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Journal :: 13.06.

Manchmal sieht man Hunden zu, die ganz versunken in Wirbel und Geschwindigkeit dem eigenen Schwanze nachjagen, um dann auf einmal stehenzubleiben, verlassen von dem rauschhaften Schwung der letzten Sekunden und winselnd vor Verlorenheit. Man möchte dann niederknien, das Tier zu sich rufen, an beiden Ohren tätscheln und kräftig klopfen, bis die Spannkraft in den Hundekörper zurückkehrt, und der Hund fröhlich wedelnd von dannen zieht: So, eben so, geht es mir an manchen Wochenenden, nur kommt keiner (ach, wer sollte das auch sein) zu mir und klopfte mir gütig die Seiten.

Ein bißchen ausgeleiert komme ich mir dann vor, leicht schwankend vor zu viel freier Zeit, und lauter dumme Gedanken steigen in mir auf wie die Blasen im Sumpf. Dass jedes hübsche, dumme Huhn mehr Anerkennung und Zuneigung erfährt, als sie mir zuteil wird, etwa. Dass alle meine hart erkämpften Erfolge nicht nur sub specie aeternitatis, sondern schon unter den Augen der schönen, lachenden, langbeinigen Mädchen in den Journalen am Kiosk lächerlich wirken. Dass die Fähigkeiten, die ich besitze, ein wenig sehr alltäglich sind, und die Talente, die ich gern besäße, mir nicht gegeben. Ein bißchen traurig bin ich dann, ein wenig wie der verlorene Hund, und diese Traurigkeit (auch dies dem Hunde vergleichbar) erscheint mir dann wiederum zum Lachen und ganz und gar unwürdig eines vernünftigen Menschen.

Um nicht den ganzen Tag die eigene Irrelevanz zu beweinen, stehe ich dann auf. Ich brauche ein neues Kostüm, das ich Stunden später bei Filippa K. in der Alten Schönhauser Straße kaufe, fahre zu diesem Zweck erst zum Kudamm, laufe durch den Tiergarten zurück und freue mich an den grün verhangenen Wegen. Bei Filippa K. stehe ich schließlich vor dem Spiegel, eine Frau Mitte dreißig in einem grauen Kostüm, und schaue mir einen Moment in die Augen. Ich sehe, stelle ich fest, meiner Vorstellung von gutem Aussehen rein gar nicht ähnlich. Um verschüttete Milch soll man nicht weinen, schärfe ich mir ein, bezahle ein Kostüm und zwei Oberteile, laufe erst heim und später mit dem J., der I. und dem R. zum Essen, vergesse für einen Moment, dass ich schon nachmittags bei Barcomi zwei halbe Stück göttlichen Kuchen hatte, esse noch mehr Süßes in Form eines Birnenstrudels und sitze schließlich zu Hause, und erinnere mich mit Bedauern an zwei glatte, schmucklose, steinerne Gedichte von Nossack, die ich nicht auswendig kann, und – wie feststelle – auch nicht besitze.

Journal :: 12.06.

Aber wenn der Regen warm wäre, mein Lieber, und Berlin menschenleer, dann stünde ich auf. Sandaletten würde ich tragen und einen Badeanzug und sonst nichts, und liefe die Treppen abwärts zum Hof. Schwer hingen die Wolken schwarz auf den Dächern, die Luft wäre heiß, feucht und nass und die Straßen glänzten körnig im Dampf. In den Rinnsteinen stünde das Wasser vor den Gullys, ich schöbe mein Fahrrad auf die Straße und radelte los. Der Regen durchnässte mir Haare und Haut, und schon auf der Schönhauser Allee wüsste ich nicht mehr, was Schweiß wäre, und was nur der Regen.

Am Shiro i Shiro böge ich ab, auf die Linden würde ich fahren, und im Licht der Laternen, glitzernd vor Tropfen, radelte ich an der Oper vorbei Richtung Westen. Ein Wind käme auf, warm wie an südlichen Meeren, führe mir in die Seiten und holte mich schließlich vom Rad. Am Rande der Straße würde ich liegen, und um mich herum wütetet der Sturm. Unter der Straße schlüge das Herz dieser Stadt bis zum Hals, die Winde würfen mich hart in die Kronen der Bäume, und ließen mich liegen, am Morgen, schwerelos schlafend, nüchtern im Morgenrot und strahlend und schwebend, mein Lieber, über der Stadt.

Journal :: 09.06.

Es ist wärmer geworden, und über der Spree spannt sich straff ein gläserner, hellblauer Himmel. Noch aber ist der Tag nicht vorbei, noch kannst du lange nicht heim, und was sollst du auch da, wo du es nicht aushältst, weil es so still ist, dass die Stille dich an den Wänden zerdrückt.

Auf den Brücken über der Spree gehen die Leute ganz langsam, sehen sich um, als sei der zaghafte Sommer nicht wahr, und lächeln so vorsichtig, als könne mit jeder heftigen Regung etwas zerbrechen und werde nie wieder heil. Auf den kalten Wassern fahren die Schiffe fast leer Richtung Westen, und für eine Sekunde wünschst du dir einen Knall, ein Krachen, dass der Himmel zerbirst, und die Brücken bluten und brechen.

Dann aber fährst du weiter. Der Tag ist noch lang.

Journal :: 08.06.

Liebe Sozialdemokraten,

im Netz gibt es ja alles. Hier findet man noch die abseitigste Information über verstorbene Pflanzenforscher, die abstrusesten Bilder von Familienfesten fremder Leute, und wessen Topf hier keinen Deckel findet, der sollte sich möglicherweise Gedanken über eine Anpassung der von ihm verwandten Suchkriterien machen. Insofern, sehr verehrte Sozialdemokraten: Auch Sie mögen das Netz bevölkern, vielleicht lesen Sie sogar hier mit, und möglicherweise bekennen Sie sich in den Kommentaren unter diesem Text zu Ihrer Wahlentscheidung.

Warum ich das wissen will? Nun, aus einer Reihe von Gesprächen gestern und heute habe ich den Eindruck mitgenommen, auch die freilich eher bescheidenen 20% von gestern seien eine Erfindung der Landeswahlleiter, denn tatsächlich hat sich mir gegenüber niemand (niemand) bekannt, sein Kreuzchen bei der SPD gemacht zu haben.

Im Freundeskreis mag das an der Homogenität liegen, die befreundeten Personen ja oft zu eigen ist. Die meisten Stimmen haben hier die Grünen abbekommen, drei Stimmen gehören der FDP, und eine Freundin, deren Namen hier verschwiegen werden soll, hat die LINKE gewählt, wie ich annehme. In dem Wahlllokal, in dem auch ich meine Stimme abgegeben habe, sind 50% den Grünen zugeflossen, 9% gehören der CDU, 15% der LINKEN, 6% hat die FDP abgegriffen, aber wer auch immer die 10% SPD-Stimmen abgegeben hat – ich kenne ihn nicht, oder er hat es mir nicht gesagt.

Auch beim Kaffeetrinken im Kollegenkreis heute morgen um elf war kein Sozialdemokrat am Tisch. Die Grünen haben auch hier eine solide Mehrheit von circa 2/3, in den Rest der Stimmen teilen sich CDU und FDP, und wenn es stimmt, dass große Städte die Labore der Zukunft sind, nun, dann hat die SPD ein Problem und wird demnächst aussterben, und das wäre – ob ich die SPD nun wähle oder doch weiterhin eher nicht – doch ein wenig bedauerlich für die große, alte Partei August Bebels, und ein bißchen schade wäre es vielleicht sogar für die Republik insgesamt.

Insofern: Bekennen Sie sich. Und schreiben Sie am besten dazu, was Ihnen an der SPD besser gefällt als an anderen Parteien. Aber bleiben Sie mir bloß mit Opel vom Hals.

Ihre Modeste

Journal :: 07.06.

„Ein Baguette Dindon und ein Joghurt mit Obst, bitte“, schiebe ich mich an zwei Mädchen vorbei, die vor der Kuchenvitrine im Fleury kichernd auf die Tarte zeigen. Es ist wahnsinnig voll. Sogar auf der Terrasse sitzen Leute in der Kälte und frühstücken.

Die C. und der M.2 sind seit zwei Stunden hier, weil die Mutter der C. heute morgen um sieben abgereist ist. Der M.2 blättert in ein bißchen in der Zeitung, wir sprechen über die Wahl und über die letzte Woche, und als alles erzählt und alles aufgegessen ist, brechen wir auf. Vor der Tür steht ein Krankenwagen und zwei Sanitäter legen ein Unfallopfer auf die Bahre. Von hinten sehe ich nur die Absätze der verunglückten Frau. Hinter dem Krankenwagen stehen mehrere Straßenbahnen und warten.

In der Schule an der Schönhauser Allee gehen der J. und ich wählen. Der Nachmittag verplätschert vor dem Rechner. Ich arbeite ein bißchen, und der J. liegt auf dem Sofa. Abends brate ich Schnitzel, telefoniere eine Stunde mit der J. und zwei mit der C., spreche über die Wahl und die nächste Woche und gehe zu Bett. „Was schreibst du ins Internet?“, fragt mich der J. auf dem Weg ins Bad.

„Nichts.“, sage ich. War ja nichts los.

Journal :: 06.06.

Es gibt einen Haufen Ratgeber über die Frage, wie man erreicht, was man sich vorgenommen hat. Wenn man beispielsweise Karriere machen will, hat man die Auswahl zwischen Hunderten von Ratgebern, denen man entnehmen kann, wo man studieren, wie man sich anziehen, was man beim Wein erzählen und worüber man promovieren soll. Sucht man statt – oder zusätzlich zu – einer Karriere einen Mann, so gibt es wiederum Bücher über Bücher. Wo man einen Mann kennenlernt. Wie man sich am besten präsentiert (Doktortitel verschweigen, lächeln, keine langen Fingernägel, solcherlei Informationen). Findet man keinen Mann, so kann man andere Bücher kaufen, in denen drinsteht, woran das liegt, und wer heiratet oder Kinder bekommt, kann sich Bibliotheken zulegen, wie man das am besten macht.

Weiß man aber gar nicht, was man will, so steht man dumm da. Bücher über die Frage, wie man sich ein vernünftiges Lebensziel zulegt, gibt es ganz bestimmt, aber wenn man alle Lebensziele, die andere Leute morgens dazu motivieren, aufzustehen, nicht teilt, dann wird es schwierig, und so überlege ich durchaus vergeblich, was man der M. erzählen sollte, die ihr Dasein, hört man, gerade etwas satt hat. Ihren Job beispielsweise. Den Prenzlauer Berg. Ausgehen. Und überhaupt alles. Es sei alles da, aber sie fühle sich so Sartre, sagt die M., und das ist natürlich schlimm.

Andere Leute ergeben sich in einer solchen Situation dem Suff, aber auch nach vier Cocktails wirkt die M. irgendwie nicht lustiger. Rund um uns herum kommen und gehen größtenteils recht hübsche Leute und trinken auf den schwarzen Ledersesseln der fluido Bar mehr oder weniger bunte Getränke. Der J. erzählt von seiner jüngst entdeckten Liebe zum Fußball und unserer Wohnungsbesichtigung am Samstag früh. Der M. schwenkt seinen Lagavulin und versteht auf seinem Sessel schräg gegenüber nur die Hälfte von dem, was alle anderen sagen, und mir fällt so rein gar nichts ein, was als Sinn des Lebens auf den ersten Blick überzeugend präsentiert werden könnte.

Der Unterschied ist nur: Mir ist das egal. Mir reicht das.

Journal :: 05.06.

Einfach so und vorwarnungslos kippe ich um. Es ist morgens, viertel vor acht. Als habe jemand das Licht ausgeschaltet, wird es dunkel. In meinem Hinterkopf sammelt sich alles Schwere an, was ich in mir trage, und reißt mich zu Boden. Ein paar Sekunden später wird es dann wieder hell. Auf dem Boden sitzend robbe ich aus dem Bad wieder zu Bett. Ich bin schweißnass.

Ins Büro fahre ich heute nicht. Ich rufe an (oh, das Sprechen ist mühsam), es werde zumindest später, und dann schlafe ich auf der Stelle ein. Ich habe gestern weder viel getrunken, noch etwas gegessen, das diesen Zustand erklären könnte, ich war auch nicht später im Bett als sonst, aber als ich wieder erwache ist es mittags um zwölf. Auf dem Nachttisch sitzt mein Kater und schaut mich unverwandt an.

Eigentlich geht es mir ganz gut, aber gut ging es mir auch heute morgen. Ich vertraue meinem Wohlbefinden nicht mehr, denn was, frage ich mich, würde wohl passieren, säße ich auf einem Fahrrad, wenn die Verdunkelung erneut einsetzte? Falle ich dann auf die Schönhauser Allee und bin tot? Auf der anderen Seite nützt es nichts, sich nun ins Ungefähre zu schonen, und so rufe ich wieder im Büro an. Man möge mir meine Akten schicken, sage ich und warte.

Ganz perfekt ist die Lage noch nicht, stelle ich später fest. Der Weg die Treppe abwärts ist rutschig und steil heute mittag. Beim Einkaufen gegenüber bedrückt mich auf einmal die viele leere Luft zwischen mir und den Wänden. Als ich wieder zu Hause bin, lege ich mich erst einmal wieder hin. Dann kommt der Bote.

Es geht mir ganz ordentlich, so ab heute nachmittag. Ich arbeite und komme voran. Vielleicht geht es sogar etwas besser als im Büro, wo immer jemand anruft, vorbeikommt oder per Mail schnell etwas abstimmen will. Ich arbeite mit einer Tasse Tee auf dem Schreibtisch, die Katze auf dem Schoß, und als der J. kommt, fühle ich mich fast wie immer. „Lass uns was essen.“, sage ich und schleppe den J. bis zum Helmholtzplatz. Chirashi-Don bestelle ich, eine California Inside Out und einen Nachtisch.

Ich bin wieder fit, sage ich dem J. und mir und spüre der Schwärze hinterher, die so plötzlich gekommen und verschwunden ist. Vielleicht aber hat sie sich nur versteckt, misstraue ich dem Frieden dieses kühlen Abends. Vielleicht streicht mir die Dunkelheit schon um die Rippen, vielleicht tut es mir leid in drei Wochen oder drei Jahren, heute nicht zum Arzt gegangen zu sein, aber hingehen werde ich nicht.

Es wird schon nichts sein.

Journal :: 02.06.

Spät bin ich dran heute morgen. Etwas zu spät, stelle ich beim Zähneputzen fest und beeile mich noch etwas mehr. In der Dusche seife ich mich heute sehr fix ein, eine Kontaktlinse pro Auge, schnell föhnen und in jede Hand ein Klecks Niveamilch. Die Flasche steht auf der Ablage unter dem Spiegel. Neben dieser Flasche aber steht noch eine andere Flasche, und diese Flasche enthält keine Nivea. In dieser Flasche befindet sich meine Super-Spezial-Fett-Lotion, die man abends auftragen kann, und am nächsten Morgen ist man so wahnsinnig weich, als sei man nicht 33, sondern drei.

Weil es so schnell gehen muss heute, und ich so müde bin, greife ich daneben. Erst mit der Lotion in der Hand stelle ich fest, dass die Konsistenz dieser Substanz sich von der Nivea deutlich unterscheidet, aber mangels Zeit und auch ein bißchen aus Bequemlichkeit creme ich einfach drauflos. Wird schon nicht so schlimm sein. Ein Jackenkleid in beige, hochhackige Schuhe, die braune Tasche und Lippenstift. Dann fahre ich los.

Gegen zehn sitze ich am Schreibtisch und schlage die Beine übereinander. Wenige Minuten später erwärmt sich die Fettcreme auf meinen Oberschenkeln auf 37° C. Es wird ein bißchen glitschig, ich stelle die Beine nebeneinander und wische mit einem Tempotaschentuch die überschüssige Creme weg. Meine Arme, stelle ich fest, glänzen fettig wie warmer Schinken.

Nachmittags stehe ich irgendwann im Fahrstuhl und bemerke, dass sich dort, wo ich sonst immer an der Fahrstuhlwand lehne, ein Fettfleck befindet. Der Fleck fällt leider ziemlich auf, denn das Metall ist dort, wo ich – und folglich die Creme – gelehnt habe, eigentlich gebürstet und matt. Etwas geniert wische ich schnell zwischen dem vierten und fünften Stock mit der Hand die Creme weg. Man sieht den Fleck noch immer.

Als ich abends das Büro verlasse, setze ich mich wieder aufs Rad. Meine Beine sind immer noch ziemlich ölig. Auch meine Arme glänzen nach wie vor mehr, als ich es angemessen finde. Wären die Straßenlaternen schon an, ich würde reflektieren. Die restlichen Körperteile sieht man zum Glück nicht so, und auf dem Abendtermin betaste ich vorsichtig und unter dem Tisch meine schmierigen Waden. Glücklicherweise ist es recht dunkel.

Als ich nach Hause komme, ziehe ich mich sofort aus. Am Kleid sieht man nichts, wenigstens das, aber meine Haut mutet überall immer noch an, als habe ich mich von Kopf bis Fuß mit Speck eingerieben, und so ähnlich verhält es sich wohl auch. – Kann man über die Haut Fett aufnehmen?, gebe ich bei Google ein, um zumindest hinsichtlich der schlimmsten denkbaren Folgen des morgendlichen Versehens Sicherheit zu erlangen. Immerhin: Das geht wohl nicht.

Nun ein Bad, nehme ich mir vor. Und keine Hautcreme.

Journal :: 01.06.

Muss man arbeiten, kommt man nicht zum Schlafen. Hat man frei, will man etwas unternehmen, schläft auch zu wenig, und so nimmt es nicht wunder, dass ich trotz fünf freier Tage so müde bin, wie man es eben ist, wenn man ständig ein, zwei Stunden pro Nacht weniger schläft als angemessen.

Dass es in meinem Schlafzimmer morgens um fünf wahnsinnig hell ist, trägt auch nicht gerade zu einem vorteilhaften Verhältnis von Schlaf und Wachzustand bei, und dass der geschätzte Gefährte trotz maunzender Katzen und strahlender Sonne friedlich schlummert, macht mich nachgerade aggressiv. Ein Kaffee besänftigt mich so halbwegs.

Einen weiteren Kaffee später sitze ich im Pappa & Ciccia in der Sonne, der M. und die M. erzählen vom Urlaub, und ich picke ein paar Antipasti mit Brot. Wie viel Öl ist an diesen Auberginen, frage ich mich zwischendurch, wische den Gedanken wieder weg und schließe mich einem langen Spaziergang an. Die Straße abwärts nach Mitte, am Hackeschen Markt vorbei zur Museumsinsel, die Linden hoch wieder zurück und dann nach Hause. Wozu in den Wald, wenn man auch in der Stadt bleiben kann, frage ich mich, schaue mir die Touristen mit ihren bunten Reiseführern an, die Fahrradrikschas und die unglaublich abscheulichen Bilder am Kunstgewerbeflohmarkt am Zeughaus. Am Lustgarten sitzen lachende Menschen auf dem Gras, Radfahrer klingeln und schlängeln sich durch die Massen auf den Gehsteigen zwischen Dom und Alex, und ich nehme mir vor, heute gar nichts mehr zu unternehmen, einfach nur herumzusitzen, nutzlos wie ein Ölgötze und vergnügt wie eine Katze in der Sonne und so früh zu Bett zu gehen, dass ich acht Stunden schlafen werde, mindestens, bis es hell wird morgen früh und an Schlaf nicht mehr zu denken.

Journal :: 31.05.

Auf einmal bin ich müde. Es mögen die drei Tage Ruhe gewesen sein letzte Woche, das Meer und der viele Schlaf. Die lange Nacht mit dem J. und dem M.2 in Mitte und das Faß Sekt, das ich gestern nicht zu meinem Vorteil getrunken habe. Es könnte auch am Radfahren liegen, heute nachmittag mit dem J. in Kreuzberg, oder es ist die Arbeit der letzten Wochen, die nun aufsteigt und sich mir schwer an die Lider hängt: Es ist schön hier, aber ich muss heim.

Im Taxi schlafe ich ein und schrecke alle zwei, drei Minuten auf. Köpenicker. Jannowitzbrücke, dann über die Spree und nach Hause. Gähnend stehe ich im Bad und bürste mir die Zähne. Müde sehe ich aus im Spiegel, ganz kleine Augen und die schlechte, griesige Haut, die ich bekomme, wenn ich etwas Falsches esse.

Gute Nacht, Modeste, verabschiede ich mein Spiegelbild für heute. Es ist nicht mehr Mai.