Atmen

Ich kann nicht wegschauen: Tag und Nacht rattert es durch mein Telefon, durch meine immer unruhigeren Hände, durch meinen Schlaf: Präsident Trump, Giuliani, Merkel, Drosten, Frankreich, Spanien, Tschechien. Italien. Italien.

Nun also auch die Toskana, erfahren wir am Donnerstag in der Sonne zwischen den Hügeln vor Peccioli. Fahren wir nicht morgen, dann müssten wir zwei Wochen in Quarantäne, und könnten der J. und ich das noch mit Home Office und bestelltem Essen überbrücken, so wäre es für den F. eine ziemliche Katastrophe. Wir fahren, beschließen wir freitag früh, und dann stopfen wir unser gesamtes Gepäck schnell in unsere Koffer, sagen den Ausritt am Abend ab und die letzten Reitstunden am Samstag morgen. Ich tröste den F., bitte um die Rechnung und es tut mir so leid, dass auch die anderen Deutschen vorzeitig abreisen. Gerade hat der Hof sich halbwegs vom Frühjahr erholt, nun wird es wohl wieder knapp.

Als wir fahren, lege ich meine linke Hand auf meine zuckende Rechte. Über Monate ging es ganz gut mit mir, aber nun schmerzt abends ab und zu mein Kiefer vor Anspannung, meine Schultern muss ich jede Stunde wieder weich und locker atmen, und mein Hals schmerzt ab und zu vom Geradehalten und es dauert jeden Morgen ein bisschen länger, bis mein Körper sich anfühlt wie in irgendeinem anderen Jahr.

2 Gedanken zu „Atmen

  1. Ich hoffe, der Urlaub war bis zu jenem Freitag trotzdem schön und erholsam.

    Eine Oberärztin einer Uniklinik für Kieferkram verriet mir vor Jahren einmal eine hervorragende Übung gegen verspannte Kiefermuskulatur:

    Die Zunge so weit wie möglich herausstrecken und dann locker zwischen den Zähnen einklemmen. 18 ruhige Atemzüge lang so halten.

  2. Mir geht’s wie Ihnen. Wir waren in Südtirol (aber planmäßige Abreise die Woche davor). Dort nicht mal ein Fall gewesen im ganzen Tal. Eine wunderbare Auszeit.
    Und dann…
    Die Anspannung bleibt und steigt wieder, die steigenden Zahlen machen mich kirre, ich verstehe nicht, warum es so schwer ist, sich auf 6, 7 Kontakte zu beschränken oder wenigstens sich einzeln zu treffen und draußen spazieren zu gehen. Entwickele übrigens wieder die merkwürdigen Verhaltensweisen des Frühjahrs: Wenn alle im Bett sind, noch zwei Stunden am Handy daddeln, einfach nur den Kopf beschäftigt halten…
    Habe mir eine Angsttherapie verordnet: Was ist das Schlimmste, was ich mir für mich vorstellen kann? Das hat ein wenig geholfen. Und weiterarbeiten und weitermachen.

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