Siena (oder auch nicht)

Mose, wie man weiß, hat das gelobte Land auch nicht selbst betreten, sondern ist im Angesicht der grünen Triften Kanaans verstorben. Verstorben immerhin sind wir nicht, aber als wir im Auto saßen, Ortseingang Siena, fing es wahnsinnig an zu regnen. „Wir kehren wieder um.“, beschloss der geschätzte Gefährte und fuhr an. Vor uns lag die Porta Romana im Regen, hinter uns die Aussicht auf Rückkehr auf den Bauernhof, ganz direkt hinter uns saß allerdings jemand, der blass aussah und auf einmal begann zu schreien. Der F. schreit sehr selten, deswegen muss man das beachten, insbesondere wenn der Schrei davon handelt, ihm sei übel und er müsse brechen. Das tut er dann auch, zum Glück nicht im, sondern neben dem Auto.

An sofortiges Weiterfahren ist nicht zu denken. Es regnet auch gar nicht mehr so stark. Mose glaubt, er werde doch noch im Heiligen Land auf der Terrasse sitzen und Rotwein trinken. Wir parken also, steigen aus und laufen die Via Roma entlang Richtung Dom.

Wenn es mir schlecht geht, dann kann das dauern. Wenn es F. schlecht geht, verlangt er zehn Minuten später nach Pizza und Eis, denn das hat die Evolution für Kinder so vorgesehen, damit auch Autokotzer beständig weiterwachsen. Wir halten also erst an einer Eisdiele an, dann an einer Bäckerei, wo wir drei Stück Pizza mitnehmen und auf der gegenüberliegenden Straßenseite aufessen. Der J. studiert die Aushänge vor Maklerbüros und schaut sich an, was wir hier für eine Mio. Euro bekämen. Die haben wir zwar gar nicht, auch möchten wir gar kein Haus in der Toskana kaufen, aber das macht nichts. Der geschätzte Gefährte hat mit derselben Intensität auch schon in Bangkok nach Häusern geschaut.

Als wir weitergehen nimmt der Regen zu. Wir sind noch 400 Meter vorm Dom, da beginnt es auf einmal schrecklich zu schütten. Wir laufen, auch der F. läuft, das Wasser spritzt, nach weniger als einer Minute ist mein T-Shirt durch, und dann flüchten wir uns in das erste Lokal, das wir sehen. Es gab viele anziehende Cafés auf dem Weg, aber hier ist es scheußlich. Die Wände sind orange gewischt wie in einem ewigen 1993. Die Möbel billig mit blauen Knubbeln, es läuft der Fernseher, und außerdem sitzen da außer uns nur andere Touristen. Meiden die Einheimischen diese Pizzeria vielleicht wegen ihrer Schmutzigkeit und des schlechten Essens?

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Wir bestellen gleichwohl. Überraschenderweise ist die Pizza super. Für diese Pizza würde man in Berlin gefeiert. Ich bin eigentlich satt, schließlich habe ich schon die Bäckerpizza gegessen, aber trotzdem verschlinge ich meine Pizza bianco mit Trüffelsauce, kippe einen Wei hinterher und warte darauf, dass der Regen aufhört. Der Dom. Das Gelobte Land.

Stattdessen schließt die Pizzeria. Alles wartet darauf, dass wir gehen, man bestellt uns freundlich ein Taxi, aber natürlich kommt kein Taxi, während vermutlich gerade die ganze Stadt auf ein Taxi wartet. Es schüttet immer noch, als habe der liebe Gott sich diesmal wirklich entschlossen, sich das nun keinen Moment länger anzuschauen.

Irgendwann kapitulieren wir. Mose setzt sich auf seinen Berg und verstirbt, ohne den Dom gesehen zu haben. Der J. läuft vor, wir hinterher, kaufen noch einen Regenschirm und setzen uns in den Wagen. Wir sind sehr, sehr nass. Als wir Siena knapp hinter uns gelassen haben, hört der Regen auf.

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