Montag, 6. Juli

Ich will gar nicht die ganze Zeit von Klagenfurt sprechen. Das können andere ja auch viel besser. Da rede ich doch viel lieber über meine Haare. Das ist ein unerschöpfliches Thema. Ich habe nämlich ziemlich viel Haar, kiloweise Haar sozusagen, mehr als Rapunzel, würde ich sogar schätzen, und wenn an meinen Haaren ein Königssohn und eine alte Hexe hingen, dann fiele das immer noch nicht auf. So viele Haare habe ich.

In Lebenslagen mit Prinz und Hexe wäre soviel Haar natürlich auch ganz nützlich. Im normalen Leben allerdings sieht ein Haufen Haar total schnell komisch aus. Ich beispielsweise in den letzten Wochen, wenn ich zufällig mal an einem Spiegel oder einer Scheibe vorbeigegangen bin: Wie ein Wollknäuel, lauter Haar und keine Frau, und dabei bin ich bekanntlich keineswegs zierlich und dünn.

Vor meinem Urlaub leider keine Chance. Friseure haben immer nur dann geöffnet, wenn ich arbeite. Und wenn ich mal nicht arbeite, und Friseure habe trotzdem auf, dann wollen da alle hin, und dann: Termin in vier Wochen. Da habe ich dann keine Lust, bedanke mich, gehe, und im Ergebnis dauert es viel länger als vier Wochen. Am letzten Mittwoch sehe ich also aus wie ein mächtig zerraufter Besen.

Am Donnerstag – inzwischen in Klagenfurt – reicht es mir. Ich schwitze unter meinen zwölf Kilo Haaren wie nichts Gutes. Ich habe außerdem über Mittag – die zweite Vormittagslesung endet um 12.00, die erste Nachmittagslesung beginnt um 13.30 – etwas Zeit. Ich steuere deswegen einen Friseur an. Ich kenne mich ja vor Ort nicht aus. Ich gehe also einfach zum nächsten.

Als ich die Tür öffne, pralle ich zurück. Es ist circa 30° C warm, eine Luftfeuchtigkeit wie am Amazonas, und vor mir sitzen drei ältere Damen unter Hauben oder mit Lockenwicklern oder Aluwickeln im Haar und lesen in der Gala. Ich bleibe unschlüssig stehen. Als eine ältere, ziemlich untersetzte Frau auf mich zukommt, ist es zu spät zu verschwinden. Ich schwitze pro Minute zwar einen Liter Flüssigkeit aus, aber das ist jetzt egal. Ich werde auf einen Stuhl gesetzt, man wäscht mir die Haare, und dann wirbelt die Friseurin um mich herum. Dabei redet sie unaufhörlich auf mich ein und schildert mir ein Musical, das sie vor ein paar Monaten in Berlin gesehen hat. Ich grunze ab und zu schwach, aber das scheint ihr als Antwort zu reichen.

Als der unglaublich kraftvolle Föhn ausgeht, sehe ich in den Spiegel. Einen mulmigen Moment fürchte ich mich vor einer Dame mit einer zementierten Dauerwelle, aber dann sitze da doch nur ich. Meine Haare sehen ziemlich gut aus. „Super.“, sage ich, und die Friseurin nickt befriedigt und redet unbeirrt weiter. Es geht jetzt um ein anderes Musical.

Der Haarschnitt ist billig. Ich zahle nicht mal die Hälfte, verglichen mit Berlin, stecke verlegen und dankbar einen Zehner ins Schwein, und radele davon. Ich muss wieder nach Klagenfurt, drehe ich mich zufrieden vor einem Fenster.

Dann steige ich vorm ORF-Theater vom Rad und werde ganz still.

2 Gedanken zu „Montag, 6. Juli

  1. Ich weiß, ich weiß, hatte ich auch mal. Alles nur geföhnt. Deshalb bei mir nur noch Topstylist. Drunter geht gar nix mehr. Je mehr Haare, desto schwieriger zu schneiden. Hat mir mal eine gestanden, die auch nicht zurecht kam.

    1. Aus irgendeinem Grunde gibt es bei mir keinen Zusammenhang zwischen investiertem Geld in meine Frisur und deren Aussehen. Ich habe schon sehr gute, teure Friseure besucht und sah danach aus wie das Haupt der Medusa an einem verkaterten Montagmorgen, und war für 10 EUR an der Ecke schnell Spitzen schneiden und sah super aus. Es scheint Zufall zu sein.

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