Nein, ich habe nichts gegen München. Ich hege wirklich keine Vorbehalte gegen die Hauptstadt aller Bayern, und würde sogar den Umzug an die Isar erwägen, würde nächste Woche Berlin von einem Meteorit pulverisiert. Heute allerdings …
Aber beginnen wir von vorn.
Gegen 14.00 Uhr breche ich in der Münchner Innenstadt auf. Ein nur kleines Köfferchen und eine noch kleinere Handtasche ermöglichen den weiteren Transport per U-Bahn, die zu nutzen, wie Münchener mir versichern, unbedenklich sei. Der Flughafen sei – so einheimische Experten – auch nicht zu verfehlen. Den Weg schreibt man mir auf.
Nicht aufgeschrieben hat man mir allerdings den richtigen Tarif. Vor dem Automaten stehe ich also recht ratlos. Eine Zone, denke ich mir, ist sicherlich zu wenig, schließlich liegt der Münchener Flughafen bekannt weit weg, und aus den Transrapid-Plänen ist – wie die Welt weiß – nichts geworden. Zwei Zonen erscheinen mir auch ziemlich riskant, man will ja sicher gehen, denke ich mir, und so schiebe ich zehn Euro in den für Banknoten vorgesehenen Spalt und drücke auf die Taste „München XXL“. Dann steige ich auf die Rolltreppe und fahre los.
Neben mir zieht ein junges Mädchen die ganze Zeit an einem Kaugummi. Auf der anderen Seite des Ganges unterhalten sich zwei junge Männer im Anzug über eine dritten, der ein ziemliches Rindvieh sein muss, oder zumindest im Kollegenkreis als solches gilt. Wie andere Leute wohl über mich sprechen, überlege ich, und male mir aus, was man wohl über mich sagen könnte, wenn man mich nicht mag.
„Ihr Fahrschein bitte.“, unterbricht ein älterer, grauhaariger Mann meine Gedanken. Knollig sieht er aus, überzogen mit roten Äderchen, und auf der Stelle regt sich in mir eine kräftige Antipathie. Wortlos strecke ich ihm mein München XXL-Ticket entgegen. Zehn oder zwölf Sekunden starrt der Schaffner unverwandt auf den kleinen Fetzen Papier. Dann schaut er auf. „Sie haben kein gültiges Ticket.“, behauptet er, so laut, dass die Anzugmänner aufsehen und ihre Suada über das abwesende Rindvieh stockt.
Das Ticket, erfahre ich, reiche nicht aus. München XXL umfasse keineswegs auch den Flughafen. Vielmehr sei München XXL kurz vor dem Flughafen zu Ende. Und nein, nachlösen ginge nicht. Und einfach bezahlen könne er mir nicht raten, denn mit einem gelösten, wenn auch unzureichenden Ticket habe man Einspruch einzulegen, Nachweise zu führen, und dann könne man, wenn die Einspruchsstelle gnädig sei, mit einer geringeren Strafe rechnen.
„Das ist mir egal. Ich habe keine Lust auf Scherereien.“, verkneife ich mir nur knapp und zücke mein Portemonnaie. Nein, verweigert der Kontrolleur die Zahlung. Karten nehme er nicht. Meine Adresse möchte er haben, meine Visitenkarte reicht ihm nicht einmal, wenn ich ihm den Personalausweis danebenhalte, und so stehe ich auf dem windigen S-Bahngleis am Flughafen, während mein Boarding schließt, und lasse mir aufschreiben, wohin ich mich zu wenden habe, um sodann am anderen Ende des Flughafens mein Ticket nach Berlin umbuchen zu lassen, ziemlich viel Geld zu bezahlen für den nächsten Flug nach Hause und eine Stunde auf den ziemlich unbequemen Stühlen im Terminal herumzusitzen, Kaffee zu trinken, ein bisschen vor mich hin zu schäumen und darüber nachzudenken, ob die Verkehrsbetriebe der Stadt München ein Ticket, dass den Großraum München offenbar in wesentlichen Aspekten nicht abdeckt, eigentlich absichtlich München XXL genannt haben, um Reisende zu verwirren.
Tradition
Es ist nicht lange her, da war Bayern in weiten Teilen arm. Seine Bewohner lebten
davon, ihre Kinder zu verkaufen oder Reisende auszuplündern. Anklänge an dieses
traurige Gewerbe der Wegelagerei finden sich heute im Verkehrswesen und der
Gastronomie, denn eines, aber auch nur eines, ist dem Bayern heilig: die Tradition.
Dieses dusselige Streifenkarten-System der Münchner Verkehrsgesellschaft hat schon Heerscharen in Verzweiflung getrieben, ich persönlich halte es für eine weitere Granteligkeit der Einheimischen, sich so etwas Bescheuertes auszudenken. In der zweiten Hälfte der 1980er habe ich regelmäßig während der Ferien in München gearbeitet. Jedesmal wenn ich mich nur länger als 30 Sekunden in der Nähe eines Fahrkartenautomatens aufhielt, fragte mich jemand Verzweifeltes, wie das denn nun mit diesen Tarifen und Fahrkarten funktioniere. Selbst die Einheimischen können es einem nicht auf Anhieb erklären – ich habe mal tagelang viel zu viel bezahlt, weil mir eine ältere Münchnerin falsche Infos gegeben hatte.
Taxi wäre billiger gewesen;-)
Ansonsten empfehle ich den Flughafenbus statt der S-Bahn.
wieder ein fall für amok e.v.
Ein Beleg dafür, warum ich diese Stadt nicht mag und als „die verbotene Stadt“ bezeichne.
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MVV
Der Münchner Verkehrs Verbund pflegt die bayerischen Traditionen im besonderen. Beruflich habe ich viel mit den ganzen deutschen Verkehrverbünden, -verbänden und -unternehmen zu tun. Die arbeiten alle irgendwie zusammen, oder zumindest gegeneinander. Nur die Münchener, die wollen mit all dem nix zu tun haben. Freistaatlichkeit auch in Hinblick auf öffentlichen Verkehr.
Dass der Herr Stoiber nicht gerade ein begnadeter Freisprecher ist, stimmt zwar. Aber das Debakel seiner berüchtigten Transrapid-Rede ist ohne Zweifel zumindest teilweise dem Schwurbel geschuldet, den das Münchener Nahverkehrs-Tarifsystem in seinen Synapsen hinterlassen hat.
Letzthin habe auch ich in München ein Ticket aus dem Automaten gezogen und entging nur knapp der öffentlichen Steinigung, weil ich es zwar gekauft, aber nicht abgestempelt hatte. — ABSTEMPELN, HERRGOTT NOCHMAL!
Und das mir, der ich einst dort geboren wurde. Sehr peinlich, das Münchner Fahrscheinsystem.
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Abgestempelt hatte ich immerhin. Allerdings hat sich die ortsübliche Wegelagerei noch eine Extraschleife ausgedacht, um auch dem letzten Reisenden ans erhöhte Fahrtentgelt zu kommen.
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Die Einheimischen machen das wahrscheinlich mit Absicht.
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Das nächstemal fahre ich auch wieder Taxi.
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Man hat ja nie Waffen dabei, wenn man sie braucht.
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So weit würde ich da gar nicht gehen, man kann wirklich gut einkaufen, auch viele Einheimische sind nett, aber in die U-Bahn steige ich nicht so schnell wieder.
ohje. ja, der mvv bleibt selbst einheimischen ein geheimnis….
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nein.
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Na, dann bin ich ja immerhin nicht allein mit meinem Problem.