„Wir haben uns wieder vertragen.“, berichtet die A., und gießt sich ein wenig Milch in den Tee. Ihr Gefährte habe gelobt, die kleine und vollkommen bedeutungslose Eskapade mit einem äußerst muskulösen Herrn aus seinem Gedächtnis zu streichen, und hätte versprochen, nie wieder dieses leidige Thema anzuschneiden. „Modeste,“, sagt die A. „du kannst dir nicht vorstellen, wie er auf der Sache herumgeritten ist. Als wäre sonstwas vorgefallen.“ Einen Augenblick denke ich mit Mitleid an den klugen und stillen Freund der A., in dessen Koordinatensystem vermutlich tatsächlich nicht nur sonstwas, sondern der größte anzunehmende Unfall stattgefunden hat. „Armer Kerl.“, sage ich deswegen. A. schnaubt.
„Wirklich, Modeste, ich liebe ihn, ich würde ihn morgen heiraten.“ sagt A., und schiebt sich den letzten Rest eines Merveilleux in den Mund. „Aber so hinter dem Mond kann man doch gar nicht leben. Ich habe ihn gefragt – sind deine Eltern treu – ist irgendwer treu, den du kennst? Treu ist keiner, die einen reden nur mehr drüber als die anderen, also bitte.“ Ehrlich entrüstet schaut mich die A. über den Rand ihrer Teetasse an. Die stattgefundenen Diskussionen stehen mir lebhaft vor Augen.
„Und darauf hat er sich eingelassen?“, frage ich die A., die aufgebracht den Kopf schüttelt. „Mit dem Mann kann man ja nicht vernünftig reden.“, meint die A. Sie habe alles versprochen, und sei selber gespannt, wie lange die guten Vorsätze halten.
„Und jetzt gehen wir shoppen, ja?“, fragt die A. und schildert einen dramatischen Mangel an Oberbekleidung.
Ja, die Menschennaturen sind verschieden. Ich erinnere da einen Freund,
der seiner Partnerin jahrelang verschwieg, dass er parallel zu ihr ein Verhältnis
mit einer anderen Frau hatte, weil er fürchtete, die Beziehung würde daran zerbrechen,
und dann eröffnete sie ihm, ein kleiner Seitensprung würde der Beziehung mal
gut tun, und sie wundere sich, dass er so monogam sei.
gute vorsätze…
jaja. ich frage mich ja selber, ob das konzept der monogamie nicht ein total abgefucktes gedankenkonstrukt ist, das uns nahezu täglich in die enge treibt. und uns an uns selbst, am fein sein, beinander bleiben zweifeln lässt. haben wir uns da in etwas verrannt, das schlicht und einfach nicht der menschlichen natur entspricht? ich weiß nicht. und das macht mir immer wieder und wieder verdammt viel angst.
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….pflastern den vorhof….
Ich bin geprägt durch ein Millieu, in dem offene Beziehungen mit erlaubten
Seitensprüngen wenn nicht normal, so doch ein positives Ideal waren, und ich
bin jemand mit hoher persönlicher Leidensfähigkeit, insofern sind mir die
Eifersuchtsdramen Anderer schlicht unverständlich. Als ich in „neuerer“
Gesellschaft, also unter Leuten, die mit meinen früheren Kreisen nichts zu
tun haben, dies äußerte, und dazu noch sagte, Fremdgehen könne sogar wieder
Würze in eine Beziehung bringen, solange der Seitensprung nicht Gefahr
laufe, für Partner oder Partnerin eine gefühlsmäßige Konkurrenz zu werden,
da sprangen mir die Leute fast ins Gesicht. Vor allem die Tatsache, dass einmaliges
Fremdgehen der Partnerin keines der Dinge ist, die mich ins Mark treffen, jedenfalls
nicht zwangsläufig und immer, und dass ich zwischen fester Liebesbeziehung und
bloßer Freundschaft noch unzählige Zwischenstadien kenne und es für völlig unnötig
halte, sich immer grundsätzlich festlegen zu müssen, führte geradezu zu einem Aufschrei
der Empörung. Ich hatte das Gefühl, dass meine Gesprächspartner/innen regelrecht
wütend auf mich waren, obwohl ich ihnen nichts getan, sondern nur meine eigene
innere Befindlichkeit erläutert hatte.
Und die Menschheit bietet da ungeheure
Varianten: Im Iran wird die Ehebrecherin gesteinigt, auf bestimmten Inseln
Polynesiens und bei manchen Inuit-Stämmen ist Sex mit Gästen eine Frage der
Gastfreundschaft, so ähnlich, wie bei uns jemanden zum Essen einladen.
Ach, was hatten die Alten uns da doch voraus, ein römisches Bacchanal, ein griechisches
Symposion, eine ägyptische Orgie wären wir nicht zu feiern imstande…
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Wäre der Mensch von Natur aus monogam, dann wäre Treue kein Thema, weil schlicht keiner an Untreue denken würde. Gerade, dass die Treue aber ein eigentlich unnatürlicher, Mühe und Verzicht erfordernder Zustand ist, macht ihren Wert aus wie jede Geste sinnloser Großzügigkeit.
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Gerade weil der Mensch, von der puren Körperlichkeit abgesehen, sehr vieles
nicht ist, sondern sein Wesen darin besteht, Kultur zu haben, und das heißt,
das Miteinander mit anderen Menschen zu regeln, ist dies einerseits so variantenreich,
andererseits so schwierig. Treue, die Mühe erfordert, ist eine Form von Achtung und
Liebe. Treue als zwanghaft vorgebene Selbstverständlichkeit ist ein furchtbares Korsett.
Erlaubte, dosierte Untreue unter einvernehmlichen Partnern ist auch wieder eine Form
von Achtung und Liebe und auch noch von großer Souveränität; sie kann nur erfolgen
zwischen Partnern, die einander restlos vertrauen und viel Selbstbewusstsein haben
(auch im Wortsin: Sich selbst wirklich kennen). Dies ist dann keine Untreue mehr,
sondern eine besonders reife Form der Liebe – und nichts Anderes als eben das: Eine Geste
sinnloser Großzügigkeit.
Sie kommt nicht gut weg bei Ihnen, die A.
Sollen wir Wetten abschließen, wie lang die guten Vorsätze der A. vorhalten werden?
Armer Kerl, er glaubt sicherlich, sie meint all ihre Versprechen ernst. Und die nächste Frau darf sich dann mit all den Verletzungen, die die A. anrichtet, herumplagen.
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Es gibt Männer, die das immer wieder mit sich machen lassen, und es gibt
Frauen, die ihre Männer immer wieder „therapieren“, ohne dass das ein
solcher Zusammenhang sein muss. Ich war selbst Täterin und Opfer, ohne
dass sich „Sowas kommt von sowas“ sagen ließ.
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Das liegt wohl in ein wenig der Natur der Sache. Nun ist die A. auch keine enge Freundin von mir, und ihren Freund mag ich wirklich gern, insofern hält sich mein schlechtes Gewissen da arg in Grenzen.
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Nein, auf A´s gute Vorsätze würde ich auch keinen toten Hund verwetten. Ob ihr Freund ihr wirklich glaubt, oder ob er nur glauben möchte, oder ob das Glaubenwollen vielleicht Teil des ganz persönlichen Films von der Liebe ist, den der Freund im Kopf herumtragen mag, wer weiß es. Es ist aber abseits aller Küchenpsychologie schon erstaunlich, dass dieselben Leute immer wieder betrügen oder betrogen werden, das Rollenfach scheint da irgendwann einmal festgelegt worden zu sein, als man gerade nicht aufgepasst hat.
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@ Netbitch: Das Herumplagen wollte ich nicht in dem Sinne von therapieren verstanden wissen. Eher waren solche Dinge wie tiefsitzendes Misstrauen usw. gemeint.
das Rollenfach scheint da irgendwann einmal festgelegt worden zu sein, als man gerade nicht aufgepasst hat. Das haben Sie sehr schön gesagt, Frau Modeste. Das Dumme an dieser ganzen Angelegenheit scheint mir zu sein, dass später dann häufig die Komplementärbesetzung zusammenfindet.
Ich habe nur darauf gewartet, dass der mir irgendwie sympathische Freund der A. (ich habe noch förmlich das Telefonat in der S-Bahn im Ohr) wieder rückfällig wird. Warum haben die doofen Ziegen immer diese zauberhaften Männer? Es bleibt ein ewiges Rätsel.
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Warum sind so viele tolle Frauen schon fest vergeben, und zwar an
<zensiert>kerle, die sie regelmäßig zur Verzweiflung treiben?
Warum endeten die Begegnungen, bei denen ich am meisten Gefühle
investiert und mich aufgerieben habe, mit „lass uns trotzdem Freunde
bleiben?“ Es bleibt nicht unbedingt ein ewiges Rätsel, ich fürchte nur,
die ehrliche Antwort will niemand wirklich wissen.
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Egal, ob treu oder nicht
Ich mag nicht entscheiden, ob „wahre Treue“ moralischer ist oder „erlaubte Untreue“ souveräner. Entscheidend ist nur, daß beide Seiten das gleich einschätzen. Alles andere ist – wie bei A – zum Scheitern und/oder Schmerzen verurteilt.
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Das, Aufpasser, kann ich so unterschreiben.
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@ che:
Wie erzählte mir mal eine englische Bekannte? Ihr Vater gab ihr als Lebenstipp mit:
„There are only two kind of men: the boring ones that treat you good, and the interesting ones!“ Ist dem noch etwas hinzuzufügen?
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Na klar:
„Bigamie heißt eine Frau zuviel zu haben. Monogamie auch.“
(Oscar Wilde)
Dass ichs zitiere heißt nicht, dass ichs genauso sehe…
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Dass, Herr Mark, hätte mir jetzt auch ein irritiertes Stirnrunzeln verschafft – waren Sie nicht der Herr mit den geordneten Familienverhältnissen?
Was aber die richtigen Männer und die falschen Frauen – oder andersrum – angeht, spielt da der menschliche Jagdtrieb vermutlich dem menschlichen Wohlergehen einige Schnippchen: Was schwer zu bekommen ist, so denkt sich der Jägersmann, muss um so kapitaler sein, und so jagt und jagt der Gute, läuft an den friedlich äsenden Rehkühen vorbei, und erlegt am Ende eine magere Ziege. Im besten Fall hat wenigstens die Jagd Spaß gemacht.
Wie wahr,wie wahr!
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Meine geordneten Familienverhältnisse
sind ja noch relativ neueren Datums, zuvor mehr als sieben Singlejahre unterbrochen von Backdoor-Romanzen und dem zwischenzeitlichen Kampf mit dem Resignieren, dazu eine Exfreundin, die vielleicht einem erneuten Versuch nach gewisser Karenzfrist auch nicht völlig abgeneigt schien. Kurzum: Da ich vom breiten Spektrum der zwischengeschlechtlichen Kompliziertheiten auch einiges aus erster Hand mitbekommen habe, gehe ich keineswegs davon aus, dass wir in der besten aller möglichen Welten leben. Oder dass eine Partnerschaft/Beziehung automatisch besser sein muss als keine. Deswegen möchte ich Sie, Frau Modeste, auch weiterhin darin bestärken, dass Sie nicht auf den Rat von Freundinnen hören, die Ihnen raten, Ihre diesbezüglichen Ansprüche herunterzuschrauben…