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Journal :: 25.02.2011

Bis so circa 2005, bilde ich mir ein, konnte man in Berlin meistens ohne Reservierung überall hingehen. In den letzten Jahren ist das schwierig geworden, meistens reserviere ich spätestens mittags für abends, und so sind der J. und ich kein bißchen überrascht, dass es in der fleischerei ohne Reservierung keinen Tisch mehr für uns gibt.

Ins Pappa e Ciccia könnten wir gehen. Ins femmina morta, schlage ich alternativ vor, aber schnell muss es gehen, schnell, schnell, schnell, denn es ist so elend kalt heute nacht, dass ich auf keinen Fall lange zu Fuß irgendwo hin laufen will. Ich komme direkt aus dem Büro: Ich habe nicht so richtig viel an.

Am Ende ist es dann das Filetstück. Gerade in dem Moment, in dem wir fragen, wird ein Tisch frei. Wir nehmen den Wurstteller aus der Vitrine wie immer. Ich trinke Wasser, weil es gestern ein Glas Wein zu viel gewesen ist. Ich nehme das grandiose Filet von Donald Russell, medium rare, einen gemischten, letztlich unspektakulären Salat und eine Art aufgeschäumte Hollandaise, die an sich ganz gut ist, aber etwas zu butterig für das Fleisch. Ich vermisse ein bißchen das Risotto, das sie hier sonst immer hatten.

In meinem Kopf läuft der Tag immer weiter. Das Klima. Das Berlinklima. Das Weltklima. Die Klimakatastrophe. Ein Stück Klimawandel, fällt mir dazu ein, liegt vor mir halbgegessen auf dem Teller. „Kühe sind Klimakiller.“; gebe ich mit einem Hauch schlechten Gewissens zu Protokoll, und der J. nickt schuldbewusst über seinem Entrecote vom pommerschen Rind. Könnte man bei der netten Kellnerin den Treibhauseffekt der verzehrten Kuh kompensieren, mit Freuden bestellte ich statt eines Kaffees einen Ablass, aber so laufe ich nicht allzu spät mit dem J. die Danziger heim, zufrieden mit mir, mit der Kuh, und nur das Weltklima ist so ein Punkt, den ich heute nacht nur ungern bedenke.

(In der fleischerei wäre das aber auch nicht anders gewesen.)

Journal :: 24.02.2011

Die ganze Welt spricht über nichts anderes als das erschlichene Doktorat des Verteidigungsministers, und von den Ministerialbeamten beim Mittagessen in Mitte über die beiden Ingenieure nachmittags bei einem beruflichen Termin bis hin zu den anderen Anwälten im Büro und dem ehemaligen Kollegen abends im Dave Lambardo am Zionskirchplatz ist man sich komplett einig: Das ist das unrelativiert Letzte auf Erden. Welche angeblich unterstützenden 87% der Bevölkerung die Bildzeitung gefragt haben will – wir waren nicht dabei. Diese 87% – so ist man sich einig – hat die Bild vermutlich erfunden.

Am meisten enttäuscht sind alle über Merkel. Wie man denn könne. Was denn das soll. Wenn man sich irgendwann fragen wird, wie die CDU aufgehört haben wird, eine bürgerliche Partei zu sein, dann wird man wohl bei ihrem Statement landen, sie habe keinen wissenschaftlichen Assistenten berufen, und auch wenn niemand von uns die SPD wählen wird, die Leute wie uns als Latte Macchiato-Trinker verleumdet, als sei das irgendwie ehrenrührig, verliert die CDU in diesen Tagen nach und nach an Rückhalt bei Leuten, die sich immer für bürgerlich-konservative Wähler gehalten haben. Man legt, das hätte man nicht deutlicher sagen können, keinen Wert auf Leute wie uns mit unseren Vorstellungen davon, was richtig ist und was falsch.

Journal :: 23.02.2011

Hier bin eigentlich nie. Von der S-Bahn Ostkreuz laufe ich nach Norden, rechts in die Boxhagener, und es ist so kalt, als läge Berlin auf der dunklen Seite des Mondes.

Das Matreshka liegt nur ein paar Häuser weiter, kein Restaurant, eher Café, gefliest und ein bißchen folkloristisch dekoriert. Für einen Mittwoch ist es gut besucht, es gibt ein paar eher einfache Gerichte, die ganz gut schmecken, Borschtsch, Wareniki, solche Sachen, und es ist bodenlos billig. Der kleine, blonde Kellner gibt uns Wodka aus, ich trinke aus Neugierde eine Fichtennadellimonade namens Taiga und ein Birkenwasser und erzähle der J. alles Mögliche über mein Dasein, auch wenn in meinem Leben bekanntlich so gut wie nichts passiert, weil ich das langweiligste Leben von ganz Berlin führe. Im Gegenzug berichtet mir die J. von ihrem neuen Job und der Abwicklung ihres alten.

Mit der J. trinke ich erst auf viel Glück im öffentlichen Dienst und dann auf die abwesende C. Für den dritten Wodka fällt uns erst nichts ein, dann trinken wir auf den Sommer, weil es ja so nicht weitergehen kann, und für einen Moment sehne ich mich fast körperlich nach der feuchten Hitze der Hochsommernächte. Nach dem Geruch nach Asphalt, nach Abgasen und blühenden Bäumen. Nach dem Bellen der Hunde im Görlitzer Park. Das leise Lachen der öffentlich küssenden Paare. Gläserklirren. Späte Fahrradfahrten und das Rascheln des Windes in Blättern. „Auf die Sonne!“, hebe ich mein Glas. Auf die Grenzenlosigkeit. Auf den Übermut und auf die leuchtenden Nächte. Auf Grillen im Park, auf kurze Kleider. Auf den Schlachtensee. Auf Sonnenbrillen und Sekt. Auf einen ewigen, tönenden Sommer.

Dann stoßen wir an.

Journal :: 22.02.2011

Mir ist so kalt. Ich habe ein graues Jerseykleid an, eine Wollstrumpfhose und über den Schultern eine Stola in Magenta, aber es hilft alles nichts. Meine Beine sind bis auf die Knochen durchgekühlt; ich spüre die Knochen ganz deutlich in dem kalten Gewebe. Kältestarre Füße habe ich auch. Meine Hände schiebe ich in die Ärmel, das bringt zwar nicht viel, aber meine Arme sind immer noch wärmer als die Luft. Es ist eisig in der Clinker-Lounge der Backfabrik, und wenn nicht Helmut Krausser lesen würde, sondern irgendwer, den ich weniger großartig finden würde, würde ich aufstehen und gehen.

Krausser liest aus seinem neuen Buch, das Die letzten schönen Tage heißt. Er liest gut. Krausser hat eine angenehme Stimme, ich würde auch noch deutlich länger als die eine angekündigte Stunde zuhören, selbst bei dieser unglaublichen körperzersetzenden Kälte, aber auch Krausser friert, und so bleibt es bei der angekündigte Zeit. Um eine Art Dreiecksgeschichte scheint es sich zu handeln: Serge ist Werber und ein wenig verschroben. Kati ist seine Freundin und unterhält eine Affäre mit David, der wiederum Kollege von Serge ist. Sowohl Serge als auch David klingen hochgradig unsympathisch, und ich frage mich auf dem Heimweg, ob man eigentlich auch als Mann viel mehr Männer als Frauen sonderbar findet. Frauen, so kommt es mir vor, tendieren in Art und Güte mehr zur Mitte, während Männer sich qualitativ mehr so an den äußeren Enden der Güteskala ballen und entweder reizend sind oder ganz, ganz grässlich. Vielleicht denke ich das aber auch nur, weil ich so friere.

Zu Hause friere ich immer noch. Ich drehe die Heizung etwas höher, ich koche mir einen Tee. Es soll Risotto geben, ich rühre ein wenig im Topf herum und schaue auf die Uhr. Ich esse selten vor zehn. Das soll ungesund sein, aber ich hoffe, das gilt nur, wenn man vor acht auch schon etwas gegessen hat.

Ich habe das Buch von Krausser leider nicht erworben, bedaure ich und ziehe mich aus. Ich hätte es gern gekauft, das schon, aber an Bargeld hatte ich nicht mehr gedacht, und so hängt die Geschichte von Serge, Kati und David jetzt ein wenig in der Luft bis zum nächsten Wochenende. Noch, spüle ich mir den Mund aus und suche nach meiner Brille: Noch ist alles möglich.

Journal :: 21.02.2011

„Ach!“, stöhne ich und gieße vorsichtig Olivenöl in die Mischung aus Weißweinessig, Senf und Honig. Schreiben würde ich schon gern noch ein bißchen. Mir fällt nur nichts ein.

Dass es schrecklich kalt ist, wissen die sehr verehrten Leser schließlich auch selbst. Dass mir auf dem Weg zum Mittagessen fast die Ohren abgefallen sind, will ganz bestimmt keiner wissen, und dass ich mir heute mittag in der Ming Dynastie an der Jannowitzbrücke mit Kollegen das wahnsinnig gute Rindfleisch Bauern Art, die ebenso gute Aubergine im Tontopf und dazu den Wasserspinat geteilt habe, ist jetzt vermutlich auch nicht so unbedingt spannend. Man konnte sein eigenes Wort kaum verstehen, weil an den beiden anderen runden Tischenim Raum jeweils zehn Chinesen saßen und sotto voce aufeinander eingeredet haben.

Um sich für die drei Stück Geburtstagskuchen zu interessieren, die ich heute gegessen habe, muss man mir schon wirklich sehr nahestehen. Auch nur mir nahezu unwahrscheinlich eng verbundene Personen mögen mir noch zuhören, wenn ich ein bißchen herumstöhne, dass ich nicht einfach morgens im Bett bleiben und ganztags Bücher lesen kann. Von dem Flug nach Brüssel zur C., den ich vorhin gebucht habe, erzähle ich besser, wenn ich ihn angetreten haben werde, und ansonsten, ja ansonsten – tja ansonsten – ist so ein Montag vielleicht dann auch einfach nur fad und sonst nichts.

Journal :: 20.02.2011

Auch ich möchte an dieser Stelle ein Geständnis ablegen: Ich bin faul. Ich beherrsche die Kunst, stundenlang fast bewegungslos auf dem Sofa zu liegen, mit oder ohne Buch, und wenn man mich nicht irgendwohin bestellt, dann bleibe ich einfach liegen und hypnotisiere die Decke. Ich habe erst kürzlich fünf neue Sofakissen und einen Grandfoulard gekauft. Diese Anschaffung soll sich jetzt amortisieren.

Weil ich ohnehin nicht plane, heute das Haus noch einmal zu verlassen, kann ich mich nicht einmal zum Duschen motivieren. Ich habe vage vor, irgendwann nachmittags in die Sauna zu gehen, da muss ich ja nicht vorher … rechtfertige ich die Reinlichkeitsverweigerung und lese erst Homer & Langley zuende und fange dann mit der Geschichte der Liebe an. Zwischendurch esse ich drei Scheiben Weißbrot mit Käse, trinke zwei Kannen Tee und esse eine Kiwi. So gestärkt wasche ich 30° dunkel, bereite vier Schälchen Bayerische Creme zu und stelle sie in den Kühlschrank. Dann lege ich mich ins Bett und schlafe erschöpft ungefähr neunzig Minuten.

Als ich erwache, ist es schon ziemlich dunkel. Die Sauna hat sich erledigt, denn gegen sieben kommen der R. und die I. mit der drei Wochen alten Tochter C., und so stehe ich auf, trinke ein großes Glas Wasser und koche. Es gibt Blumenkohlsuppe, so etwas säuerlich mit Zitronenzesten und Pfeffer, weil ein Blumenkohl in der Biokiste war, die ich wöchentlich je Freitags beziehe. Außerdem soll es eine Lasagne geben. Ich koche also Bolognese und eine Béchamel, ich schichte Nudelplatten, ich decke den Tisch und warte. Irgendwann erscheinen dann fast gleichzeitig der J., der R. und die I. Ich binde sofort die Schürze ab und setze mich zu Tisch.

Für den Rest des Abends bewegt sich eigentlich nur noch der J. Er zieht einen Pix Gewürztraminer auf und einen mitgebrachten sehr guten, weichen Spanier. Er räumt die Spülmaschine aus und wieder ein. Er räumt ein bißchen herum, ich trinke Wein und biete Tee an und plaudere so ein wenig vor mich hin, während die C. auf dem Arm des R. ein wenig greint.

Als der Besuch sich verabschiedet, bin ich schon müde. Weil Sonntag ist, suche ich irgendwo in meinem Schrank nach einem neuen Nachthemd, wähle einen spitzengesäumten Hänger in weiß, gähne ein wenig im Bad und lege mich schlafen. Mögen andere noch die Bäume Berlins ausreißen. Ich bin zu faul.

Nichts (außer Erkältung)

Da sitze ich also auf dem Sofa. Rechts von mir eine Tasse Tee, links eine Katze, das Notebook auf den Knien, und im Kopf nichts als ein den Hohlraum innerhalb des Schädels vollständig anfüllendes, also quasi kopfgroßes Loch: Mir fällt nichts ein. Weder mag ich über die frisch eingetroffenen Babies mir lieber Freunde schreiben, weil es da ja außer der schieren Nachricht, auch der M. und die M. sowie der R. und die I. hätten jetzt je ein tolles Kind, gar nichts zu vermelden gibt, was auch Leute interessiert, die die vier nicht kennen, noch kann ich einen launigen Text über meine Erkältung schreiben, weil ich schon genug gejammert habe über laufende Nasen und bellenden, krächzenden Husten.

Realistischerweise interessiert es ja keinen, wann es mal etwas besser und wann wieder schlechter wird, mit Ausnahme des lieben J. und meiner Kollegen vielleicht, die sowohl akustisch als auch sonst darunter zu leiden haben, wenn es hier gerade nicht so gut aussieht. Auch ist es naturgemäß nicht so wirklich spannend, mir dabei zuzusehen, wie ich morgens viel zu früh aufstehe, um dann um 5.15 Uhr mit dem Taxi zum Flughafen zu fahren, wegen der Kombination von Erkältungsohren und Luftdruck den Rest des Tages taub zu verbringen, und schließlich nach einem längeren Vortrag auch noch zu verstummen. Aber gut, wen schert’s.

Der größere Teil der Misere liegt natürlich ganz allein an mir. Ich bin strukturell unfähig, daheim zu bleiben, selbst wenn ich kaum durchs Treppenhaus komme, und wenn nicht gerade schlafe, bin ich schlicht ungern daheim. Dabei ist es nett hier. Ich eigne mich nur nicht so besonders gut für das Dasein daheim.

Wie dem auch sei. Morgen früh steht – aber auch das hat wenig Nachrichtenwert – erst einmal ein Zahnarztbesuch an. Ich habe, das immerhin ist kurios, beim Husten dermaßen die Zähne aufeinandergeschlagen, dass ein Stück einer Krone abgebrochen ist. Ich bin jetzt also nicht nur erkältet, ich falle auch noch auseinander. Immerhin habe ich fast zwei Kilo verloren, weil mir nichts schmeckt, aber selbst daran habe ich wenig Freude, ich sehe zu alledem auch noch erbämrlich aus, und zu lesen habe ich nichts, weil mir nicht einfällt, was. Wenn ich irgendwelche amüsanten Geschichten parat hätte, würde ich sie hier zum Besten geben, aber mir bleibt gerade nichts als eine saftige Grippe und die Einfallslosigkeit. Aber das sagte ich ja schon.

Was Very Heaven.

Weißt du noch, wie lackschwarz der Nachthimmel war, so sternklar, voller Glanz und Verheißung wie später nie wieder? Wie süß und wie ölig zog damals sich die Spree. Wie hallten vor Festen die Bässe. Und wie wir zu zweit morgens nach Hause gelaufen sind. Immer ein paar hundert Meter weiter voran, weil man auf meinen Schuhen noch nie gut laufen konnte, um dann erst mal Pause zu machen und auf einem Blumenkübel zu sitzen oder auf einer Bank oder in einer Fensternische, an herabgelassene Jalousien gelehnt.

Erinnerst du dich noch an den warmen Sekt? Es gab an irgendeinem Spätkauf an der Strecke nach Hause Rotkäppchen, der war zwar nicht kalt, aber dafür billig, und wir haben abwechselnd aus der Flasche getrunken, bis wir zu Hause waren, und den Rest verschenkt. Manchmal haben wir auch Kaffee aus Pappbechern getrunken, Splitterbrötchen gegessen dazu, wenn die Bäckereien schon geöffnet hatten und die Sonne leuchtete Friedrichshain aus, als sei die Stadt neu, verheißungsvoll, strahlend und rein.

Weißt du noch, wie gern ich getanzt habe damals? Ich war nie eine gute Tänzerin, nie ein Blickfang der Tanzfläche. Nie in der Mitte. Schwindelig habe ich auch damals nur mich selbst getanzt, aber schön war es, Tanz, Nächte, Heimweg und Sekt, dem Glück sah es schon verdammt ähnlich, das damals, und etwas Besseres habe ich niemals gefunden als das.

Die absolute Therapie

Sehen Sie, man kann doch inzwischen medizinisch meistens etwas machen. Diese Frau, der sie letztlich in den USA durch den Kopf geschossen haben. Leute, die seit zehn Jahren mit HIV leben. Frühgeburten, die so klein sind, dass sie aussehen wie Aliens, oder Gianna Nannini, die auf ihre sehr alten Tage ein wirklich spätes Kind bekommt. Alles eine Frage von ärztlicher Handwerkskunst und einer guten Medikation. Nur eine banale Erkältung, so etwas Schnupfen, Halsschmerzen, ein fest sitzender, bellender Reizhusten: Da muss man einfach durch.

Auf keinen Fall darf man zum Arzt gehen. Im Wartezimmer warten nämlich nicht nur alle anderen Kranken des Bötzowviertels, sondern auch alle Keime aller Krankheiten, die man noch nicht hat. Im Gegenzug steckt man selbst alle anderen Wartenden an, aber davon hat man natürlich nicht so besonders viel. Am besten ist es, man wartet einfach ab. Aspirin Complex ist ganz gut gegen die Symptome. Ingwer und Zitrone ist auch nicht übel. Manche Leute setzen auf Hühnerbrühe, die schmeckt wenigstens gut.

Verschwindet die Erkältung nicht nach spätestens drei Tagen von selbst, wird es natürlich unschön. Man wird ungeduldig. Man will gesund sein, man will nicht husten, man will so unvorsichtig drauflosleben, wie es nur ohne Erkältung sinnvoll ist, und dann begeht man Fehler. Man föhnt morgens seine Haare nicht ganz trocken. Man hat den ewigen Tee satt und stürzt sich einen halben Liter Almdudler eiskalt in den Magen. Man tanzt und schwitzt und fährt dann mit dem Rad nach Hause. Dann ist man richtig krank, muss zum Arzt wegen der Krankschreibung und legt sich daheim für mindestens eine Woche ins Bett.

Hat man einen geschätzten Gefährten, kann man sich gegenseitig Ping-Pong-Anstecken. Das geht so sicher ein paar Wochen. Irgendwann sind dann alle beide genervt, weil der andere so laut schnarcht und so schlecht gelaunt ist und so laut hustet. Dann streitet man sich, läuft erhitzt und ohne Shawl aus dem Haus, kehrt zu spät zurück … das war es dann wieder.

Schwitzend und fluchend dämmert man dann so vor sich hin. Es wäre nicht übel, malt man sich aus, wenn die Medizin endlich etwas erfände. In der Medizin, so stelle ich es mir vor, ist es ja ähnlich wie im Fußball. Es führt nicht immer zum Erfolg, wenn man ganz, ganz viel Geld ausgibt, aber meistens halt schon, und so wäre vielleicht die Erkältung bald ein Stück Medizingeschichte, wenn die Gesamtheit der zumindest ab und zu Erkälteten Europas zusammenlegen würde, so jeder € 10 vielleicht, schnell kämen Milliardensumme zusammen, bestimmt machen die Amerikaner auch mit, wenn man fragt, und dann würden alle Forscher, die ansonsten gerade nichts auf dem Tisch haben, das ganze Jahr 2011 nach der Supertablette graben. Weihnachten wird das neue Medikament vorgestellt und 2012 ist es weltumspannend in jeder Apotheke erhältlich.

Katzenjammer

Ach, meine sehr verehrten Leserinnen und Leser, nichts ist es heute mit ein wenig Geplauder über Bücher, über gutes Essen und Neuigkeiten, wie sie Menschen zustoßen, die man kennt und teilweise schätzt. Nur allzu gern schriebe ich Ihnen etwas auf über die sehr, sehr großartige Caesar-Biographie von Christian Meier, die mir ein freundlicher Leser vor einigen Wochen hat schicken lassen. Ebenso gern zählte ich Ihnen auf, was ich gestern abend in Gesellschaft des des J, des R. und der I. im Paris Moskau alles gegessen habe. Auch die tatsächlich etwas merkwürdige Trennung der H. und des S., von der mir die Schwester des S. kürzlich berichtet hat …. aber ich muss passen. Den ganzen Tag, von morgens bis abends und nicht zuletzt nachts jault, maunzt, kreischt und jammert meine Katze Lilly. Dabei ist sie nicht krank. Es geht nicht um Schmerzen. Lilly fehlt nichts außer einem Kater.

Einen Kater allerdings habe ich nicht zu bieten. Der dicke Willy, meine hübsche, nur ganz leicht übergewichtige Tigerkatze, ist ein Kastrat. Fremde Kater mögen mir – die ich zwei, aber nicht zehn Kätzchen beherbergen mag – vom Halse bleiben, und so jammert Lilly immer weiter.

Zwar gibt es immerhin schon einen Tierarzttermin, um dem guten Tier die störenden Organe entfernen zu lassen. Auch soll Lilly ab nächsten Mittwoch Tabletten erhalten, die den jammervollen Zustand medikamentös beenden. Doch stets, wenn ich daran denke, Ihnen etwas über die gallischen Kriege, über das großartige Wagyu-Tartar oder das Zweierlei vom Pferd gestern abend oder diese Geistesgestörte, die einfach so auf dem Handy des S. … ja, dann jammert sie wieder. Meinen Nachbarn gegenüber hätte ich ein schlechtes Gewissen, wären deren Kinder nicht mindestens ebenso laut. Aus dem Haus würde ich gehen, aber ich bin ein wenig erkältet, fröstele den ganzen Tag mit Halsweh und ein wenig Gliederschmerzen so vor mich hin, liege folglich bis jetzt noch im Bett, und höre meiner Katze zu, wie sie laut, durchdringend, klagend nach Katern ruft, die es hier (gottlob!) nicht gibt.