Bernsteintage, Montag (7)

Kennen Sie eigentlich die Ming Dynastie? Das ist ein Restaurant an der Jannowitzbrücke, also so zwischen Mitte und Kreuzberg, direkt gegenüber der Chinesischen Botschaft, wo man sagenhaft gut isst. Ich bin wahnsinnig gern da, und von all den guten Sachen, die man da bekommt, mag ich das Mapo Tofu am liebsten.

Als meines Wissens einzige Speise des Hauses bekommt man das Mapo Tofu in einer flachen Glasschale. Es handelt sich um feinen, weichen Tofu, den man, glaube ich, Seidentofu nennt, der mit sehr feinen Hackfleischkrümeln in einer roten, pikanten Sauce schwimmt. Gemüse spielt bei diesem Essen quasi keine Rolle.

Am Montag Mittag aber begab ich mich nicht in die Ming. Am Montag bestieg ich ein Taxi und fuhr gen Charlottenburg, wo in der Kantstraße ein zweites gut beleumdetes chinesisches Restaurant belegen ist, das Good Friends heißt. Ich war da verabredet, hatte auch noch einen befreundeten Kollegen dabei, und bestellte eine Nudelsuppe mit Ente, denn noch lieber als Mapo Tofu esse ich Nudelsuppen, und die sind da ziemlich gut. Das Good Friends gehört nämlich zu den wenigen Restaurants, die sich die echten roten Enten glänzend ins Schaufenster hängen.

Mein Kollege bestellte das Mapo Tofu. Kurz beneidete ich ihn und bedauerte einmal mehr, nicht die Nudelsuppe und das Mapu Tofu essen zu können. Dann aber erschien unser Essen. Ich riss die Augen auf. Gut, auf dem Glasteller bestehe ich nicht. Doch der Tofu war kein Seidentofu, sondern der normale, gebackene Tofu, den man so kennt. Die Sauce war quasi kaum vorhanden. Stattdessen war das Gericht über und über mit Erbsen bedeckt. Es war – dies bestätigten die Mitesser – eigentlich kaum zu erkennen. Es war anscheinend trotzdem ganz gut.

Nach dem Essen begann ich zu sinnieren. Verhält es sich mit dem Mapo Tofu vielleicht wie mit Gulasch? Handelt es sich also um ein eher vage konkretisiertes Gericht, das bei jedem Chinesen anders schmeckt, wie ja auch mein Gulasch keine einzige Tomate enthält, sondern nur Rind, Wein, Zwiebeln und ganz, ganz viel Kümmel und Paprikapulver? Und andernorts hauen andere Leute dosenweise Tomaten an ihr Gulasch aus Schwein? Oder sind wir dem Good Friends auf die Schliche gekommen, dass sich anders als man meint, doch nicht der echten und wahren chinesischen Küche verschrieben hat? Oder ist andersherum das Mapo Tofu der Ming nicht das Wahre? Oder es ist alles halb so wild, aber der Koch kann exakt diese Speise nicht ausstehen, und hat sie deswegen abgewandelt, weil er Erbsen liebt?

Ich werde nachsehen müssen. In China. Demnächst. Nächstes Jahr. Oder übernächstes. Bis dahin verraten Sie mir vielleicht, wie es sich mit dem Mapo Tofu verhält.

11 Gedanken zu „Bernsteintage, Montag (7)

  1. Jetzt habe ich doch mal im Internet geschaut – so als nachmittägliche Ablenkung und die Wikipedia schreibt:
    „…wird…in zahlreichen Variationen zubereitet. Die Hauptzutaten sind Hackfleisch und Tofu…“
    Bei einer so vagen Rezeptbeschreibung scheint ja alles möglich.
    Eventuell kommt der Koch aber auch aus Kaiserslautern, denn das Studierendenwerk dort bietet unter „Mapo Tofu“ Hackfleisch mit Tofu und Erbsen an. Man weiss es nicht…
    Und damit widme ich mich nun meinen in Basilikumbutter geschwenkten Käse-Gnocchi (und freue mich über die Restaurant-Tipps).

      1. Ja! Seit jetzt! Das war die „Selbst-gemachte- Gnocchi-Premiere“. Der Prototyp sozusagen. Die Konsistenz ist auf Anhieb gelungen, geschmacklich eigentlich auch, etwas mehr Würze im Teig wäre noch besser gewesen. Ich werde weiter daran arbeiten.
        (Nach jahrelangem berufsbedingtem Verzehr von häufig wenig schmackhaftem 0815-Hotelessen gehört dieses Experimentieren in der Küche für mich auch unbedingt zum Luxus.)

  2. Mapo Tufo ist ursprünglich ein scharfes Gericht und stammt aus Sichuan. Es besteht aus Tofu, einer Chili/Bohnen Soße, Hackfleisch, Knoblauch, Frühlingszwiebeln, Gewürfen und Reiswein. Es hat sich von dort aus über China und Taiwan verbreitet. Wie so üblich, wurde es überall ein wenig den lokalen Geschmäckern angepasst und verändert. Man findet es auch in Japan
    (https://www.youtube.com/watch?v=4Hmc04JWBCk) und Korea.
    Meine Frau stammt aus Taiwan und kocht es auch ab und zu. Erbsen gehören da aber nicht rein – das scheint eine Version aus Berlin zu sein. Wahrscheinlich aber nicht ganz so schlimm wie das Sushi mit Wurst(!), was ich mal auf dem Buffet eines Chinarestaurants(!!) gefunden habe.
    Also, auf nach Sichuan, wenn es die Originalversion sein soll.

  3. Ach ja, noch was zum Gulasch: laut Wikipedia ist das Original „Gulyás“ eine Suppe. Das, was außerhalb als „Gulasch“ bekannt ist, entspricht eher dem ungarischen „Pörkölt“ (also einem eingekochten „Gulyás“). Beiden Versionen ist aber gemeinsam, dass sie mit Fleisch, Zwiebeln, viel Paprika und ohne Tomaten gemacht werden. Tomaten findet man dann in den zahlreichen Variationen wie „Kesselgulasch“ (ungarisch: Bográcsgulyás), „Zigeunergulasch“ oder auch im „Rindergulasch“.

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