Fußkrank

Ich habe gehört, dass ein Franzose namens Wurst ein Buch darüber geschrieben hat, wie schlecht die deutschen Frauen flirten. Vermutlich ist da Einiges dran. Die deutschen Männer jedoch, oh Leserin, oh Leser, haben an diesem Umstand ein gerüttelt Maß Mitschuld, denn in Wahrheit verhält es sich doch so: Deutsche Männer haben beim Flirten Plattfüße.

Lächeln Sie als eine mittelalte, mittelgroße und mitteldicke Frau morgens in der M 4 nach Mitte einen beliebigen Mann freundlich an, weil er so schöne Haare hat zum Beispiel, dann schaut Sie dieser Mann mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit mit einer Mischung aus Ratlosigkeit und Misstrauen an. Nun gut, ein wandelnder Männertraum sieht anders aus, zugegeben – aber ist das ein Grund auszusehen, als habe man dem betreffenden Herrn im Anzug gerade kräftig und schmerzhaft in die Wange gekniffen? Vermutlich denkt der Betroffene des visuellen Überfalls gerade angestrengt nach, woher er einen kennt, kommt zu keinem Ergebns und vermutet eine Wahnsinnige? Was geht in den Herren vor, die irgendwo auf einer der etwas offizielleren Weihnachtsfeiern der Stadt neben einer Frau an einem Fingerfood-Buffet stehen und statt ein paar netter Worte über Shrimps und Roastbeefröllchen oder so einfach nur äußern, man möge ihm eine Serviette reichen und sich dann abwenden?

Auch nicht anders sieht es aus auf den Parties im eher privaten Rahmen. Wenn jemand sich mit Ihnen unterhält, dann macht er Ihnen garantiert keine Komplimente. Vermutlich fragt er, was man denn so mache, denn das machen sie immer, die Männer dieser Stadt, weil sie das zwar auch nicht mehr interessiert als ein Sack Reis in China, aber etwas anderes fällt ihnen ganz offensichtlich nicht ein. Geschmikt und geschmückt, parfumiert und enthaart, sorgfältig angezogen und einladend lächelnd stehen dann die weiblichen Gäste in fremden Küchen und fragen sich, wieso sie den ganzen Abend sehr ernsthafte Gespräche um internationale Politik oder den Kunstmarkt führen müssen. Komplimente müssen teuer sein. Anders ist das alles nicht zu erklären. Noch viel irritierender sollen die Reaktionen sein, wenn man selbst zur Offensive übergeht. Dass der Angefallene nicht einfach wegläuft, scheint noch die Optimalreaktion darzustellen.

Lächelt aber einer mal, macht möglicherweise hinreißende Komplimente und kann dann auch noch tanzen, ist man ganz verwirrt. In überproportional vielen Fällen ist dieser Herr dann aus fremden Landen, aber stammt derjenige schlicht aus Ulm oder Herford, dann reagiert man leicht irritiert, ein wenig verlegen (was ist das?), lächelt ein wenig unsicherer zurück, als eigentlich beabsichtigt und verdient, und wenn dann einer publiziert, die Berliner Frauen seien ein wenig, nun, spröde, dann hat er vermutlich recht.

Schuld, hier sei es einmal festgehalten, haben aber eigentlich die anderen.

30 Gedanken zu „Fußkrank

  1. Geschätzte Madame Modeste, die Frage woher diese Verhaltensauffälligkeit kommt dürfte der mit der Henne und dem Ei vergleichbar sein. Der warm- und offenherzig flirtende männliche Deutsche muß schon einen ziemlichen Dickschädel haben, um diese Wesensart nicht ganz schnell wieder abzulegen, so verheerend nichtexistent sind die Reaktionen. Ich bitte Sie: schicken Sie eine männliche Versuchsperson gegen eine unbekannte, nichtsahnende weibliche Probandin mit der Anweisung, nach kurzer Vorstellung ein wunderbares Kompliment abzugeben. Beobachten Sie die Körpersprache.
    Und der gänzlich andere Eindruck bei Ausländern, den Sie beschrieben… in fremden Landen, wenn plötzlich *jede* nette Wort-/Blickkombination eine überschwengliche Reaktion hervorruft, schauen Sie als Mann auch erstmal weniger eloquent. Selbstredend nur kurzzeitig, man muß ja diese Gelegenheiten aufgreifen um die doch etwas festgefahrenen Flirt-Register zu durchlüften und durch Anwendung aufzufrischen.

  2. Diesen Umstand nutze ich gerne dazu, selbst eine dieser wundervollen, wohlduftenden, leuchtenden Frauen anzulächeln und mich ein Weilchen mit ihr zu unterhalten, mir ein Augenglitzern und Grübchen im Mundwinkel von ihr abzuholen, ihre schönen Hände dabei zu bewundern, wie sie mir den Teller mit den Scampispießen reichen. Habe mir damit schon manchen Abend gerettet.

  3. Tja. Nicht einmal drei Sätze benötigt Frau und schon ist Mann schuld. Gleichberechtigung bedeutet auch Gleichverpflichtung. Wie viele Komplimente verteilen Sie denn so?

    Und Blicke zählen nicht.

  4. Ich werde auf keinen Fall mehr aus heiterm Himmel heraus Komplimente machen – viel zu viele schlechte Erfahrungen. Komplimente gebe ich grundsätzlich nur noch auf Steilvorlagen, dann aber sehr gerne, reichlich und von Herzen.

  5. REPLY:

    Einfaches Rezept, wie man Frauen am besten Komplimente macht: leiten Sie stets mit der unverfänglichen Frage ein “Hören Sie gern Komplimente?“ – ich kann Ihnen versichern, dass der überwiegende Großteil der Angesprochenen daraufhin erwidern wird “Welches denn?“ Dann machen Sie Ihr Kompliment. Ein kleiner Teil wird Ihnen erwidern “Nein,“ – um daran mit der Gegenfrage anzuknüpfen “Welches wäre es denn gewesen?“ Dann verraten Sie es ihr. Und lediglich eine verschwindende Minderheit wird dezidiert mit einem “Nein.“ antworten. Auch recht, wenn sie Ihr Kompliment nicht hören will, wird sie’s halt nie erfahren.
    Es ist ganz einfach 😉

  6. REPLY:

    oder auch österreicherinnen. letzte woche beim skiopening in der nähe von innsbruck habe ich wieder drei tage lang nur gedacht: man, haben die alle den dreh raus. da war selbst der check-in beim abflug ein echtes erlebnis. über den gesprächsverlauf lach ich mich heute noch weg.

    aber davon ab – ich muss frau modeste natürlich recht geben. der deutsche mann ist im durchschnitt unflirtable. der magische, leuchtende moment des augenblicks zwischen den polen eines ernsthaften gespräches über irgendeine berufskacke und direkt in die kiste ist den meisten männer völlig fremd.

    denn, wo soll denn da der spaß liegen?! (o;

  7. Herr nömix ist Österreicher, man merkt das :-)))
    Mit der Flirterei und den Deutschen haben sie so Recht, Frau Modeste, dass es schon weh tut.
    Ich flirte nämlich gerne. Das kommt daher, dass die Städte, aus denen meine Eltern sind, früher zu Österreich gehört haben. Und dort lernt man das vermutlich , verbindlich zu sein, zu loben, charmant eine Unterhaltung zu eröffnen und zu bewundern. Ein bißchen zu zwinkern und nett zu sein.
    Hinausgeworfen in die kleine Welt, hat man mir klar gemacht, dass das nicht gewollt ist, unpassend. Und so flirte ich auf Reisen, was das Zeugs hält. überall auf der großen Welt versteht man diese Sprache.
    Nur auf heimatlicher Erde denkt man, ich will was von jemandem, wenn ich was Nettes sage. Ach, ihr Männer, freut euch doch, wenn eine Frau sagt, Ihr hättet so nette Grübchen beim Lächeln.
    Ach Frau Modeste, ihr Text hat Verschüttetes ausgegraben. Ich flirte wieder 🙂

  8. REPLY:

    Aber irgendwer muss doch damit angefangen haben? Wann hat der erste Deutsche auf ein nettes Lächeln zum ersten Mal so befremdet weggeschaut, als habe man gerade Fratzen gezogen? Wer ist schuld an diesem merkwürdigem Kollektivversagen? War es Hitler? Ist Luther schuld? Müssen wir die Ursache im alten Preußen verorten? Oder handelt es sich um ein angestammtes Verhaltensmuster, das schon Tacitus angetroffen und nur zufällig nicht dokumentiert hat?

  9. Ich war ja nur insgesamt drei Mal in Berlin und das eine Mal liegt schon sehr lange zurück. Aber von den letzten Besuchen war ich begeistert, wie nett die Berlinerinnen und Berliner reagieren und auch auf harmlose Scherze eingehen können.
    Ich glaube, dass Komplimente ohne eine kleine Prise Humor nicht funktionieren können. Es muss das Zurückstecken ohne Gesichtsverlust möglich sein. Es ist schon schlimm, wenn man einer Frau Komplimente macht und danach so betrachtet wird, als hätte man eben versucht, wieviel „sexual harassment“ hineingeht.
    Ich versuche im täglichen Leben immer Komplimente anzubringen, allerdings solche, von denen ich annehme, dass der oder die Betroffene sich selbst damit bestätigt fühlt.
    Ich muss allerdings gestehen, dass ich nur mit einer Deutschen verheiratet bin. Ich selbst hab diese Staatsbürgerschaft leider nicht.
    — (Warum eigentlich „leider“?)

  10. REPLY:

    Ist ein gutes Rezept:)

    Wenn ich jemanden nicht so gut oder noch gar nicht kenne, drücke ich Bedauern aus: „Mein Gott na, ich würde Ihnen so gerne ein Kompliment machen, aber …“ Der Rest des Satzes veschwindet in trauernder Miene.
    Dann kommt „ach so“ oder ein schnippisches „Warum tun Sie es dann nicht?“ Und der Rest geht dann so wie oben weiter:)

  11. REPLY:

    Aber die deutschen Männer freuen sich im Berufsleben durchaus, wenn sie von Österreichern angelächelt werden. Sie freuen sich, wenn man dem Job etwas Angenehmes abgewinnen kann oder ihn nicht so tierisch ernst sieht.

  12. Mir kommt bei der Lektüre spontan in den Sinn, dass mein Mann (Wiener mit Charme und Stil vom Scheitel bis zur Sohle) einmal erzählt hat, wie erstaunt er war, als deutsche Berufskolleginnen zum Beispiel panisch-unbeholfen bis erschrocken-abwehrend darauf reagiert haben, wenn er ihnen ganz selbstverständlich in den Mantel helfen oder eine Tür aufhalten wollte.

  13. @walküre

    Falls es irgendeiner Bestätigung bedarf, kann ich hier als Zeuge auftreten.
    Es trifft aber auch zu, dass sie sich nach dem anfänglichen Schock durchaus ganz erfreut in diese Praktiken hineinfügen:)

  14. REPLY:

    Kaiserzeit! Versuchen Sie mal mit Pickelhaube, hochpomadierten Schnurrbartenden und Husarenuniformjackenkombination zu lächeln. Keine Chance!

    Übrigens hat ihr Artikel in den letzten beiden Tagen einer Reihe netter Damen eine Reihe ebensonette Komplimente beschert. Und tatsächlich: die meisten haben sich gefreut!

  15. Ein Rätsel. Rätsel der Menschheit!
    Obwohl ich das rätselhafte Verhalten viel seltener bei Herrn beobachte, die vor dem zweiten Weltkrieg geboren wurden. Leider altersmäßig nicht ganz Ihre Zielgruppe. (Meine auch nicht). Ein (der Frauen wegen und insbesondere einer) nach Litauen ausgewanderter Berliner, den ich auf der kurischen Nehrung kennenlernen durfte, erzählte mir unter vier Augen, dass ihm besonders die Art der litauischen Frauen (die abgesehen davon überdurchschnittlich attraktiv und in der Mehrzahl sehr selbstsicher auf mich wirken, so eine kess-aparte Mischung aus Schmusekatze und widerspenstiger Kratzbürste, witzig dazu) gefallen hätte, wie sie auf wohlgemeinte (und wohlgemerkt nicht plumpe) Komplimente reagieren würden, im Vergleich zu ähnlichen Situationen mit Berliner Frauen – sie könnten die Komplimente einfach souverän annehmen und drehen einem Mann keinen Strick daraus, oder so ählich. Nun weiß ich nicht, in welchen Berliner Bars sich der Mann herumgetrieben hat und mit Annäherung über Komplimente auf Granit gebissen hat. Für meine Begriffe war er überdurchschnittlich attraktiv, viril und feinsinnig dazu. Ein Verlust für Berlin, dieser Mann. Mir wird ganz sentimental. Ein seltenes Exemplar. Ich hingegen nehme prinzipiell jedes Kompliment begeistert an und fordere mehr!

  16. ich gebe ihnen aus vollstem herzen recht. ich bin in italien aufgewachsen, wo es nachgerade als unhöflich gilt, mit einer frau gar nicht zu flirten, komplimente sind dort gern gegeben, ein dezenter und eleganter flirt ist bestätigung meines frauseins, in berlin fühlte ich mich als frau immer eher unsichtbar. besonders diese berliner parties! gruppen sich kennender männer unterhalten sich intensiv miteinander, man kann dann minutenlang daneben stehen, ohne auch nur wahrgenommen oder gar ins gespräch eingeschlossen zu werden. wirft man dann einen satz oder scherz in die gruppe, wird der höchstens mit einem kurzen blick registriert, dann ist man wieder draussen. die schüchternheit der männer geht dabei vollkommen nahtlos in schlechte erziehung über, flirts sind schon gar nicht möglich, nur plumpe anmache, sobald der alkoholpegel das gestattet. da hat man dann männer, die den ganzen abend geschwiegen haben, plötzlich feucht seufzend am hals hängen – es ist mir ein rätsel, wie beziehungen in deutschland zustandekommen können. bei eigenen festen bin ich dazu übergegangen, alle gäste ausführlich einander vorzustellen, um wenigstens eine hürde aus dem weg zu schaffen.

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