Schmal und ziemlich langgestreckt war der Garten meiner Großmutter, und je weiter man sich vom Haus entfernte, umso struppiger wurde der Rasen. Ganz hinten, wo früher, als mein Vater noch klein gewesen war, Hühner gehalten worden waren, taten sich sogar handtellergroße kahle Stellen auf, und das Gras war so gelb wie Stroh. Zwei- oder dreimal pro Jahr mähte ein hiermit beauftragter Bauer hier hinten, niemals wurde gesprengt, und das Obst der drei, vier verkrüppelten Apfelbäume reifte vergeblich der Fäulnis und den Wespen entgegen, die schwer, satt und schwankend vor Gärung über den Früchten kreisten.
Bis aber der August die Äpfel auf den Rasen warf, saß ich von Juni an im fleckigen Schatten der Bäume und las den ganzen Tag auf dem straff gespannten Stoff einer Liege, die rot war, glaube ich, und ab und zu kam meine Großmutter an den Blumen und den Erdbeeren, den Gurken und den Zuckerschoten vorbei bis zu mir und brachte mir Käsebrote oder etwas zu trinken, Jahr für Jahr. Ferien für Ferien.
Irgendwann aber kam die Großmutter nicht mehr bis hinten in den Garten, weil der Rücken ihr weh tat und die Füße auch. Im Sommer drauf kam sie auch nicht mehr bis zu den Beeten und schickte mich ab und zu nach einem Bund Petersilie oder einer Handvoll Dill. Am Ende dann, zwei Jahre später, setzte der mobile Pflegedienst die Großmutter nur noch auf die Terrasse, wo sie den Blumen zusah, den weiß-roten Tulpen, den Pfingstrosen, dem Rittersporn, den Dahlien zuletzt, und bevor die Astern blühten, war sie tot.
Acht Wochen später gehörte das Haus anderen Leuten.
Vier Jahre wohnten die ersten Käufer im Haus und strichen nicht mal den Zaun. Der Sturm fällte den Nussbaum, und sie taten monatelang nichts, den Stumpf zu entfernen. Dann gingen sie pleite und das Haus stand leer. Zwei Jahre lang hausten dann gleich zwei Familien in dem Haus, die in Unterwäsche durch den Garten liefen und die Nachbarn erschreckten. Nicht ganz vier weitere Jahre gehörte das Haus einer kinderreichen Familie, die auszog, als die Frau den Mann verließ, und dieser anfing zu trinken. Dann gehörte das Haus wieder der Bank, und die fand keinen Käufer.
Das Haus sei zu groß, hieß es in der Bank, für eine Familie und zu klein für zwei. Besonders der Riesengarten sei nicht verkäuflich, hieß es, denn niemand wolle heute so etwas noch haben, und so teilte die Bank das Grundstück in ein großes, auf dem sich das Haus befand, und drei kleine: den hinteren Garten.
Ein Jahr lang tat sich gar nichts. Nun aber, erzählen die Nachbarn, seien Bagger erschienen. Bauwagen stünden auf dem Gelände. Ein provisorischer Zaun werde errichtet, wo stets nur Hecken und Büsche waren. Die Bäume würden gefällt, und wo das gelbe Gras spross, wo die Liege stand, wo die Erdbeeren, die Gurken und die Zuckerschoten wuchsen, würden Fundamente gegossen für drei kleine, viereckige Häuser mit kleinen, viereckigen Gärten, ein bisschen Rasen, ein einziges Beet und kein Baum weit und breit, in seinem Schatten zu sitzen.
Wir hatten auch mal so einen Garten. Ich überlege immer, wie es wohl wäre, das Haus, das jetzt dort steht, zu kaufen und abreißen zu lassen. Ob es dann wieder wie früher werden könnte.
Bloggen gegen ‚Vanitas’…
Es wandelt, was wir schauen,
Tag sinkt ins Abendrot,
Die Lust hat eignes Grauen,
Und alles hat das Blog.
(Eichendorff)
Unhappy end :(…
Alltag
auf dem Land ist das trauriger- oder auch ärgerlicherweise. Kaum jemand will sich die Arbeit noch machen (wobei ich die glückliche Ausnahme von der Regel alljährlich beobachten und mich beteiligen darf). Alles wird plattgemacht, der Garten grün betoniert, wie auf dem Campingplatz in Italien. Obst und Gemüse gibt’s im großen versteinerten Markt im nahen Städtchen. Es schmeckt zwar nicht, aber es ist billig, sogar das Bioökozeugs aus Fernost oder Weitwest. Sogar der Rasenbeton wird kurzgehalten, gerne mit Maschinen, deren Kapazitäten sich an Fußball- oder gar Golfplätzen orientieren. Und in den Dörfern werden mittlerweile Bauplätze angeboten und mit Gasbeton auch zugestellt, die früher gerademal für einen Hühnerstall ausgereicht hätten.
Ich weiß auch nicht, ob sich das ändern wird, wenn die Zwiebeln mal den Preis haben werden, den die der niederländischen Tulpen mal hatten. Einzig der bald achtzigjährige kleinhäuschenbesitzende Rentner hat seinen Karnickelstall reanimiert, baut, wie in früheren Zeiten und trotz altersgeplagtem Rücken, wieder Kartoffeln und Gemüse an. Das ist seine Antwort auf die exorbitanten Energiekosten. Ob die Phantasie dafür bei den Jungen ausreicht, daran habe ich so meine Zweifel.
REPLY:
in der stadt schon:
„das durchschnittsalter der kleingartenbesitzer lag vor einigen jahren noch bei 57, ist mittlerweile aber wieder um 10 jahre gesunken.“ („natur in der stadt“, bundesamt für naturschutz, stand juli 2007, seite 13)
„kleingartenvereine werden immer jünger und internationaler. seit ende der 90er jahre ist das durchschnittsalter in den vereinen um zehn jahre gesunken.“ (pressemitteilung des bundesverband deutscher gartenfreunde e.v. vom 27.04.2006)
„wie groß das interesse der jüngeren generationen ist, zeigt die BDG-statistik: 45% aller neuverpachtungen in den vergangenen fünf jahren gingen an familien mit kindern. […] hinter der renaissance des gartens stecke mehr als nur ein kurzlebiger lifestyle-trend. weil immer mehr junge familien sich ein eigenes heim nicht mehr leisten können oder wollen, wächst das interesse am kleingarten.“ (welt-online, 30.05.2008)
„dabei geht der trend zu immer jüngeren gartenbesitzern.“ (www.abendblatt.de, 23.04.2005)
„seit neun jahren teilen wir uns die laube“, erzählt der 42-jährige tom roth. sie waren die ersten. nach und nach haben sie weitere freunde in der privaten kolonie untergebracht. inzwischen sind es zwanzig.“ („die rückkehr der gartenzwerge“, arte-tv.de, 13.07.05)
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Das stimmt. In Hamburg ist das ein, nun ja, gewisser Trend unter jüngeren Leuten. Ich habe mir letztes Jahr auch so was angeschaut, ich habe da jetzt das Alter für. Hier gibt es Parzellen direkt am Wasser, das wäre schon schick. Rasenmähen dann natürlich nur mit so einem alten Handrasenmäher, bei dem man immer Gefahr läuft, sich die Zehen… na ja, die alten Abenteuer eben.
Ja, lieber Lars, ganz sicher. Denn ansonsten gäbe es ja gar keinen Weg zurück, und ein paar Texte, nichts als ein paar elektronische Zuckungen, wären wirklich, Herr Wallhalladada, alles, was uns bliebe.
Unhappy, Frau Aurisa, ist das trotzdem wohl nicht, zumindest nicht more unhappy als jede Vertreibung aus dem Paradies. Und ob, Herr (oder Frau?) Stubenzweig, die Angst vor den angeblich gestiegenen Energiekosten die Gartenbesitzer wieder zum Gemüseanbau treibt, daran habe auch ich so meine Zweifel, ohne dies für erstrebenswert zu halten. Ich hätte keinerlei Interesse daran, einen solchen Garten zu bewirtschaften, und halte die, pardon, Hysterie um die Energiepreise für nichts, über das sich ein normaler Mensch Gedanken macht. Dann wird halt nicht mit dem Auto zum Bäcker gefahren.
Für einen Kleingarten allerdings, Frau Itha und Herr Kidhätte ich auch nichts über. Was Natur angeht, reicht mir der Weinbergspark. Mich reizt nicht die Gartenarbeit, mich verlangt es nicht nach einem großen (und erst recht nicht nach einem kleinen) Garten, aber diesen Garten, diesen gar nicht mehr existenten Garten, den hätte ich gern – nun, nicht besessen – aber weiterhin der Welt gewusst. Ich stelle mir das Leben einer Kleingartenkolonie, muss ich gestehen, auch recht eng und wenig freudvoll vor, voller Nachbarn und schlechter Musik von den anderen Parzellen.
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Herr? Frau? Jean Stubenzweig meint: «angeblich gestiegene(n) Energiekosten»? Es ist so, wie es auch zumindest den erwähnten Gartenbesitzer aus diesen Gründen wieder zum Gemüseanbau treibt. Dieser «normale Mensch» hat sich also durchaus seine Gedanken machen müssen und ist als kleiner Rentner mit seinem kleinen Häuschen aus den Fünfzigern ziemlich aus demselben. Und nicht mit dem Auto zum Bäcker (oder überhaupt zum Einkauf) fahren? Fünf Kilometer zu Fuß oder mit dem Fahrrad? Für einen Achtzigjährigen, der froh ist, wenn er’s in sein Gärtchen zu seinen Karnickeln oder Kartoffeln schafft? Und er ist nicht der einzige in dieser Altersgruppe. Ab ins Heim? Es gibt ja genug in der Gegend.
Ihre städtisch-romantisierende Attitude in Ehren und Ihnen unbenommen. Und auch ich tät‘ mich fürchten vor kleingartenverordnungsbesessenen Siedlern. Aber bitteschön, jedem, wie er’s mag.
Wie der Münchner Bekannte, der mir gegenüber mal äußerte: Brauche ich Natur? Ich hab doch den englischen Garten.
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Ja, das mag schon stimmen, Energie wird immer teurer, und das wird voraussichtlich angesichts einer noch wachsenden Staatsquote und sinkender Ressourcen auch noch ein bißchen so weitergehen. Ob das allerdings Grund ist, nun nach der ordnenden Hand des Staates zu rufen, weiß ich nun auch wieder nicht. Natürlich können diejenigen, die für ihr Klientel die Hand aufhalten, mitleiderregende Beispiele anführen, da steht man dann schnell als hartherzig da, wenn man die Versuche, das Geld anderer Leute per Sozialtarif unters Volk zu bringen, nicht großartig findet. Insofern mag es keine so besonders populäre Position sein, wenn man sich fragt, ob es hier tatsächlich um den Verzicht auf Essentialia geht, oder um einen liebgewonnenen Komfort, auf den man auch gut verzichten kann, und der Drang der Landbewohner alle Wege, aber auch wirklich alle mit dem Auto zu erledigen, gehört dazu. Dass es da Ausnahmen geben mag, geschenkt. Der Achtzigjährige mag dazugehören wie ein kleines Kind, aber so ganz generell? Ist das wirklich vernünftig?
Muss man eigentlich einfach so zum Spaß ein Wochenende nach London für 29 Euro, und eins nach Istanbul für 9? Brauchen Leute elektrische Saftpressen? Nach dem, was aus den Elektronik-Märkten am Alexanderplatz in die wirtschaftlich nicht gerade prosperierenden östlichen Bezirke geschleppt wird, gehört der sparsame Umgang mit Energie derzeit nicht zu den hauptsächlichen Anliegen derjenigen, deren politische Vertreter über den Kältetod schwadronieren. Es mag sein, dass die Strom- und Heizungsrechnng diesen Leuten zusetzt. Ich glaube aber auch, dass diese Rechnungen nicht so hoch ausfallen müssten, wie sie es tun, und der Staat erst gefragt sein kann, wenn alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft sind.
(So, und nun zurück zu den angenehmen Dingen des Lebens)
Ich kann Ihnen nicht so ganz folgen. Sie gehen da auf Punkte ein, die bei mir nirgendwo auftauchen. Nirgendwo habe ich für etwas plädiert, lediglich hingewiesen habe ich.
Seltsam. Sie schauen doch sonst so genau hin.
So sei’s drum …
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Nein, Sie haben recht: Sie haben das tatsächlich nicht so geschrieben, Ihr Kommentar hat nur einer Verärgerung Anlass gegeben, die ich – gerade beim Online-Zeitunglesen auf dem Balkon – ohnehin hege.