Die Heimsuchung (auch: der Couscoussalat)

Die ganze Woche ernähren Sie sich unglücklich und schlechtgelaunt von irgendwelchem Zeug. Hier ein Stück lauwarme Pizza, dort eine Thai-Suppe aus Fertigpaste mit Bambussprossen aus der Dose, und gelegentlich ein fettiges Halloumi unterwegs. Ab Mittwoch aber denken Sie beim Warten auf die Bahn bereits an Speckknödel, am Donnerstag träumen Sie die ganze Nacht von Rinderbraten, Freitag früh haben Sie heftige olfaktorische Halluzinationen, die mit Schnitzeln zu tun haben, und am Freitag abend endlich sind Sie in irgendeiner Küche zu Gast.

Es werde gefeiert, hat man Ihnen gesagt, und es gebe ein Buffet. Alle Gäste brächten etwas mit. Wirklich scheint der Tisch sich zu biegen, aber neben einem Rest Kartoffelsalat, einer Riesenschüssel grüner Büschel mit Parmesanspänen und ohne Dressing, steht, ja, ganz als hätten Sie‘s gewusst: Dreimal der Couscoussalat von Jamie Oliver, dieses stetige, verlässliche Grundrauschen aller Parties aller Leute, die Sie kennen. Einmal leicht verrutscht in einer pastellfarbenen Tupperschüssel, einmal etwas zu knackig in einer handgetöpferten Schale, die aussieht wie ein Exponat der prähistorischen Sammlung, und einmal einfach so in Glas.

Alle drei Salate sind so gut wie unberührt, denn der Couscoussalat von Jamie Oliver ist eine fast völlig geschmacklose, leicht krümelige Substanz. Zwischen den wahlweise kinderzahnharten oder kinderbreiweichen Couscouskörnern liegen Gemüsestücke, irgendwelche schlappen Kräuter versuchen vergeblich, das Ganze zu aromatisieren, und während Sie die letzten Resten der anderen Salate zusammenkratzen, tritt ein anderer Gast neben Sie und spricht die goldenen Worte:

„Du musst unbedingt den Couscoussalat probieren! Das Rezept ist von Jamie Oliver.“

„Jamie Oliver“ intoniert Ihr Mitgast ungefähr so wie ein gläubiger Christ „die Heilige Jungfrau“ betont – halb ehrfurchtsvoll, halb ungläubig staunend ob der Realität der Jungfrauengeburt, nein: des Couscoussalates, und leicht geniert ob so viel Inbrunst drehen Sie sich weg, beißen sich auf die Unterlippe und suchen nach einer angemessenen und doch höflichen Antwort.

„Jamie Oliver ist ein aufgeblasener Fatzke und hat eine komische Frisur.“, fällt Ihnen ein, aber so etwas zu sagen gilt in Gesellschaft bekanntlich als hochgradig kindisch. „Jamie Oliver’s Rezepte bestehen aus steinhartem Gemüse und schmecken nach nichts.“, könnten Sie statt dessen sagen, aber Ihr Mitgast scheint – der Salat weist es aus – ein großer Anhänger dieses Herrn zu sein, der seine Reputation im Fernsehen erworben haben soll, wo man bekanntlich das Essen nur sehen, nicht aber es verzehren kann, und das, so fällt Ihnen ein, mag das Geheimnis des Erfolgs von Jamie Oliver sein. „Mir sagt Jamie Oliver ja wenig.“, hören Sie sich statt dessen sagen und ärgern sich ein wenig über Ihre schrecklich blöde und grauenhaft belanglose Stellungnahme zu diesem blonden Ärgernis der Gegenwart, das zu bekämpfen jeder billig und gerecht Denkende aufgerufen sein müsste. Ach, da stehen Sie in der fremden Küche, suchen nach passenden Worten, kramen in ihrem Gedächtnis nach Begriffen, die einprägsam, präzise und trotzdem vernichtend die nichtssagende Natur der Rezepte Jamie Olivers bezeichnen, aber dann, lange bevor Ihnen das schlagende, das treffende Wort, die endgültige Auslöschung der verderblichen Dominanz von Jamie Olivers Couscoussalat einfallen mag, ist der Mitgast verschwunden, und nur sein Salat ist noch da.

21 Gedanken zu „Die Heimsuchung (auch: der Couscoussalat)

  1. Nun ja, Jamie hat irgendwo schon seine Berechtigung. Seine Zielgruppe sind halt die Leute, die von Kochen keine Ahnung haben. Da kommt schon manches raus, was nicht schlecht ist, aber so gehäuft ist es einfach langweilig.

  2. Man könnte z.B. zurecht darauf verweisen, dass jemand, der in England ein Starkoch ist, noch nicht unbedingt als Garant für gutes Essen … man wisse ja, die englische Küche … also, bei kochenden Engländern: generell skeptisch. Und überhaupt, zurück zu unseren Wurzeln, her mit der Hausmannskost.
    Oder so.

  3. endlich sagt es (K)eine(r)

    aus mir unerfindlichen Gründen wird auch in meinem Freundeskreis vermehrt Essen mit dem Zusatz „nach Jamie Oliver“ garniert und im Stillen denke ich, also konntet Ihr vorher gar nicht kochen… aber gut, diese Mode wird hoffentlich vorrüber gehen und irgendwann wird es eine sagenhafte italienische Köchin schaffen, seinen Platz einzunehmen.

  4. Allerdings kann Couscoussalat, richtig zubereitet, auch sehr lecker sein. Eine generelle Verunglimpfung muss ich strikt abwehren.
    Über das Rezept von Jamie Oliver möchte ich mir kein Urteil erlauben, da ich es nicht kenne, aber allgemein finde ich seine Art zu kochen doch etwas gar ungewöhnlich und auch seine Rezepte sagen mir eigentlich nie zu.

  5. so ist also couscoussalat der nudelsalat der neuzeit? nur daß ihn keiner isst, weil er nicht variiert werden kann, da er nach rezept zubereitet ist. unter den fünf nudelsalaten einer studentenparty waren wenigstens zwei lecker.
    daß die jamie-sachen so geschmacklos scheinen, kann einfach an den am industriefraß liegen, den gehetzte menschen so unter der woche zu sich nehmen. wer brühwürfel gewöhnt ist, dem schmeckt jede normale fleischbrühe wie spülwasser. da hilft nur entzug, damit sich der geschmackssinn wieder herstellt. mit einer 5-Minuten-Terrine könnte man mich mittlerweile umbringen.
    und frische kräuter aus dem holländischen gewächshaus schmecken im winter halt nach wasser und chlorophyll und sonst nichts…
    jamie olivers verdienst ist, menschen, die jahrelang nur bohnen auf toast kippen konnten, grundregeln von kochen mit frischen zutaten beigebracht zu haben.
    was erzählt denn die werbung? daß ein mann eine atemberaubende frau bei einem candle-light dinner auch mit einer tiefkühlpizza rumkriegt. -würg-

  6. REPLY:

    Ich würde es nicht Jamie Oliver anlasten, wenn Leute seinen Couscoussalat nicht hinkriegen.

    Wie Kittykoma schon anmerkte, hat Oliver einige Verdienste.
    So hat er es mit seiner Kampagne „Feed me better“ geschafft, dass die Regierung mehr Geld für ein besseres Schuldinner bereitstellt.
    Auch bildet er in seinen Restaurants Lehrlinge aus, die anderwo gar keine Chance mehr bekämen.

    Seine Kochshows waren sehr unterhaltsam und informativ. Aber wie gesagt, die Dokus über seine Kampagnen übertreffen das bei weitem.

  7. mir würde es …

    … auch so gehen, wenn mir jemand seinen salat mit Jamie Oliver anpreist und viele auf dem Buffett stehen… Ansonsten Jamie, Tim und wie sie alle inzwischen heißen, hin oder her, Mode hin oder her, Hauptsache es schmeckt. Und mir ist´s dabei egal, von wem das Rezept kommt, wenn ich bekocht werde.

  8. REPLY:

    Abgesehen davon, dass ich nicht weiß, wer Jamie Oliver ist, habe ich noch niemals
    außerhalb des Nahen Ostens bzw. auf Parties von Migranten Couscossalat gesehen.
    Auf den Parties, die ich so kenne, gibt es entweder Bratwürste und gegrillte
    Schweinenackensteaks mit Pommes rotweiß und Kartoffelsalat mit Majo oder aber
    Nudelsalat, diverse Käse und ggf. Raclette, dritte Möglichkeit Hummer, Langusten,
    Gambas, Austern, Jacobsmuscheln.

  9. Naja, natürlich ist die Couscous-Salat-Numme eine öde, aber eine billige, das sagt schon alles. Gegen J. Oliver ist nix zu sagen, der hat schon stellenweise unglaublich gelungene Rezepte auf Lager, natürlich ist er aber tonal echt weichgekocht. ABER: im Kommen sind ja jetzt die chinesischen und japanischen Fernsehköchinen, die auf europäisch-asiatische Küche machen. Das sind auch vornehmlich Frauen und auf der nächsten Party einfach mal die Namen der Frauen zitieren – und Ruhe ist im Karton!

  10. REPLY:

    Na, ich habe auch schon ganz gutes Couscous gegessen. Selbst im Bestfall kann das Krümelzeug indes kaum mit wirklich leckeren Beilagen mithalten. Afrika muss insgesamt eine kulinarisch wirklich traurige Gegend sein.

  11. REPLY:

    Das ist ein großer Irrtum, vgl. hier. http://che2001.blogger.de/stories/744641

    Ein klassisches Couscous enthält außer dem „Krümelzeug“ normalerweise Lamm- Schaf-oder Kalbfleisch, eine Soße auf Joghurtbasis oder eine klassische Bratensoße, außerdem Harissa, eine Chilisoße, die schärfer ist als
    Sambal Oelek (Toppmarke: Phare du Cap Bon) und mehrere verschiedene Arten Gemüse. Couscous ist eigentlich die Bezeichnung für das gesamte Gericht, das Krümelzeug selber heißt Semoule. Neben Ratatouille, Falafel und Fuul stellt Couscous eine der wichtigsten Grundlagen der nordafrikanisch-arabischen Kücche dar, die eine der reichhaltigsten und raffiniertesten der Welt ist und den Vergleich mit
    der chinesischen, indischen, franmzösischen oder italienischen Küche nicht zu scheuen braucht.

  12. Bei Leuten, die nicht kochen könne, Herr (?) Mouchi, möchte man ja aber zu recht auch nicht essen, gebe ich zu Bedenken. Da hilft dann auch kein Kochbuch mehr – Engländer hin oder her. Ich habe in England übrigens, Frau Esparame, schon sehr, sehr gut gespeist, besser als in Afrika, lieber Che, aber das mag mehr an individuellen als an landestypischen Gegebenheiten gelegen haben, wer weiß das schon.

    Dass auch hier demnächst Heerscharen vorbei kommen, Frau Silmanja, die nach Couscoussalat suchen, finde ich gut. Die wissen dann wenigstens gleich, nach was sie nicht weiter suchen sollten, und sollten besser hier nachschauen, wenn es den englisch sein soll. Oder da, wo man zwar nicht englisch, aber lecker speist.

    Sexy finde ich blonde Herren, Frau Aqua, ja sehr selten, und in diesem speziellen Fall dürfte keiner der seltenen Ausnahmen vorliegen, fürchte ich. Der bräuchte mir, Frau Kittykoma, weder mit Tiefkühlpizza noch mit Menü kommen, wobei ich an dieser Stelle jedoch nochmals anmerken möchte, dass die Zubereitung üppiger Mahlzeiten für nette Damen eigentlich so gut wie jeden Mann ziert. Man sollte mehr bekocht werden, finde ich, und es ist eine Schande, meine Herren, dass man mir nicht mehr zu essen kocht.

    Was seine Kampagnen angeht, so mag dieser Herr, Frau Loreley, sicherlich seine Verdienste haben – aber sein Couscoussalat gehört nicht dazu. Da sind wir uns, Herr Haase und Herr Indirekte Rede, einig. – Vielleicht schmecken, Herr Caesar, ja andere Produkte aus Couscous, ich kenne indes bisher keine; alles, was man mir in Marocco et al vorgesetzt hat, war äußerst unlecker und irgendwie ölig.

    Was die chinesischen Fernsehköchinnen angeht, hört sich das serh, sehr gut an, Frau Creezy, allerdings habe ich nie recht verstanden, welchen Sinn es haben soll, der Zubereitung von Speisen zuzuschauen, die man dann nicht essen kann. Bekocht werden ist dem bloßen Zuschauen, da hat Frau (?) Wortmeer recht, natürlich stets um ein Vielfaches vorzuziehen.

    Und ansonsten: Cheers, Lieber Lucky! Mit Ihnen trinke ich am Liebsten.

  13. Er lispelt so schön, hat was jungenhaftes und blonde Wuschelhaare, was alles für ihn spricht. Er ist Engländer und behauptet, kochen zu können, das spricht gegen ihn.
    Aber aus Couscous einen Salat zu machen ohne Fleisch und sowas, ist schon mutig, das muss man ihm lassen. Seine Landsleute kippen ja auch Essig über die Pommes, also werden sie den Couscoussalat aushalten.

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