Wir alle, oh verehrte Leserinnen und Leser, kennen das Internet als einen Ort der Aufklärung, denn im Schatten der elektronischen Säulen unserer digitalen Welt bleibt den Wandelnden keine Wahrheit lange verborgen, und so will auch ich als eine bescheidene Dienerin im Garten dieses Herrn mitwirken an dem stetigen virtuellen Diskurs, welcher sich mit der Deutung dieser Wahrheit beschäftigt, derweil es in den Augen aller Verständigen auf der Hand liegt, dass gestern abend um acht keineswegs ein Meteorit in der Nähe von Bad Doberan eingeschlagen sein kann, sondern vielmehr außerirdische Mächte am Werk gewesen sein müssen.
Nun gibt es wenig Ursache, an die Ammenmärchen zu glauben, die über extraterrestrisches Leben seit Jahrzehnten verbreitet werden. Was, fragt sich der kritische Geist, sollen Außerirdische mit irgendwelchen halbverrückten Leuten anfangen, die sich von jenen entführt und dann wieder – abzüglich irgendwelcher Organe – ausgesetzt fühlen? Würde nicht ein vernünftiger Außerirdischer sein Opfer einfach zur Gänze mitnehmen, falls es später noch etwas zu erforschen gibt? Wieso zudem sich der Gefahr indiskreter Plaudereien der Entkommenen aussetzen, wenn man die einmal Eingefangenen ebenso gut einfach wegschmeißen kann? Es verschwinden schließlich ständig Leute, da macht einer mehr oder weniger auch nichts mehr aus. Eine Forschungsvisite außerirdischer Mächte gestern abend in Mecklenburg ist aus diesen Gründen mit großer Sicherheit auszuschließen.
Dies aber wirft die Frage auf, was die Außerirdischen dann gestern abend in diesem gottverlassenen Winkel der Republik wollten. Aus eigener Erfahrung kann ich Ihnen versichern: In der ganzen Ecke ist nichts außer einem allerdings sehr angenehmen Hotel, und dort kann man als Außerirdischer schlecht auftauchen ohne Aufsehen zu erregen. Sie sehen also, meine Damen und Herren: So kommen wir nicht weiter. Anknüpfungspunkt unserer weiteren Überlegungen kann daher nicht die Motivationslage der uns diesbezüglich ja eher fremden Außerirdischen sein. Fragen müssen wir uns, welche mit einiger Wahrscheinlichkeit mit außerirdischen Existenzen vertrauten Person oder Personenmehrheit ein Interesse haben könnte, in diesen Tagen seine Geschäftspartner auf der Erde zu sehen. Wer, so fragen wir uns also, hat große Erfahrungen in der Raumfahrt und derzeit möglicherweise Zeitdruck bei der Erledigung anstehender Geschäfte? Wer muss möglicherweise noch etwas wegräumen, irgendwohin verbringen, wo niemand anders es findet und es so rückstandslos von der Erdoberfläche verschwunden ist, wie etwas überhaupt verschwinden kann? – Wir alle, geschätzte Leserinnen und Leser, denken angesichts dieser Fragen an niemand anderen als den amerikanischen Präsidenten George W. Bush, der es zur Zeit eilig haben dürfte, zu beseitigen, was auf keinem Fall seinem Nachfolger in die Hände fallen soll.
Nun wird selbst der scheidende Präsident kaum im Weltraum anrufen, nur um ein paar Akten wegzuschaffen. Vielmehr ist anzunehmen, dass nur für wirklich sehr relevante Dinge oder Personen der wahrscheinlich erhebliche Aufwand ihrer Verbringung in den Weltraum sich lohnt. Was aber kann der amerikanische Präsident derzeit seinem Nachfolger unter den Händen weg in den Weltraum schaffen wollen? Doch nur etwas, von deren Gefährlichkeit der Präsident überzeugt ist, und das Obama gleichwohl freisetzen will. Gegenstände kommen hierbei kaum in Betracht, denn diese könnte man ja einfach vernichten. Es muss also um Personen gehen – und niemand anders als die Gefangenen von Guantanamo fällt uns ein, wenn es um Personen geht, über deren weiteres Schicksal Bush und Obama bekanntlich erheblich unterschiedlicher Ansicht sind. Die Insassen aus Guantanamo sind, kombinieren wir, also seit gestern abend weg.
Aber wieso ausgerechnet, fragt sich die kritische Öffentlichkeit, Bad Doberan? Dieses Nest, das die Welt nur als den Bahnhof kennt, von dem aus man das Kempinski in Heiligendamm erreicht? Wo nichts ist außer der Ostsee und viel Landschaft? – Nun, mag man sich denken: Schließlich schuldet die Kanzlerin unseren transantlantischen Partnern bestimmt noch einen Gefallen. Ist das vielleicht vom Nato-Vertrag mitumfasst? Und die Gegend da oben bei Heiligendamm kennt George W. Bush von dem G 8-Gipfel von vor ein paar Jahren bestimmt als menschenleer und ganz schön abgelegen.
(q.e.d.)
Die Welt kennt Bad Doberan eigentlich wegen des Doberaner Münsters und dessen reicher Ausstattung.
REPLY:
Das wiederum kenne ich nicht. Eine Bildungslücke mehr.
REPLY:
Der obige Link mag dem ein bisschen abhelfen. Oder auch dieser. Ich war 2001 einmal gegen Abend in Bad Doberan, war aber leider nicht im Münster, denn das hatte schon geschlossen.
REPLY:
Toll. Ein Hotel, daß den Menschen verbietet, alt eingetrampelte Pfade zu benutzen, daß dazu führt, daß ein ganzer Ort stirbt und für die Bevölkerung zur No-Go-Zone wird. Und Bad Doberan haben sie garantiert nie gesehen, auf ihrer Taxifahrt nach Heiligendamm. Selten so einen dummen Artikel gelesen, aber bei Mecklenburg kann man das ja machen – liegt schließlich irgendwo hinter den sieben Bergen bei den sieben Zwergen.
REPLY:
In der Tat, Bad Doberan ist mir unbekannt und – Schande über Schande – es interessiert mich auch nicht besonders. Ich habe, wenn ich ehrlich bin, kein besonderes Faible für diese Ecke der Republik, die sicher ihre Freunde haben wird, aber mir weder landschaftlich noch gastronomisch oder architektonisch zusagt, ohne dass ich dies – Herr Schwarzmaler – mit einem Urteil über die Intelligenz anderer Leute verbinden würde.
(Wenn ich hinzufügen darf: Ein Grund, weswegen ich Mecklenburg nicht besonders schätze, ist die Unfreundlichkeit seiner Bewohner. Ich habe mich entlang der Ostseeküste nie als willkommener Gast, sondern immer wahlweise als „fette Beute“ des Gastronomiegewerbes oder sogar als Störung empfunden. Ich bin, wie manche hier wissen, erkennbar nichtdeutscher Herkunft, und die Mecklenburger lassen einen dies gern auf eine Art und Weise spüren, die man gern vermeidet, wenn möglich.)
Ok, das gibt wenigstens mal Nägel mit Köpfen. Ich bin Mecklenburger, ich liebe Mecklenburg, lebe aber seit ein paar Jahren im Rhein-Main-Gebiet. Es hat sich leider eingebürgert, auf Mecklenburg herab zusehen, selbst wenn man aus Offenburg kommt und niemals an der Ostseeküste war. Ich bin da ein bisschen allergisch. Man sollte einem Land eine Chance geben, wenn man noch nicht einmal das Münster gesehen hat sollte man nicht abwertend über Doberan reden. Meine Eltern leben da, wunderschön zwischen Wäldern gelegen, in Sichtweite zur See. Und Heiligendamm ist dort ein rotes Tuch. Der Hotelbesitzer hat Schritt für Schritt die normale Bevölkerung aus dem Ort vertrieben, mit Zäunen und Wegeverboten. Nur ein Beispiel: früher sind wir regelmäßig vom Bahnhof zwischen den jetzigen Hotelbauten hindurch am Findling vorbei zur Seebrücke gegangen – alles abgeschottet, man muß lange Umwege laufen. Und der Rest des Ortes verfällt. Und ja, die Mecklenburger haben einen etwas rauen Charme, gegenüber Einheimischen, Touristen, und ganz sicher – wie sagt man da jetzt politisch korrekt? Man kann damit umgehen, man muß, speziell mit den Rostockern erst mal warm werden, dann sind sie auch herzlich. Und wenn man als Wessis dort auftritt und erstmal laut erklärt „schön geworden von unseren Steuergeldern“ dann … du weißt. Die Mecklenburger haben auch so ihre Erfahrungen gemacht, mit den „wir haben vierzig Jahre gearbeit für unseren Wohlstand.“-Wohlstandswessis, die einem erklären, wie furchtbar das hier früher war und was man alles besser machen müßte.
REPLY:
Das finde ich schwierig. Ich möchte nicht, wenn ich mich ein Wochenende an der See erholen möchte, um die Einheimischen werben müssen. Ich erwarte im Gegenzug nicht, dass mir die Leute mehr als Professionalität, Höflichkeit und Respekt entgegenbringen, und eben dies darf auch jeder erwarten, mit dem ich zu tun habe. Auch Diskussionen über Steuergelder oder Mentalitäten möchte ich nicht führen, und wenn Leute unhöflich sind, dann habe ich dafür in keiner Situation Verständnis, wobei ich mir keine größere Unhöflichkeit vorstellen kann, als die Kategorisierung fremder Leute in Gruppen, die sie sich nicht ausgesucht haben.
REPLY:
Nur diese Pauschalität bringt mich auf die Barrikade – wenn jemand mit seinem Schwarzwaldurlaub Pech hat wird er kaum Baden-Würtemberg als Gott-Sei-Bei-Uns-Wüstenei beschreiben. Nur über Mecklenburg, oder den Osten insgesamt, gilt es als hip, die Nase zu rümpfen. Meist ohne Kenntnis und Erfahrung, bestenfalls aus einer Zweitagesreise.
REPLY:
Aber natürlich! Ich bitte Sie, das Ostfriesenbashing ist doch geradezu sprichwörtlich. Die Bayern wundern sich, wenn sie irgendwo nicht attackiert werden. Die Hamburger gelten als arrogant, die Rheinländer als oberflächlich, und über die westfälische Küche kann man sehr, sehr hässliche Lieder singen. Und erst Berlin … !
Insgesamt: ich wäre da nicht so empfindlich. Ich weiß, dass es in Ostdeutschland vielfach eine nicht ganz ohne Grund entstandene Wagenburgmentalität gibt, die auf Kritik sehr wenig gelassen reagiert. Indes: Lassen Sie es sich gesagt sein, der westdeutsche Teil der deutschen Ostseeküste gefällt mir auch nicht. Schlechtes Essen, Bausünden und die Ostsee ist generell nicht meins. Das mag jeder halten, wie er will, aber wenn es mich an die deutsche Küste zieht, und ich habe mehr Zeit als zwei, drei Tage, dann ist es Sylt. Und zwar Kampen, nicht Westerland.
REPLY:
Mit Verlaub, Herr oder Frau Schwarzmaler, Ihre Verteidigungsrede über den rauen Charme der Mecklenburger gegenüber Einheimischen, Touristen, und ganz sicher – wie sagt man da jetzt politisch korrekt? – gemeint sind wohl alle, die etwas anders, sprich „ausländisch“ aussehen -, ist eher geeignet, Vorurteile gegen eben jene Mecklenburger zu wecken, denn Verständnis für sie. Mir ging es jedenfalls beim Lesen so, und ich habe nichts gegen das Land und die Menschen, ich mag die Ostsee und ihre Küste bekanntermaßen sehr gern.
Ich bin 2001 noch am Strand von Heiligendamm herumspaziert, damals stand auch jene denkmalgeschützte Villa noch, deren Abriss später bei Denkmalschützern für viel Unmut sorgte. Nur Schilder zeugten von dem großen Vorhaben. Schon damals unterhielt ich mich mit meiner Begleitung darüber, wie das wohl mit dem Strand werden würde, denn der Hotelbetreiber würde den dann doch sicherlich den Hotelgästen vorbehalten wollen, das gäbe bestimmt Ärger. Ich kann daher Ihren Zorn über den gesperrten Strandweg gut nachvollziehen, doch richten Sie ihn meines Erachtens hier an die falsche Adresse. Wer hat denn das Häuserensemble an diesen Investor verkauft, doch nicht Madame Modeste. Ebenso wenig halte ich es für sinnvoll, Hotelgäste für Versäumnisse der Kommune verantwortlich zu machen.
Und was das Orte-bashing angeht, so haben andere darüber schon ganze Bücher geschrieben, Öde Orte, beispielsweise, erschienen im Reclam Verlag Leipzig, da sind jede Menge aus dem Westen dabei (und nur vereinzelt welche aus dem Osten).