Sozusagen Glück gehabt

Sitze ich also – vorletzte Woche vielleicht – mit Freund M. im Sorsi e Morsi, nette Bar im Prenzlauer Berg, um noch so ein wirklich allerletztes Glas auf den Heimweg zu trinken. Draußen schon so ein wenig ungemütlich, drinnen wie immer dunkel und voll und verraucht, Rotwein und Negroni auf den Fisch in der Fischfabrik und das Bier in dieser italienischen Craft Beer Bar in der Prenzlauer Allee.

Sitzt vor uns ein Paar, nein, ein Date eher. Ein etwas reservierter Mann, durchaus soignierter Bürger im Vorbereitungsstadium Ende 20, und ihm gegenüber eine leicht exaltierte Frau, nicht die höhere Tochter, die er mal heiraten wird, sondern eher die Kategorie Mädchen, die zwar schon so irgendwas studieren, aber dann eher nicht so Lektorin bei Hanser werden, sondern eher Sozialarbeiterin mit nebenbei Kellnern.

Sie legt sich mächtig ins Zeug. Sie gestikuliert, sie lacht eine Nuance zu laut, sie schüttelt ihre Haare und schaut ihn herausfordernd an. Er dagegen weicht immer weiter zurück, den Oberkörper leicht zurückgelehnt, und sein Unbehagen steht ihm so sichtbar ins Gesicht geschrieben, dass sie mir fast ein bisschen leid tut, und der M. und ich schauen uns schon als reine Zuschauer der Szenerie peinlich berührt an.

Geschickt wäre es jetzt an ihrer Stelle, das Tempo herunterzufahren oder einfach zu gehen und sich mit jemandem zu verabreden, der auf leicht übersteuerte Leute steht. Statt dessen kippt sie, ob aus Nervosität oder mit Absicht, ihr Wasserglas um und bespritzt ihn schrill lachend mit den feuchten Fingern, was er, so wie er aussieht, nicht einmal bei Frauen schätzen würde, die er wirklich mag. Geniert schaue ich an den beiden vorbei und überlege, ob und wann ich eigentlich genauso peinlich wirke und segne meinen Schöpfer dafür, solche Gelegenheiten auf der Stelle zu vergessen.

Als beide gehen, schauen wir uns an. Auf dem Boden neben ihren Platz glänzt feucht das verschüttete Wasser. Aus diesen beiden wird wohl kein Paar, denke ich und trinke den obligatorischen Limoncello. Nicht mal für die nächsten paar Wochen. Dann stehen wir auf der Straße, die beiden sind nicht mehr zu sehen, und ich bin so dankbar wie selten, verheiratet zu sein, weg vom Markt dieser Eitelkeiten, nicht mehr gezwungen, mich vor fremden Leuten lächerlich zu machen, wenn ich mich melde, oder ständig mein Telefon zu fixieren und ungeduldig darauf zu warten, dass die sich melden, und mir Gedanken zu machen, was irgendwas zu bedeuten hat, was vermutlich überhaupt nichts zu bedeuten hat, über irgendwen mehr als flüchtig nachzudenken, herumzugooglen, was bei ersten, zweiten, dritten, vierten Dates passieren sollte, weil man ja nicht weiß, ob das Date nicht doch mit dieser Erwartungshaltung erscheint, ständig sehr hoffnungsvoll oder sehr enttäuscht zu sein, und verdränge auf dem Weg durch den dunklen Prenzlauer Berg, wie oft ich sehr glücklich war, damals, lachend auf den Wellenkämmen der heiteren Meere, und die Sonne so gleißend, das Salz des Lebens so glitzernd wie nie.

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