für diese gigantische Verspätung. Irgendwie scheint sich aber keiner zu wundern. Man kennt mich. Man sagt kein Wort und gibt mir einfach Torte.

Den Rest des Tages verbringe ich bei der I. und dem S. auf dem Sofa. Ich trinke Sekt, rede so über dies und das, gratuliere zu einem neuen Job und einem neuen Haus, spiele mit dem Kind der M. und des M. und esse zu viele Chips. Mein F. kriecht unterdessen mit neuerworbener Mobilität unter ein Sofa. Ich sollte ihm ein Staubtuch unter den Bauch binden, überlege ich und ob es irgendwo im Netz einen Staubtuch-Strampler gibt, und denke darüber nach, ob auch ich meine Wohnung farblich mehr gestalten sollte. Die I. hat – ebenso wie die M. – immer ziemlich gute Einrichtungs- und Dekorationsideen. Ich habe überhaupt kein Ambiente. Nur Möbel.

Irgendwann laufen wir den Weg zurück zur S-Bahn. Schön ist es hier. Rechts und links säumen Villen den Weg. Vielleicht wohne ich hier, wenn ich alt bin, male ich mir aus, und überlege, wann das wohl sein wird, als ich schlafen gehe, irgendwann ziemlich spät.

„Wann sind wir alt?“, frage ich den J., als er ins Bett kommt, irgendwann kurz nach zwölf. „Später.“, beruhigt er mich, und dann schlafen wir alle drei.

Oktober, 6

Lange hat sich der Sommer gehalten. Wie manchmal ein schon mürber, brüchiger Ast noch an einer letzten Faser hängt, schon zu schwer eigentlich für den Baum, täglich etwas tiefer gebeugt vom Gewicht des toten Holzes, lehnte der Sommer spät und träge noch in den Ecken, saß auf den Bierbänken am Schwanenteich, aß Tag für Tag ein letztes Eis, und musste dann doch mit Sack und Pack verschwinden. Letzte Woche war das. Vielleicht am Freitag. Seine Sandkastenschaufeln nahm er mit, seine kurzen Ärmel und nackten Beine, und so ziehe ich los am Samstagmorgen und kaufe ein: Strumpfhosen. Eine Mütze. Strumpfhosen aus Wolle für den F.

Weil ich schon einmal da bin, kaufe ich noch ganz viel anderes Zeug. Ich habe noch nie so viel Geld bei dm gelassen wie in diesem Jahr. Diese ganzen Drogeriefilialen machen vermutlich 90% ihres Umsatzes mit jungen Müttern, mutmaße ich und fühle mich mit einem Blick auf die anderen Kunden bestätigt. So gut wie jeder hat ein Kind dabei. Nur der Kerl dahinten …. der ist bestimmt allein. Doch auch in dessen Korb: Schmelzflocken. Ein Breisauger. Die Sache ist klar.

Später schlafe ich zwei Stunden und lese ein bißchen und spiele ein bißchen mit dem F. Dann schlafe ich weiter. Erst so gegen sieben werde ich wieder wach und koche hastig Brei. Schnell füttern und los. „Wieso sind wie eigentlich wieder im Alt Wien verabredet?“, frage ich den J., der zufrieden und genießerisch schweigt. Wenn es nach dem J. geht, essen wir hier täglich.

Kurz nach uns erscheinen Mek und die K. Heute gibt es Schnitzel, rosé Sekt, danach ungeheuerliche Mengen Mehlspeisen, und wir erzählen und gegenseitig lauter Geschichten, die alle sehr, sehr interessant sind, aber wegen des Sekts habe ich am Ende alles wieder vergessen. Aber schön war’s, das vergesse ich nicht.

Hochzufrieden wirkt auch der F. Er muss pappsatt sein nach seinem Brei und dem halben Brotkorb und ein bißchen Kaiserschmarrn zum Schluss, quietscht aber fröhlich und hochaktiv auf dem Weg nach Hause und streckt seine Hände nach den Bäumen aus. „Den bekommen wir heute nicht so schnell ins Bett.“, vermute ich vor der Tür, und der J. seufzt ein bißchen vor sich hin. Es ist irgendwie so ungefähr elf.

Dann schläft der F. aber doch sofort ein, und ich selbst schlafe nicht allzu viel später.

Oktober, 5

Um 18:30 k0mmt die K. Die K. ist Ende 40, weder besonders hübsch noch besonders klug, wie mir scheint, aber liebevoll und erfahren mit kleinen Kindern, vielfach empfohlen im Freundeskreis, und immer, wenn ich in der Zeitung lese, dass es Leute gibt, die für Kleinkindbetreuerinnen Hochschulabschlüsse fordern, denke ich an die K., die keinen Hochschulabschluss hat, aber etwas besitzt, was man nicht studieren kann: Herzenswärme. Kinderliebe. Und einen nie versiegenden Vorrat an Spielchen, Liedern, Reimen und Geschichten.

Als ich die Tür hinter mir zuziehe, steht die K. im Flur. Auf ihrem Arm lacht der F. Den ganzen Abend wird er nicht weinen, erfahre ich, als wir wieder da sind, und der F. selig schlummernd in seinem Bettchen liegt und träumt.

Der J. und ich laufen die Straße herunter. Wir sind um die Ecke verabredet, im Alt Wien, wo es nach Ansicht des J. die besten Schnitzel der Stadt geben soll. Heute gibt es aber keine Schnitzel, zumindest nicht für den J., heute gibt es Reh für ihn und Rostbraten für mich, eine Frittatensuppe vorab, danach Marillenknödel, und mit uns essen Frau Wortschnittchen samt Gemahl und erzählen von Krakau. Und von der kleinen Stadt. Und ich erzähle vermutlich doch viel mehr vom Baby, als ich das irgendwann mal so vorhatte, bevor es da war, das Kind, und außerdem sprechen wir irgendwann über die kleinen Bühnen, die Konzerthäuser in der Provinz, die Zahnarztgattinnen in ihren Pelzen und die gedeckten Tischchen in der Pause mit Piccolo und Schnittchen.

Ein bißchen Heimweh nach besseren Zeiten weckt dieses Gespräch, bemerke ich erstaunt, obwohl ich die Zahnarztgattinen nie mochte und sie und ihre Freundinnen immer verachtet habe für ihre Borniertheit und ihren eklektischen Geschmack. Dass es trotzdem besser ist, es gibt das alles, weiß ich inzwischen, denn wenn die Zahnarztgattinnen fehlen, reicht es nicht mehr in den kleinen Städten für die Kulturvereine, die Lesungen in der Buchhandlung am Marktplatz und die Haumusik für gute Zwecke. Dann gibt es nur noch die Solarien und das Multiplexkino und die Leute, die man sehen kann, wenn man im Alexa etwas kauft.

Gar nicht so spät brechen wir auf. Ich bin müde. Zwanzig Minuten lese ich noch den Bolaño, den mir Mek zum Geburtstag geschenkt hat, und verliere mich dann in Träumen, die ich mir nur angenehm vorstellen kann.

Oktober, 4

Morgens auf dem Weg zur Arbeit fast in eine Gruppe Schüler hineingefahren, die schwatzend auf der Straße standen und mich unbewegt auf sich zurollen sahen. Ich werfe einen Blick auf das Schild an der Schule, vor der die Dreizehn- oder Vierzehnjährigen warten. Es ist eine Stadtteilschule. So heißen hier die Gesamtschulen. Fühle mich bestätigt. Vor einem altsprachlichen Gymnasium sähe das anders aus, bin ich überzeugt.

Mittagspause entfällt. Hastig esse ich am Schreibtisch, tippe nebenbei zwei SMS, und bevor ich mich umdrehe, muss ich heim. Keine Ahnung, wie Leute in Teilzeit ihre Tage strukturieren, sinniere ich auf dem Weg nach unten und bestelle mir ein Taxi. Es regnet noch immer.

Dem J. ist die Kürbissuppe missraten. Ich bin enttäuscht. Der F. spuckt unglaublich viel Milch auf meine Hose. Die Katze wetzt ihre Krallen an meinem Mantel, lässt sich widerwillig wegjagen, lugt schon wieder halb um die Ecke: Da! Da sitzt sie und macht sich, kaum schaue ich weg, schon wieder über meinen Mantel her. Immerhin lacht und brabbelt der F. Der hat’s gut, denke ich mir. Der kann bei schlechter Laune einfach motzen und wenn’s nicht schmeckt, wirft er den Brei halt in der Gegend herum.

Abends muss ich arbeiten und bin noch schlechter gelaunt. Wein ist auch nicht mehr da. Wer was will, muss sich etwas holen, sage ich mir, ziehe mir Stiefel an und laufe los. Côtes du Rhône und Rauchmandeln und noch einmal schnell zur Bank.

Schön ist es, schaue ich auf. Mild noch die Luft. Lautlos sinkt das rotgoldene Laub durch den schwarz-stumpfen Himmel.

Oktober, 3

Weil M. und M. irgendwo in Biesdorf grillen, gehen wir allein zum Frühstück. Warm ist es, nutzlos hängen die Jacken über dem Kinderwagen des F., und vor den Cafés sitzen die Nachbarn noch ganz ohne Decken über den Knien und lesen Zeitung. Schwer schon vor Spätsommer und vom Tod schon ganz benommen taumeln die Wespen über den Tischen.

Im Tous le jours frühstücken wir zwei Stunden lang. Der F. isst ein Gläschen leer, verlangt mehr und bekommt eine halbe Semmel in Stücken. „Schreib doch der I.“, schlägt der J. vor, und dann brechen wir auf.

Quer durch den Prenzlberg laufen wir durch die Sonne. Am Kollwitzplatz vorbei, wo Leute noch Buffets essen, die ich für Touristen halte, aber man weiß ja nie. Früher haben wir immer Buffet gefrühstückt, erinnere ich den J., und dann zählen wir uns die Lieblingsbuffets auf aus den letzten zehn Jahren. Anastasia, sagt der J. Nolas, sage ich. Pappa e Ciccia sagen wir beide. Früher konnten wir mehr essen als heute, stellen wir fest, und dann laufen wir die Schönhauser herab.

Bei Zeit für Brot isst der J. eine Zimtschnecke. Das geht gerade, weil der F. nämlich schläft, und dann laufen wir so quer durch Mitte, vorbei am scheußlichen Dos Palillos, dann durch die Gipsstraße, so quer durch die Augusstraße und dann bis zum Pauly Saal. Hier waren wir noch nicht, bedauern wir, also mal abgesehen von einem Drink im Winter mit dem F. in der Manduca nach einer Vernissage.

So Höhe Weinbergspark antwortet dann die I. und wird in der Rykestraße getroffen. Ihr Kind schläft im Buggy. Vor Albrecht sitzen wir schließlich, es gibt Törtchen und Rhabarbersaftschorle, auch der R. ist eingetroffen und noch ein Paar mit zwei Kindern, und überglänzt von Sonne, umhüllt vom Air der letzten schönen Tage reden wir so dies und das, vom Urlaub vielleicht, von irgendwelchen Käufen, von unseren Eltern, von Kitas, und, ja, von Weihnachten reden wir auch.

Zu Hause gibt es irgendwann Gulasch. Ich koche nie weniger als drei Kilo Rindfleisch und friere dann ein. Zuzubereiten gibt es also eigentlich nichts. Im Bett liege ich deswegen, neben mir liegt der F. und spielt mit seiner Giraffe, und ich lese Bolaño.

Draußen ist es schon dunkel.

09.06.2012

Jahrelang eröffnete mein Vater Telephonate mit den Worten „Gibt’s dich auch noch.“, um so dezent anzudeuten, dass man vielleicht etwas öfter anrufen könnte. Inzwischen fragt er meistens direkt und umschweifelos „Was macht der Kleine?“. Gestern aber, weil unsere Haustürklingel kaputt ist und er zehn Minuten auf der Straße vor der Tür stehen musste, waren seine ersten Worte „Ihr seid ja doch zu Hause!“. Dann lud er die mitgebrachten Geschenke ab und verlangte Kaffee. Im Anschluss griffen meine Mutter und er nach Kind F. und ließen es bis zum Abend nicht mehr los.

„Ihr wollt nicht zufällig den Kleinen einfach hier lassen, wenn ihr fahrt?“, fragte mein Vate irgendwann zwischen Eis und Erdbeertorte und hob das jauchzende Kind F. hoch über seinen Kopf. Ich schüttelte den Kopf. „Schade.“, meinte mein Vater und ließ sich erklären, wo sich bei uns der Sicherungskasten befindet und wo die M 4 abfährt, denn eine der fünf Wochen unserer Abwesenheit werden meine Eltern in unserer Wohnung weilen. Die anderen vier Wochen wird die Wohnung von den Eltern des J. und anderen Verwandten bewohnt.

„Habt ihr schon gepackt?“, fragt meine Mutter etwas später, obwohl die Abreise noch mehr als eine Woche in der Zukunft liegt, und ich verneine. Wir haben gar nichts. Wir haben Pässe und diese elektronischen Visa, die man jetzt braucht, wenn man in die USA reist, und ansonsten kaufen wir alles, was wir vergessen, da. Vergessen werden wir vorhersehbarerweise eine ganze Menge, denn wir werden nicht vor Sonntag abend packen, und Montag geht es dann los.

Ich freue mich. Ich freue mich sehr.

(Abends bei der M. und dem M. ein total langweiliges Fußballspiel gesehen. Pizza gegessen. Zwei alkoholfreie Bier, recht früh daheim und im Bett die Autobiographie von Fritz J. Raddatz weiter gelesen, gleichermaßen peinigend und amüsant.)