Alt, grau und gebrechlich

Ich, wissen Sie, ich falle ja langsam auseinander. Letzten Samstag zum Beispiel, da saß ich mit dem J. und dem F. im Alt Wien um die Ecke, und auf einmal – schwupp – war diese Schraube weg, die man mir kürzlich in den Kiefer gedreht hatte, damit ich da mal einen Stiftzahn bekomme. Letzten Donnerstag – also nur drei Tage zuvor – war ich so erkältet, dass der HNO den eigentlich einheitlich geplanten Eingriff auf zwei Wochen aufgeteilt hat, und zu alledem hatte ich eine fiese Bindehautentzündung, die dazu geführt hat, dass ich wegen der mir Donnerstag früh verschriebenen Salbe tagelang kaum was gesehen habe und zu alledem auch noch meine 12 Jahre alte Brille tragen musste, die ich aufsetze, wenn ich will, dass alle Leute lachen.

Insgesamt ist die Entwicklung beunruhigend. Gott, ich habe letzte Woche drei Ärzte besucht. Nicht gerechnet die Hausärztin, die ich besuchen sollte und es nicht getan habe, weil ich so schrecklich erkältet bin, aber zu der ich so ungern gehe, weil sie Leute stundenlang warten lässt, um Hypnosen durchzuführen. Außerdem hat sie mir mehrfach esoterischen Killefit verschrieben, und ich habe das erst in der Apotheke an diesem komischen Streifen auf der Packung bemerkt, mit der die pharmazeutischen Unternehmen die Attrappen ihrer Waren kennzeichnen.

Wo aber, frage ich mich besorgt, soll das alles noch enden? Ich bin noch keine 40. Bei auch nur linearem Anstieg meiner Krankheitssymptomatik gegenüber dem Zustand in den vergangenen Jahren sitze ich schon nächstes Jahr nicht nur pro Woche bei drei, sondern bei sechs Ärzten, also sozusagen an jedem Wochentag und am Wochenende einmal ins Krankenhaus zum Notdienst. In drei Jahren brauche ich Arztpraxen quasi nicht mehr zu verlassen. Und in zehn Jahren liege ich dann irgendwo, und die Ärzte laufen rein und raus, weil ich gleichzeitig Schnupfen, Polypen, Schuppen, dicke Mandeln und eingewachsene Fußnägel habe.

Gelegentlich aber mache ich mir Sorgen. Also so richtige Sorgen. Denn möglicherweise ist das gar nicht einfach nur lästig. Möglicherweise ist das der Anfang vom Ende. Nicht so dramatisch mit Operationssälen und so. Mehr so tragikomisch mit Runzeln, Vergesslichkeit und Gicht. Vielleicht, sage ich mir und versuche, keine Grimassen zu ziehen, weil das so hässlich macht, ist das nun das Alter. Jetzt geht es nur noch bergab. Hilfe, denke ich. Darauf bin ich nicht eingerichtet. Keine Ahnung, wie man das so halbwegs mit Haltung hinter sich bringt. Und erst recht keine Ahnung, was man eigentlich den ganzen Tag macht, wenn man alt ist. Außer bei Ärzten herumzusitzen, natürlich.

6 Gedanken zu „Alt, grau und gebrechlich

    1. Morgen, oder? Sind wir nicht morgen verabredet? Ich hoffe, J hat die Kekse noch nicht restlos vertilgt, aber ich denke, so leer sind die Dosen noch nicht.

  1. Ach, das klingt ja grauenvoll, man überreicht die innigsten Besserungswünsche und hofft es wird nicht soweit kommen, dass Sie selbst den Glavinic aus der Hand legen, um seufzend die Apothekenumschau zur täglichen Lektüre zu erheben. Gute, allerbeste Genesungswünsche.

    1. Dankeschön! Morgen steht der nächste Arztbesuch an. Immerhin, dank der reichlich ausliegenden Periodika in Wartezimmern bin ich wieder gut informiert über Trivia aller Arten.

  2. Wie jetzt? Sie haben eine Schraube lo- also, ich meine, diese Schraube ist aus dem Kiefer verschwunden? Ihnen gelingen ja formidable Sachen. Das muß doch fest sein bis in alle Ewigkeit. (So versprach man mir.) Wenn man sich nicht einmal auf diese Sache als fest verankert berufen kann… ojemine. Viele Menschen werden übrigens im Alter fitter, auch ein erstaunliches Phänomen. Sie werden das in Würde schaffen.

    1. Einen kurzen Moment wurde mir ganz anders, als der Arzt mit ernst gerunzelter Stirn fragte, ob ich seit dem Verschwinden der Schraube auffällig husten würde. Zum Glück huste ich praktisch immer.

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