„Weißt du!“, sage ich zum J. am Freitag im femminamorta und schneide eine dicke Scheibe gefüllten Kalmar entzwei, „dass mir die Nora gerade ziemlich fehlt?“
„Schreib‘ ne Fortsetzung.“, rät mir der J. und widmet sich wieder seinen Malfatti. Auf seinem Schoß streckt der F. ebenso sehnsüchtig wie vergeblich beide Hände nach den Teigtaschen aus. Ich schüttele den Kopf. „Nein.“, sage ich. „Mit Nora geht es nicht weiter.“
Ich brauche etwas Neues. Nur was, das ist mir noch unklar.
Dabei kann man ja alles Mögliche machen. Viel Spaß hätte ich beispielsweise an einem Abenteuerroman. So etwas ganz, ganz Eskapistisches. Fernab von Literatur und mit allem, was schon 1890 eigentlich gar nicht mehr ging. Ein schöner Leutnant soll – nur so als Beispiel – seine verschwundene Schwester suchen, die mit einem Mitgiftjäger durchgegangen ist, weil deren Anwesenheit dringend erforderlich ist, damit der Pate der Schwester die ganze Familie vor dem Ruin rettet, oder etwas ähnlich Wahnsinniges. Oder ich lasse einen Mönch seinen betrunkenen Mörder verfluchen, dessen Familie dann – einer nach dem anderen – grässlichen Unglücksfällen zum Opfer fällt, bis der jüngste Sohn sich aufmacht und am Ende einer langen Reise Erlösung findet. Wie genau, überlege ich mir später. Denkbar wäre auch etwas mit Doppelgängern.
Als Schauplatz könnte ich mir einen deutschen Kleinstaat vorstellen. So ungefähr 1820. Das ist eine Welt, die ich ganz kenne. Sie ist pitoresk genug, um eine schöne Kulisse abzugeben, klein genug, um sie einigermaßen vollstädig darzustellen, und ihr Personal ist mir ähnlich genug, um mich halbwegs vernünftig in die dramatis personae hineinzuversetzen. Das würde beispielsweise beim Mittelalter schwierig. Mit dem mittelalterlichen Menschen teile ich nicht genug Grundannahmen über die Welt, damit das ohne alzu große Verrenkungen funktoniert. Hinter die Aufklärung, fürchte ich, komme ich nicht zurück, und eine statische Gesellschaft bietet zudem zuwenig Spannungsmomente.
Auf der anderen Seite sind historische Romane ja so regelmäßig Schrott, das es schwer anzunehmen ist, mir gelänge etwas, das nicht schrecklich missraten und peinlich ist. Ich weiß, e sgibt Ausnahmen. Ransmayr hat einen tollen Roman über Ovid geschrieben. Oder Kehlmann, das ist erst ein paar Jahre her. Aber wer wäre ich, mir so etwas zuzutrauen. Zudem ist der Rechercheaufwand vermutlich ziemlich hoch. Vielleicht wäre deswegen etwas anderes besser.
Zum Beispiel … (Fortsetzung folgt)