Letzte Runde

Dass es nicht ging, höre ich und nicke und suche vergeblich nach Worten. Dass es sich falsch angefühlt hat, obwohl der Mann wohl das letzte Aufgebot des Lebens war, das sie eigentlich führen wollte: Zwei Kinder, ein Haus in Zehlendorf, ein Hund, ein Sandkasten im Garten und ein Halbtagsjob. Er sei genau gewesen, wonach sie gesucht habe, aber gegangen sei es nicht, und nun sei es vorbei.

Ich löffele meine Suppe mit schlechtem Gewissen. Ich habe vor zwei Jahren wie alle anderen zu dem Kompromiss geraten, der sich nun als untragbar erwiesen hat. Es kam mir vernünftig vor, damals, dass man dann, wenn man bis zu einem bestimmten Alter ein bestimmtes Leben führen möchte, ein paar Kompromisse schließen muss. Dass man dann, wenn nur ein einziger Mann dieses Leben teilen mag, keine großen Ansprüche stellen kann was Verliebtheit angeht, Magnetismus meinethalben, dieses unerklärliche, nicht mit gutem Willen herbeizufälschende Interesse an jeder Faser, jeder Regung, an allem, was den anderen ausmacht.

Dass früher und in anderen Kulturen, irgendwo sonst auf der Welt, Vernunftehen auch nicht schlecht funktionieren, hat so gut wie jeder behauptet. Dass die Verliebtheit sowieso drei, vier Jahre dauert und es dann egal sein wird, ob man sich mal toll fand, glaube ich meistens auch. Dass das Konzept der Liebesehe nicht älter ist als so circa 200 Jahre, und dass die Menschheit ja nicht ausgestorben ist, davor, und vermutlich nicht durchweg unglücklich war in all den früheren Jahren, wird auch sie sich oft genug gesagt haben, aber dann war das Glück doch zu klein und zu grau und zu sehr zum Heulen.

Das werde schon wieder, behaupte ich, um etwas Nettes zu sgen, und tunke ein Nigiri mit Lachs in die Sauce. Die Stadt sei voller Männer, die heiraten wollen, zwei Kinder, ein Haus in Zehlendorf und so, und dass sie beim nächsten Mal vielleicht alles auf einmal haben werde, und auf nichts Elementares verzichten müsse, aber sie schüttelt den Kopf, denn das Glück sei für einige da und für andere nicht, und daran zu rütteln sei müßig.

14 Gedanken zu „Letzte Runde

  1. Mit wachsenden Erfahrungen und Erkenntnissen lebt es sich nicht immer besser.

    Nur realer.

    Und das ist oft grau-hässlich. Ohne Süßstoff. Und manchmal wortlos.

    Danke für den tollen Text.

  2. Hmm.. „mein Text“ , meine Situation, als würdest Du über mich schreiben. Andere Stadt, die Kinder sind schon da. Und ich habe mich nicht getrennt von dem, der leider Kompromiss ist. Noch nicht? Weiß gerade nicht, ob es tröstet, dass es anderen genauso geht wie mir. Oder ob es hoffnungsloser macht.
    Hat unsere Generation nicht gelernt, wie das geht mit der Liebe?

  3. Nichts gegen Häuser, Kinder oder Halbtagesjobs, aber für mich klingt das, als ob jemand so oberflächlich wäre, dass er sich in einem Werbespot einrichten möchte, und dann noch so dumm ist, dass er sich wundert, dass so ein „Lebensentwurf“ nicht glücklich macht. Dieses „Glück“ ist nicht für einige da und für andere nicht. Es existiert einfach nicht.

  4. „Hat unsere Generation nicht gelernt, wie das geht mit der Liebe?“

    Was hat denn die Situation zum Text mit Liebe zu tun? Da sucht jemand bestimmte Gefühle in einem bestimmten Setting, die möglichst dauerhaft konserviert werden können.

    Aber Ihre Frage, liebe Süchtige, liest sich auch bereits so, als ob wir unter Liebe ohnehin was anderes verstehen.

  5. REPLY:
    Das ist, glaube ich, kein Generationenproblem, nur war der Kompromiss wohl vor ein paar Generationen unausweichlicher, wie es eben ist, wenn man jemanden nicht gar so großartig findet, aber schon als Ernährer braucht. Nun sieht es anders aus, man kann auch ohne (wenn man keine Familie will), und damit ändert sich die Bewertung eines solchen Kompromisses. Unglücklich war man, wie ich annehme, in anderen Zeiten wohl auch.

  6. REPLY:
    Ich glaube nicht, dass es hier um eine Wunschvorstellung ging, die oberflächlich gewesen wäre, sondern um ein echtes Dilemma zwischen zwei Idealvorstellungen, die in diesem Einzelfall zumindest in dem Zeitfenster nicht vereinbar waren, den sie sich eingeräumt hat: Romantisch verliebt zu sein einerseits, und andererseits in einer klassischen Familienstruktur zu leben. Der Mann, in den sie damals verliebt war, wollte weder sie noch so eine Familie, und heute lebt er nach wie vor allein und kinderlos in Mitte. Der Mann, mit dem sie damals zusammengekommen ist, hat ähnliche Lebensvorstellungen wie sie, und sie dachte, das reiche aus.

    Ich kenne einige Frauen, die in dieser Beziehung mehr Glück hatten und sich in Männer verliebt haben, die ebenfalls sehr konventionelle Familienmodelle präferieren. Ich habe das Gefühl, es geht ihnen gut dabei. Ich möchte das nicht leben, aber als Lebensentwurf ist es sicher legitim. Es ist halt schwierig, wenn man eine Vorstellung von seinem Leben hat, zu deren Verwirklichung man zwingend einen anderen braucht.

  7. REPLY:
    Hier stößt das Konzept romantischer Liebe gegen die Limitationen des Konzepts der Versorgerehe. Die Schnittmengen sind heute möglicherweise schon rein zahlenmäßig nicht mehr sehr groß.

  8. REPLY:
    Ach, ich bin diese „Madame-Bovary-im 21. Jahrhundert- Geschichten“ leid. Sie häufen sich in meinem weiträumigeren Umfeld und führen nur zu Verdruß. Hunde, Kinder, Partner, Häuser und romantisches Kribbeln sind doch keine hinreichenden Lebensinhalte, auch wenn sie manchen nachvollziehbarererweise für ein gutes Leben notwendig erscheinen. Je mehr sich die Leute auf Rahmenbedingungen statt auf Inhalte konzentrieren und obendrein in zeitgeistig verordneter Glücksmaximierung Romantik und Sicherheit unter einen Hut bringen wollen, desto unglücklicher machen sie sich und andere. Es ist gemein, Menschen diese Wünsche als glücklichmachend einzupflanzen und ihnen womöglich noch ein Gefühl des Scheiterns zu suggerieren, wenn es nicht 100% klappt. Ich weiß nur nicht, wen man verantwortlich machen soll: Individuum, System, Gene, Gott? Ich bin für Gott, da ist man gleich beim größten anzunehmenden Arschloch im Universum.

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