„Süß schaut die Kleine aus.“, lobe ich das Erscheinungsbild meiner Nichte, und reiche Cousin L., dem Vater der Kleinen, die Bilder wieder über den Tisch. „Geht so.“, meint dieser, und blinzelt müde in die Sonne über der Kastanienallee. „Ist doch ein hübsches Kind.“, lege ich noch einmal nach, und lobe die dunklen Locken und grünen Augen der bald zweijährigen ziemlich pausbackigen Kleinen, die mit ihrer Mutter in Frankfurt am Main verblieben ist, nachdem Cousin L. nach knapp einjähriger Ehe erst die gemeinsame Wohnung, und dann Frankfurt verließ, um sich sodann in Berlin anzusiedeln.
„Modeste,“, unterbricht mein Cousin meine Lobreden auf die Nichte. „ich interessiere mich nicht für Kinder, du interessierst dich nicht für Kinder – und jetzt reden wir über irgendwas anderes.“ Die meisten Leute, gebe ich ein wenig erstaunt meinem Cousin zu verstehen, seien geradezu vernarrt in den eigenen Nachwuchs, und sprächen über überhaupt nichts lieber als die eigenen Kinder. Stets hätte ich angenommen, dies sei geradezu naturgegeben und beruhe auf biologischen oder psychischen Mechanismen, die man als kinderloser Mensch schlechterdings nicht verstünde. Cousin L. schnaubt ein bißchen, schaut ein wenig gelangweilt über die Karte, und entscheidet sich schließlich für einen Kaffee, ein Frühstücksbier und ein Käsefrühstück.
„Meine liebe Cousine,“, kommt es schließlich nach längerer Pause von der anderen Seite des Tisches, und Cousin L. beugt sich ein wenig nach vorn. Ich sei, so mein Cousin, einem bedauerlichen Irrtum aufgesessen. Mit dem Kinderhaben verhalte es sich vielmehr so:
Zwei Leute lieben sich. Man zieht zusammen, man versteht sich, und am Abend erzählt man sich gegenseitig den Verlauf des Tages, schimpft auf unfähige Professoren, macht sich über abstruse Veröffentlichungen im Rahmen der eher ausgefallenen Fachdisziplin lustig, der mein Vetter anhängt, und hat gemeinsam eine Menge Spaß.
Eines Tages aber, so fährt mein Cousin fort, und nimmt sein Käsefrühstück entgegen, ist die Dame des Hauses schwanger. Man müsse sein Arbeitszimmer räumen. Die Geliebte würde immer dicker und erzähle nur noch von Presswehen und Atemübungen, Hebammen und Holzwiegen, und immerzu riefe die Mutter des geliebten Wesens an. Berichte man selber von den Triumphen und Niederlagen des eigenen wissenschaftlichen wie privaten Lebens, so bekomme die Geliebte einen sonderbar abwesenden Gesichtsausdruck, und fange an, nachsichtig zu lächeln.
Irgendwann dreht sich der ganze Alltag nur noch um das Kind. Alle Freunde fragen immerzu nach dem Stand der Schwangerschaft, man werde gezwungen, dem wirklich sehr widerwärtigen Geburtsvorgang beizuwohnen, und wenn dies überstanden sei, sei man mit Kind und Frau zusammengepfercht. Immerzu schreie das Kind, die Geliebte existiere quasi nicht mehr und spreche immerzu über das Kind, und schließlich sei man aus purer Sorge um die eigene Produktivität und Nachtruhe gezwungen, im Gästezimmer zu schlafen, weil man sonst morgens in einem Zustand sei, der nur als desolat bezeichnet werden könne. Die Geliebte fange an, sich zu vernachlässigen, zöge unglaubliche Sachen an, und bliebe überdies ein wenig – nun: füllig.
Was das Kind gerade wolle, wisse man nie, und es brülle eigentlich immer. Schreiende Kinder seien noch nicht einmal hübsch, und wenn man einmal ausginge, einen Babysitter daheim, spräche die Kindsmutter die ganze Zeit nur über ihre Sorge, der Babysitter könne vielleicht weniger gut mit dem Kind umgehen als sie selbst. Der Umzug ins Gästezimmer werde zum Anlass unendlicher Streitigkeiten, man wohne schließlich zusammen mit einem schreienden Dämon und einer keifenden Megäre, und schließlich miete man sich in der WG einiger Bekannter ein Zimmer, um auch einmal ein bißchen für sich zu sein.
Der ganz unschuldig initiierte Teilauszug werde zum weiteren Diskussionspunkt, irgendwann habe man keine Lust mehr, abends nach Hause zu kommen, und schlafe dann eben auch in dem angemieteten Zimmer. Weil man mit vierzig eine WG nicht mehr in derselben Weise schätzen würde, wie dies 15 Jahre früher der Fall sei, miete man bei günstiger Gelegenheit eine kleine Wohnung, die Freundin ginge daheim die Wände hoch und verharre in einem emotionalen Zustand, der nur als höchst unangenehm empfunden werden könnte, und um weiteren Streitigkeiten aus dem Wege zu gehen, zöge man eben mit Sack und Pack aus.
Da sei er nun. Und von Kindern könne er nur energisch abraten.
REPLY:
Allez hopp:
Dann mal los. Was ist denn nun Ihr Argument, Herr Konradin? Es stört Sie, dass jemand von Kindern energisch abgeraten hat. Das haben Sie zu Protokoll gegeben und niemand hat Ihre Meinungsfreiheit bisher eingeschränkt. Kommen Sie doch jetzt nicht mit internetbezogenen Metadiskussionen. Ihr Argument wurde gehört, es hat nicht in dem Maß gepunktet wie von Ihnen erhofft. Und Sie sind auf bestem Weg, sich ziemlich zum Idioten zu machen.
Knigge, ach Du meine Güte
Lächerlich, dieses Gesieze hier. Was seid ihr denn, Arbodingsbums? Ein literarischer Lionsclub? Im richtigen Leben duzen sich doch auch alle Beteiligten. Ich schreibe hier nicht im Blog, sondern auf der Ebene „Kommentar verfassen“. Habe sonst keine Regeln gefunden. Wäre vielleicht ENERGISCH ANZURATEN: Schlipspflicht, Siezen, Akademische Grade als Mindestqualifizierung oder Nachweis über Zeit-Abo einzuführen, damit nicht Neu-Einsteigern so ein Faux-pays wie mir passiert.
Im Übrigen hat die Metadiskussion die Autorin eingeleitet („persönliches Weblog“), nicht ich.
Mark hat recht. Meine Abscheu habe ich bis jetzt nicht begründet. Das Abgeratene wird zum Entscheidungsobjekt reduziert, so wie ein Konsumentscheidung. Und zwar nicht nur als Entscheidung für die Kinderlosigkeit, wie die Autorin kommentiert, sondern in der kritisierten Textstelle „von Kindern“, also auch ein Abraten von jetzt lebenden Kindern.
Die Gründe für das Unbehagen dabei, braucht wohl keine weitere Explikation. Abzustellen wäre es ganz einfach: „Vom Kinderkriegen könne er nur energisch abraten“.
Im besten Fall führt solches Gedankengut irgendwann nur zu einer Verlagerung von staatlichen Ressourcen von KiTas zu Single-Senioren-Bloggerheimen.
Danke, sehr freundlich. Das war übrigens Ironie. Das mit dem faux-pays…
Bis morgen abend. Da wird’s amüsant. Nein, das war jetzt keine Drohung.
REPLY:
Nun, in meinem richtigen Leben duzen sich glücklicherweise mitnichten alle Beteiligten; und in meinem Blog benehmen sich bitteschön die Gäste so, wie sie sich auch als Gäste an meinem Tisch benehmen würden: Höflich und respektvoll. Man kann, Herr Konradin, so gut wie jede Meinung auch in einem angenehmen Tonfall äußern.
Wenn ich Ihnen, was ich sehr selten tue, nunmehr ankündigen muss, jeden weiteren Kommentar, der meinen Vorstellungen von einer Konversation nicht entspricht, zu löschen, so steht es Ihnen jederzeit frei, sich ein wenig zusammenzunehmen, und Ihre Argumente in eine etwas gefälligere Form zu verpacken. Ansonsten ist das Internet groß, und dieser Bloghoster ermöglicht es Ihnen schnell und kostenlos, Ihre Weltanschauung in einem eigenen Blog zu verbreiten.
Ach je, endlich ein Thema, bei dem ich mich mal auskenne, und da hab ichs verpasst. Ehrlich gesagt ist es ja fast das einzige Thema, mit dem ich mich noch auskenne mit meinen drei Kindern und der kaputten Beziehung, und ich liebe es schon deshalb, man liest ja außer Blogs nicht mehr so viel, wegen der Kürze der Tage. Die Diskussion scheint vorbei, egal, noch eine kleine Anmerkung: Das ist deutsch, solche Zwiste gibt es in keinem anderen Land (also in Italien gibt es sie nicht, in den Staaten auch nicht), nur hier erlangen sie so eine schwelgerische Weltanschaulichkeit, nur hier hört man das Zischen des großen Schwertes, das die Kinderhaber von den anderen trennt und für immer teilt, nur hier müssen die einen die anderen richten, moralisch am liebsten.
Das Thema ist ein Hafen für die ganz großen Dinger, für die großen Gesten und den schnellen Schlag ins Gemächt. Brittbee zum Beispiel sagt oben etwas über Eltern, die sich das so nicht zu sagen trauen, aber sie würde doch auch nicht wegen ausgiebigem und gerechtfertigtem Genöle über Arbeitserlebnisse aufs Arbeiten ganz verzichten wollen, oder nicht? Es wäre doch hirnrissig, ihr so etwas zu unterstellen, eben. Hei, ich habe natürlich mit den Kindern wirklich schlechte Tage, so what, wer hat die nicht mit dem, was tut. Im Falle einer Betroffenheit wie meiner, drei Kinder, wie erwähnt, kommt so eine Verbindung aus Meinung und Verallgemeinerung etwas unangenehm, weil es ist so blöd, sich für eine Lebensentscheidung immer verteidigen zu müssen, nein: ich fühle mich wegen meiner privaten Entscheidung als Person angegriffen, und das ist einfach ermüdend. So eine metonymische Teil-fürs-Ganze-Verschiebung, eine gefühlt deutsche Lust nach Uniform: einen Aspekt des Menschen erkannt, den ganzen Menschen beurteilt, zack, Zeit gespart.
(Diese hilfreichen Verallgemeinerungen benutze ich natürlich auch sehr gerne, aber eigentlich nur bei Golfern, genau: Golf ist blöd, Golfer sind blöd. Sie sind Rhetorik, hoffe ich zumindest, und mit Rhetorik sollte man aufpassen.)
Und den Konrad fand ich auch gar nicht so schlimm, etwas zu Haarspalterisch vielleicht. Im übrigen würde ich niemals die Gastgeberin, oder die Kaltmamsell, nicht mal Herrn Alphonso, aufgrund derer Kinderlosigkeit beurteilen wollen. Hach, ich liebe dieses Thema.
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Meine Frau sagt, mein Auftritt war ganz und gar nicht krawallig.
Selbstverständlich ist diese Diskussion urdeutsch. Daher mein Wortspiel „Faux pays“. Viele jüngere Bildungsbürger bekommen völlig zu Unrecht ein Unbehagen, wenn Ihnen etwas als „typisch deutsch“ unterstellt wird. Das allein ist noch keine Kritik.
Schwieriger sind die Anforderungen, die die Autorin an den Verfasser der Kommentare stellt. Sie wünscht, der Kommentator möge einen anderen Tonfall wählen bzw. seine „Argumente in eine etwas gefälligere Form … verpacken“. Ich glaube, hier gehen die Kategorien etwas durcheinander. Auf der Ebene der Kunst ist Form/Tonfall kritisierbar. Auf der Ebene der Kritik geht es um die Argumente/Analysen selbst. Dabei künstlerische Maßstäbe ansetzen zu wollen, ist so als wenn ein Tenor seinen Kritiker bittet, er möge doch bitte seine Kritik singen.
Bei erneuter Durchsicht, ist meine Kritik nicht unhöflich gewesen, bis auf die Namensbaselei von Arborektum. Sorry, dafür. Was das Duzen angeht, bitte ich das Bier nach der Lesung abzuwarten.
Zum Thema Respekt möchte ich sagen, dass meine Kritik die Autorin als Künstlerin ernst genommen hat. Das wird schon allein aus der Bezeichnung „Autorin“ deutlich. Ich habe sie z. B. nicht als „Bloggerin“ bezeichnet. Wie jeder weiß, ist das in Kreisen von Schriftstellern inzwischen eine beliebte, kumpelhafte Herabwürdigung. So wie „Du Taxifahrer“ unter Formel 1-Piloten.
REPLY:
Na, wenn Ihre Frau das sagt. Dann ist ja alles objektiv geklärt.
REPLY:
Seine Frau meint womöglich auch, dass heute Abend alle ganz scharf darauf sein werden, mit ihm ein Bier zu trinken. Und ihm dann das Du anzubieten. 😉
REPLY:
Ich seh schon
die geschwenkten Transparente vor mir: Mach mir ein Kind, Konradin!
REPLY:
Zum letzten…
Herr Konradin, wie Ihre Frau den Ton Ihrer Äußerungen bewertet, ist hier insofern unerheblich, als dass Sie sich nicht auf dem Blog Ihrer Frau befinden. Mich stört weniger der Inhalt Ihrer Äußerungen, als der apodiktische Tonfall, in dem Sie Ihre Meinung vertreten. das hat nichts mit einer künstlerischen Form Ihrer Gesprächsbeiträge zu tun, sondern ist lediglich ein Gebot der Höflichkeit – seinen Gesprächspartner stets als jemanden zu behandeln, der möglicherweise eben auch recht haben könnte.
Stellen Sie sich einfach vor, Sie befinden sich an meinem Teetisch und plaudern mit ein paar anderen Damen und Herren: Auf die Idee, die Namen der (Ihnen zumal fremden) Personen zu verballhornen, unaufgefordert zu duzen, und die Meinung Ihres Gegenübers nicht nur als möglicherweise unzutreffend, sondern als geradezu kriminell zu bezeichnen, würden Sie da doch auch nicht so schnell kommen?
Dass hier – trotz der Kommentarmöglichkeit – eben keine offene Diskussionsplattform steht, sondern ein persönliches Blog, sollten Sie einfach akzeptieren. Passen Ihnen die Gepflogenheiten hier nicht, so können Sie sich gern auf Don Alphonsos Rebellmarkt schlagen, wo es gern einmal etwas heftiger zur Sache geht als hier. Oder Sie eröffnen ein eigenes Blog. Oder Sie suchen eins der vielen Foren auf, die das Internet zu bieten hat. Was Ihren Respekt angeht, so ist es mir, dies einmal angemerkt, völlig egal, ob Sie mich „ernst nehmen“ oder nicht: Ich bin keine Schriftstellerin, ich führe ein Blog, und die Bezeichnung als „Bloggerin“ ist insofern zutreffend. Sofern für Sie der Begriff des „Bloggers“ etwas Pejoratives an sich hat, sollten Sie sich vielleicht doch einfach von Blogs fernhalten, in denen eingestandenermaßen nicht wissenschaftlich diskutiert, nicht nach der Wahrheit gerungen, nicht Kunst produziert, sondern schlicht ein wenig vor sich hin geplaudert wird.
REPLY:
liebe modeste,
über diesen beitrag und die kommentare konnte ich mich allerdings erst amüsieren nachdem ich versucht habe mir ihren teetisch vorzustellen …
wirklich sehr respektlos der konradin.
ihn an don a. zu überweisen, damit er sich dort amüsiere … versteh ich nicht
p.s.
beleidigend fand ich einige ihrer bekannten gäste
dafür sind diese aber auch bekannt
REPLY:
Beim werten donalphonso tauchen öfter einmal Leute auf, die auf Krawall gebürstet sind, er stutzt sie dann schon zurecht.
REPLY:
sie sprechen sicher aus erfahrung?
REPLY:
Ja, Herr Enrgaver, der eine oder andere meiner Gäste verwechselt gerne einmal den melancholischen Salon mit einem Boxring, aber nach einer Weile beruhigen sich die meisten Herren ja auch wieder. Damen benehmen sich übrigens selten daneben. Und der Don Alphonso ist für konfliktgeneigte Menschen doch eigentlich immer eine gute Adresse – für nicht konfliktgeneigte Leute aber natürlich auch.