Frau Berg nervt

„An der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur kotzt mich vor allem die Kraftlosigkeit an.“, schleudere ich zwischen Hähnchenschenkeln und Brokkoli auf den Mittagstisch. „Da fehlt es an Saft, an Energie und einfach an Aggressionen, auch an Auseinandersetzung.“ „Ganz falsch,“ hält mir der Besuch entgegen und verweist auf Sybille Berg.

Sybille Berg kann ich nicht ausstehen.

Die Karriere der Sybille Berg ist an mir, die ich ja nun nicht gerade berufsmäßig Bücher lese, jahrelang komplett vorbeigegangen. Irgendwann war ich einmal auf einer Lesung, das muss Jahre her sein, und sah der sehr dünnen Frau Berg beim Vorlesen zu. Ihre Bücher habe ich danach natürlich nicht erworben.

Wie es Sybille Berg überhaupt gelungen ist, sich die Gunst des Feuilletons zu erwerben, ist mir insbesondere schleierhaft, nachdem mir ein wohlmeinender Mensch zum Weihnachtsfest ein schwarzgebundenes Buch mit dem schönen Titel „Ende gut“ übergeben hat, dass ich nunmehr, schon fast ein Hochfest später, auch durchgelesen habe.

Die Handlung ist natürlich völlig egal: Aufgrund terroristischer Angriffe geht die Welt unter, die aufgrund von persönlichen wie beruflichen Enttäuschungen frustrierte Heldin entflieht der Katastrophe irgendwie nach Skandinavien und lebt dort am Schluss mit einem stummen Mann zusammen.

Was höre ich für ein dumpfes Gemurmel aus den verschlungenen brodelnden Tiefen des Netzes? Das sei doch ganz aufregend, irgendwie? Ja, hätte es sein können. Wenn Frau Berg die Handlung ernst genommen hätte, den Untergang der westlichen Zivilisation unter schmerzvollen Krämpfen, die Trauer um das Unwiderbringliche, den Ekel und die Befriedigung über den Hingang des Unerträglichen von mir aus, aber dieses Billigkaleidoskop von Charakteren, die zu flach sind, als dass es sie in dieser Form irgendwo auf Erden geben könnte, ist zu langweilig, als dass es den Handlungsstrang vergolden könnte. Aggressionen gegen Pappkameraden gelten nicht.

Ärgerlicher als der Inhalt fast ist die Sprache. Ekel und Überdruss als literarische Topoi sind nicht das schlechteste; eine im negativen Sinne überaus sinnliche Erfahrung bedarf aber einer adäquaten Sprache: Ich will nicht nur beschrieben haben, dass die Heldin Ekel empfindet, ich will den Ekel selber nachvollziehen können. Mokant-quengelige Äußerungen über Geschenkartikelverkäufer oder Leute, die in lebenreformorientierten Gemeinschaften hausen, brauche ich nicht. Dass solche Menschen nicht diejenigen sind, denen ich meine Nächte widmen werde, ist mir ebenso klar, wie jedem anderen bisweilen denkenden Wesen. Das hölzerne, schrille Piepsen der Sybille Berg erinnert ein wenig an das Leiden an der Welt weltenferner Schulmädchen, die die Welt aus dem Fernsehen gar nicht gut finden.

23 Gedanken zu „Frau Berg nervt

  1. humor hat man oder nicht

    du wohl nicht
    über geschmack kann man ja net streiten
    aber wer solch offensichtliche ironie nicht erkennt
    wer zynismus nicht verträgt
    wer es nicht schafft sich mal 10 minuten selbst nicht ersnst zu nehemen
    der tut mir leid
    und sollte die finger von frau berg lassen
    da sie in jenem fall den horizont des lesers überschritten hat

  2. REPLY:

    noch eine vernichtende kritik. 🙂
    streit über geschmack ist tatsächlich müßig, humor kitzelt auch nicht immer an derselben stelle, vollautomatisch sozusagen. und ob überschritten nicht eigentlich unterschritten bedeutet, das steht ohnehin auf einem anderen blatt.
    doch die tauglichkeit von ironie und zynismus in der literatur wäre einen kleinen disput durchaus wert. scheint mir eher ein lebenskonzept zu sein, unvermeidbar mitunter. aber wie weit führt das? ausformuliert?
    (kenne leider frau berg nur von wenigen essays, zu wenig, um hier und jetzt weiterzuspinnen.)

  3. REPLY:
    Oh, ein totes Fanbunny!

    Autoren und -innen kann man auch an ihren fanatischen Lesern und Leserinnen messen. Und da sieht es für Sybille Berg gerade schlecht aus. Literatur-Roadkill sozusagen.

  4. REPLY:
    Hasenbraten zum Frühstück

    Nein, deathbunny, auch da haben Sie leider vollkommen unrecht – wenn es sich auf Erden überhaupt um irgendetwas zu streiten lohnt, dann um Geschmack.

    Aber zur Sache: Die veredelnde Wirkung des Umstandes, dass Menschen etwas anderes schreiben, als sie meinen, halte ich für komplette Kokolores. Ich hätte zwar allen, die nach dem 11.09. das Ende der Ironie ausgerufen haben, aus verschiedenen Gründen höchstpersönlich auf den Kopf hauen können, die literarische Qualität eines Buches hat mit dem Ironiefaktor aber nur am Rande etwas zu tun. „Krieg und Frieden“ wäre kein großartigeres Buch, wenn der Autor den schamhaften Umweg der Ironie gewählt hätte. Ich habe nichts gegen Ironie. Aber sie reicht nicht.

    Im Falle der Elaborate von Frau Berg kommt hinzu, dass jegliche Aussage, die ironisch gebrochen oder nackt und direkt diesem Buch innewohnen mag, sich durch einen unerträglichen Grad an Plumpheit auszeichnet. Würde ich dazu neigen, an der Welt zu leiden, würden mir die Existenzen und die Lebenswelt, deren Untergang sich Frau Berg ausmalt, auch auf den Keks gehen. Diese billige Überheblichkeit, die aus dem eigenen Unbehagen am Leben anderer Honig saugt, ist mir aber auch nicht gerade behaglich. Tja, und am Ende bleibt – Frau Berg schreibt schlecht. Schlecht. Flach und schrill und billig. Egal was das Feuilleton schreibt.

  5. Von Frau Berg habe ich nichts gelesen. Ironie und Satire sind aber großartige Haltungen in der Literatur – wenn man es denn beherrscht. Nehmen Sie Swift („A Modest Proposal“ – das schreit doch schon nach Ihnen ;-)) oder Laurence Stern („Tristram Shandy“)… und (lange Name-dropping-Liste geschenkt) viele mehr.

    Es ist ja nur eine Frage des Stils und des Blickwinkels, nicht etwa der eines absoluten Qualitätsurteils.

  6. REPLY:

    Aber klar, Ironie kann großartig sein. Ich wage aber mal zu behaupten, dass Frau Bergs Hervorbringungen auch dann bescheiden wären, wenn sie jedes Wort todernst meinen würde. Frau Berg schreibt einfach miese Bücher.

  7. REPLY:
    nervt

    Schon. Aber ihr Talent ist unbestritten. kann auch sein, daß IHNEN der Sound nicht passt. Das abgehackte. Und so fort. Aber es ist der Sound der Zeit. Es ist die Hysterie. Der Wahnsinn.Ich hab mich mal tierisch mit ihr gefetzt. Aber sie ist ne GUTE. Kein Frage. Der obige Text ist dagegen schlecht. Voll mit bürgerlichem Dünkel. Langweilig geschrieben. Hochnäsig im Ausdruck. Wie man die „Truppe“ eben seit Jahren kennt
    Aber zieht euch warm an, Kinder. Wir holen auf. Einige von uns. Viele. …n` Germansitikstudium reicht heute nicht mehr aus, um gut tippen zu können. Da kommts inzwischen auf andere Sachen drauf
    an.

    Grüsse…..

  8. REPLY:

    Nun, Herr Gert, das Talent der Frau Berg wird durchaus bestritten. Zumindest hier. Und ob der abgehackte Modus nun der „Sound der Zeit“ ist, ist mir herzlich wurst. Zum „Sound der Zeit“ gehört vermutlich auch dieses durchdringende Piepsen, welches aus den Telephonen jugendlicher S-Bahnfahrer dringt, ohne dass diese Eigenschaft in meinen Augen als ein Qualitätskriterium gelten könnte. Das ist mir nämlich ganz egal, und wohl auch kaum maßgeblicher Sinn einer literarischen Hervorbringung.

    Was Sie über meinen Text denken, können Sie mir gerne mitteilen, dazu ist die Kommentarfunktion da. Wer grundsätzliche Kritik üben möchte, täte jedoch gut daran, über ein paar negative Attribute hinaus, seine Ansicht ein wenig zu belegen. Langweilig? Von mir aus. Aber ein bißchen mehr Butter müssen Sie schon aufs Brot streichen. Und was die „Truppe“ angeht, haben Sie vermutlich ein wenig daneben geschossen. Meine Truppe hat keineswegs Germanistik studiert – ich wage sogar zu behaupten, dass es da gar keine Truppe gibt. Sie schießen da gerade auf die falschen Spatzen.

    Die Fähigkeit, gut schreiben zu können, hängt meiner Ansicht nach lediglich mit der Fähigkeit zusammen, gut schreiben zu können. Nichts anderes auf Erden beinflusst meine Wertschätzung lebender wie toter Autoren. Und ob Sie gut schreiben können – das können Sie gerne belegen, wenn Sie nicht aus dem Dunkel schießen, sondern eine URL verlinken, bei der man´s sieht. Oder den Beleg Ihrer stolz herausposaunten Fähigkeiten mangels URL einfach dazuschreiben.

  9. REPLY:
    ……

    Ich habe ja nie behaupted, daß ICH gut schreiben kann. Frau Berg hat mir mal ganz klar ein Grenze aufgezeigt.
    Dafür habe ich mich direkt mit ihr gestritten. Das war sehr erhellend.

    Ich kritisiere IHREN Text, weil er für mein Gefühl einfach schnöselig klang. Ich kann auch nichts dafür, daß er so bei mir ankam.—
    Frau Berg zu kritisieren, ist einfach, weil der „jungendliche „Ton, den sie stilistisch benutzt, leicht zu einer Unterschätzung führen kann.Aber tut mir leid…..SIE benutzen so seltsam gestelzte Redewendungen, daß es auf mich nicht sonderlich interressant wirkt. Wie wärs mit ein wenig Bescheidenheit,…
    im Ausdruck.?

  10. REPLY:

    Wie wär´s mit ein wenig Zurückhaltung – wem es hier nicht gefällt, der kann sich gern woanders amüsieren. In meinen seltsam gestelzten Redewendungen, Herr Gert, unterhalte ich mit Vergnügen jeden, der sich hier wohlfühlt. Wer sich von den Trivialia meiner Existenz angeödet abwendet, für den dürfte das Netz groß genug sein. Viel Spaß also woanders.

  11. REPLY:
    Modeste?

    Aber, aber.
    Aber. Aber. Wer wird denn gleich eingeschnappt sein? Jeder Schriftsteller, jeder
    Zeitungsfuzzi, würde ihnen sagen:
    Adjektive und Adverbien nur mit äusserster Vorsicht benutzen!
    Wenn überhaupt. Jeder noch so gute Text wird dadurch schlecht. Wirklich jeder.
    Erlauben können sich das nur die absoluten“ Grössen“, und selbst da nervt es noch manchmal.
    Ich sag`s mal so brutal: NOCH können sie nicht schreiben. das Ganze ist elend. Nicht zum Anhören
    Aber wenn sie sich gehörig aufgeregt, ihre Wunden geleckt, an einer vernichtenden Replik gefeilt, und ne Nacht drüber geschlafen haben, werden sie mir irgenwann Recht geben. Entrümpeln sie ihren Kram. Adverbien
    und Adjektive raus. Gnadenlos. Präzise WORTE und echte Argumente rein..
    Dann wirds.—– Wartens sie`s ab.

  12. REPLY:
    ….

    Und MODESTE? Ich bitte sie? …..MODESTE?

    Wie wärs mit Hannelores Plauderstübchen? Oder hier schreibt Elke? Oder einfach,
    -bei Karla-.
    Geht doch auch.

  13. REPLY:

    @Gert: Blogs sind keine Schreibwerkstatt. Frau Modeste schreibt hier nicht, um den Stil der Journalisten zu lernen. Davon gibt es genug. Frau Berg verkauft Bücher, sie muß sich der Kritik stellen. Frau Modeste schreibt zu ihrer und zu unserer Freude – solange sie nicht danach fragt, hat niemand das Recht, ihr Ratschläge zu geben.
    Und wenn sie ihre Leser fragen würde, so würden wir über ihr Talent anders urteilen als Sie, lieber Gert. Suchen Sie sich bitte eine andere Spielwiese.

  14. REPLY:

    Herr Gert, Sie verkennen den Charakter eines Blogs. Es geht hier nicht darum, so schreiben zu lernen, dass man sich ins Herz des Feuilletons schleimen könnte oder würde. Sie befinden sich hier nicht in einer literarischen Arena, sondern schlicht in den Katakomben meines überbordenden Mitteilungsbedürfnisses. Also benehmen Sie sich so, wie Sie es in einem Café tun würden, in dem Sie einer Person gegenübersitzen, die Ihnen Geschichten erzählt. Hier geht es nicht um Kunst, sondern um pures Vergnügen. Ihre Meinung zur stilistischen Seite dieser Veranstaltung ist daher nicht gefragt.

  15. REPLY:

    wie eigenartig, daß sich dieser disput unter meiner bemerkung abspielt.
    aber da es nun einmal so ist, hier einige weitere randbemerkungen zum thema schreibwerkstatt und stilkritik:
    die these, daß adjektive und adverbien – wer immer in der lage sein sollte, diese auch noch zu unterscheiden – zu tilgen sind als wären sie unkraut, ist ist weitverbreitet und hochmodern. sicherlich spricht auch einiges dafür. in erster linie sind sie jedoch nicht als falsch oder richtig zu bewerten, sondern es läßt sich lediglich darüber diskutieren, da es sich zunächst einmal um neutrale stilmittel handelt. ähnlich wie die wiederholung oder der postmodern fragmentarische stil. alles andere als die diskussion ist unsinn.
    (ich bin beinah sicher, daß frau M, deren hiesige bezeichnung mir ungemein treffend scheint, gute argumente ins feld führen würde. wenn sie denn überhaupt interesse daran hätte.)
    des weiteren scheint mir fragwürdig zu sein, eine rein stilistische analyse zu betreiben, wo es letztendlich doch immer um stil und inhalt und den bestehenden korrelationen geht. flexibilität wäre mir persönlich jederzeit wesentlich wichtiger, als das beherrschen eines wie auch immer gearteten zeitgemäßen stils.
    dies alles ohne direktem zusammenhang zu dem hier bestehenden amüsanten storyblog, als rein literarische anmerkungen, die ich mir definitiv nicht verkneifen konnte. 😉

    off topic: könnte GERT nicht möglicherweise eine frau sein?

  16. REPLY:
    Modeste….

    Tue ich, Frau Modeste, das tue ich.
    Wenn sie mich nicht runterputzen, bin ich ganz artig. Also lassen sie uns reden wie zwei erwachsene Menschen. Natürlich ist die Kritik subjektiv. Auch polemisch. Auch unartig. Aber es gibt auch Gründe dafür.– Kleiner Nichtangriffspackt: Wenn sie mich provozieren, mich von oben herab behandeln, besudele ich weiter ihr LITERARISCHES Forum. Nicht ICH hab was zu verlieren, sondern SIE. Zweitens: wenn SIE angreifen, und zwar ein Schriftstellerin, die ziemlich interessant ist, und ihnen zumindest formal haushoch überlegen ist, ist es doch kein Wunder, schliesslich einen Fan im Haus zu haben, der SIE angreift.
    Aber Schwamm drüber.—-Kontroverse Leute werden immer angegriffen. Das liegt in der Natur der Sache.— Zum Beispiel jetzt, bei diesem kleinen In-Fight ist meine Kritik berechtigt, weil Texte bei der Berg als Lyrik, oder als formales Experiment verstanden werden könnte.
    Zum einen.
    Dann weiss „Berg“, was sie tut.
    Selbst, wenn manche Redewendungen nicht klassisch sind, sind sie stilistisch hervorragend. Da lasse ich nichts drauf kommen. Sicher kann man Figurenzeichung ,und so kritisieren. Aber bei WEM wäre das nicht der Fall . Ich bleibe dabei, daß sie ihr nicht das Wasser reichen können.Und immer dran denken. Je garstiger sie zu MIR sind, umso bösartiger werde ich.

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