Nichts.

„Nichts!“, jammere ich. Alles durchgelesen, was da ist, und die Beschreibung der Neuerscheinungen in der Zeitung reizt mich nicht im Geringsten. Ich war Samstag nacht sogar auf dem Rückweg vom Essen mit der I. und dem S. zum Bus noch bei Dussmann und habe da beim Durchschlendern auch nichts gefunden. Es ist aber auch nicht einfach. Ich interessiere mich nicht für „radikale“ Schilderungen von irgendwas oder für Bücher, die einen „ganz neuen Ton“ treffen. Das Humorig-Launige allerdings liegt mir auch nicht.

Ich will grundsätzlich nie wissen, wer wen umgebracht hat, und ich interessiere mich ganz ausgesprochen nicht für gesellschaftliche Randgruppen. Ich mag mich nur mit wirklichen Problemen auseinandersetzen wie Haarausfall oder Langeweile oder die Frage, ob man jemanden lieben kann, der nackt komisch aussieht.

Das letzte Buch, das ich ungelesen weggeworfen habe, war von Dietmar Dath. Das letzte Buch, das ich gelobt habe, war gestern abend gegenüber dem liebenswürdigen J. die Autobiographie von Christopher Hitchens. Zuletzt – mit zehn Jahren Abstand – zweimal gelesen habe ich Wilhelm Speyers „Charlott etwas verrückt“.

Nun ist mein Nachttisch leer. Mir ist langweilig. Helfen Sie mir.

35 Gedanken zu „Nichts.

  1. REPLY:

    Ja, danke. Wahnsinnig witzig.

    Ganz ernsthaft, das Muttiversum interessiert mich nicht, und wer diesen ganzen Ratgebermist kauft, frage ich mich seit Jahren im Wesentlichen ergebnislos.

  2. Was durchaus fein war, war „Homer and Langley“ von E. L. Doctorow. Wenn es adlig statt grossbürgerlich sein soll: Die Memoiren des Herzogs von Croy. Worüber ich in diesem Sommer schallend gelacht habe: Andrea Camilleris Faschismussatire Streng vertraulich, zumal es sich mit den Abgründen der Behörden auseinander setzt. Sehr kurzweilig, allerdings auch kurze Geschichten: Der verzauberte Garten von Italo Calvino, den ich sehr verehre.

  3. Xavier Marias „Mein Herz so weiß“. Kein Kriminalroman trotz Leiche gleich zu Beginn.
    Und Remo H. Largo „Babyjahre“. Kein Ratgeber fürs Muttiversum sondern ein angenehm lesbar geschriebenes Fachbuch mit biologischen Fakten.

  4. REPLY:

    irgendwie um alles;-)

    nein, ernsthaft: das doch etwas ehrgeizige unterfangen das 20. jahrhundert in einem roman zu erzählen, muss scheitern. es scheitert aber recht gut. getarnt als familiengeschichte, verschiedene hauptstränge, teilweise sehr spannende protagonisten – und irgendwann wird es ein bisschen unübersichtlich. aber das hat mich dann nach zwei drittel kurzweiliger lektüre auch nicht mehr gestört.

  5. REPLY:

    „homer und langley“ fand ich auch sehr nett zu lesen. über camilleri kann man immer schmunzeln, für mich ist „der unschickliche antrag“ nach vielen, vielen anderen immer noch sein allerbestes.

    wenn ich ihre etwas ausgefalleneren wünsche ernst nehme, sollten sie – falls sie sie noch nicht kennen und lust auf leichtere kost haben – amelie nothomb lesen. insbesondere diese beiden: „mit staunen und zittern“ und „der japanische verlobte“.

  6. REPLY:

    „Homer und Langley“ habe ich bereits gelesen und teile die positive Einschätzung. Italo Calvino ist dagegen eine gute Idee. Ich habe vor Jahren einmal etwas gelesen, das hat mir gut gefallen.

  7. REPLY:

    „Mein Herz so weiß“ kenne ich, es hat meinen Geschmack aber nicht so recht getroffen. Was Elternliteratur angeht, so interessiert mich das tatsächlich dezidiert nicht. Mein Gott, ich kaufe doch auch sonst weder Fachbücher noch keine Ratgeber, die mir vermitteln, wie ich meinen Beruf, meine Beziehung oder meine sonstigen Angelegenheiten betreiben soll. Warum sollte ich im Umgang mit einem Kind nun damit anfangen?

  8. Vielleicht der kürzlich erschienene Briefwechsel zwischen Joseph Roth und Stefan Zweig? Büchner’s Lenz, es ist ja bald der zwanzigste so dieser ins Gebirge stieg und dazu Kafka’s Ausflug ins Gebirge? Wenn es aber das Meer sein soll, Amos Oz Geschichten aus Tel Ilan und auch ohne Meer und Berge alles von Barbara Honigmann.

  9. Ich muß zugeben, daß ich seit einiger Zeit in Sachen aktueller Literatur ziemlich ignorant bin, aber Judith Schalansky imponiert mir sehr. „Der Hals der Giraffe“, aber vor allem der „Atlas der abgelegenen Inseln“. Letzteres ist ein Traumbuch in jeder Beziehung des Wortes. Aber bitte die Hardcover-Version nehmen, nicht das Taschenbuch.

    Da Sie sich auch für die Antike interessieren: die Pergamon-Ausstellung hat einige feine Neuerscheinungen und Nachauflagen gebracht. Das Katalogbuch ist sehr zu empfehlen. Außerdem „Hadrian – Machtmensch und Mäzen“ von Thorsten Opper und „Pontisches Gift – Die Legende von Mithridates“ von Adrienne Mayor. Schön zum Schmökern sind natürlich auch die beiden Bücher von Robin Lane Fox: „Die klassische Welt“ und „Reisende Helden“.

  10. Edith Warton: Ein altes Haus am Hudson River
    Katherine Anne Porter: Das Narrenschiff

    Beides dick und einige Dutzend Jahre alt. Wenn nur eines von beiden, dann gefällt Ihnen vermutlich das Narrenschiff besser.

  11. mir gefielen zuletzt „die leiden eines amerikaners“ von siri „auster“ und – noch mehr – „der gute psychologe“ von noam shpancer.
    .
    am meisten jedoch hat „kornblum“ von sten reen gerockt.

  12. REPLY:

    ‚tschuldigung.
    Ich habe mein erstes Kind mit 20 bekommen und mir damals lediglich für 2 oder 3 Jahre die Eltern-Zeitschrift gekauft. Darin besonders die Kolumnen von hans Grothe geliebt, sowas wie der deutsche Jesper Juul. Danach nie wieder einen Ratgeber oder ähnliches, geschweige denn Mitglied in irgendeinem Forum gewesen. Habe jetzt mein 3. Kind zu 100% nach Bauchgefühl groß bekommen und was soll ich sagen: funktioniert bestens. Bei Ihnen sicher auch.

  13. REPLY:

    Das ist eine gute Anregung, den „Hals der Giraffe“ werde ich mir ansehen. Hadrian hat mich bisher nie sehr interessiert, aber vielleicht liegt das nur an fehlender Beschäftigung mit dem Stoff.

  14. REPLY:

    dussmann ist ein warenhaus.
    ich habe nichts gegen warenhäuser.
    aber ich habe sehr wohl etwas gegen warenhäuser, wenn es um bücher geht. weil warenhäuser schlicht eine falsche umgebung für bücher sind.

  15. REPLY:

    ich würde das differenzierter sehen und halte es für besser, wenn leute in ihrer hilflosigkeit und mangels bauchgefühl rat und hilfe in jenen büchern, die hier als „ratgebermist“ bezeichnet werden, suchen, als wenn sie ihre kinder hilflos und überfordert schreien lassen, schlagen oder auf andere weise demütigen.

  16. ich hatte gestern tschick von wolfgang herrndorf empfohlen. der kommentar kam aber leider nicht durch. also nochmal, diesmal ohne link. vielleicht lag es daran.

  17. REPLY:

    Aber dass man das nicht tut, weiß man doch auch ohne, dass es jemand aufschreibt.

    Mich wundert die Hausse der Ratgeberliteratur. Ich käme nicht so schnell auf die Idee, Bücher zu kaufen, in denen Leute mir erklären, wie man als Freundin, als Vorgesetzte, als Tochter oder eben als Mutter agiert. Mir erscheint das merkwürdig unselbständig, so ein beständiges Schielen darauf, wie es die anderen oder vermeintliche Experten machen. Gerade die Masse an Büchern über kleine Kinder wundert mich. Die Menschheit lernt doch seit Jahrtausenden laufen und sprechen, schlafen und aufs Töpfchen gehen. Wozu also diese Massen von Literatur, die all dies problematisieren? Ich denke allerdings auch nicht, dass hier allzu viel schiefgehen kann. Die Sorge, man mache irgendwas falsch, und das Kind nehme auf ewig Schaden, teile ich nicht. Ich denke, die kleinen Biester sind ganz schön robust.

  18. REPLY:

    Ach, diese Empfindung teile ich nicht. Mir ist es schlicht egal, ob amazon, die Buchbox um die Ecke oder Dussmann mir etwas zu Lesen verschafft. Die Bücher werden nicht schlechter, und Dussmann hat bis spät abends geöffnet.

  19. REPLY:

    sie wissen das, ich weiß das, und vermutlich ein großteil ihrer leserschaft weiß das. dass „man“ das weiß, ist elfenbeinturm-denken. ich begegne nahezu täglich menschen aller altersklassen und sozialen schichten, die sofort die üblichen erziehungstipps parat haben (und sie ernst meinen), ganz besonders erschreckend sind kommentare à la „schreien stärkt die lungen“ oder „dein kind hat dich ja schon ganz schön im griff“ wenn sie von müttern kommen. die haben das von ihren müttern so gehört und fraglos übernommen.
    wie auch immer: es gibt in der tat unzählige ratgeber, die von den verlagen durch verkaufssteigernde bearbeitung zu bestsellern verwurstet werden.
    es gibt aber auch einige sehr gute bücher, die in erster linie nicht sagen wie man als mutter agieren soll, sondern wissenschaftlich erklären, was da im hirn des kleinen wesens, dass da plötzlich amok läuft und den kopf auf die treppenstufen schlägt, vor sich geht. die entsprechende (richtige) reaktion mag jeder dann für sich selbst ableiten.
    ob man das alles wissen muss? auch das ist sicher eine persönliche einstellung zur sache. da das hinterfragen aller möglichen dinge grundgegenstand meines berufes ist, gehört es für mich dazu, gerade bei meinem kind auch mehr über das warum wissen zu wollen.

    zum thema robust bin ich völlig anderer auffassung als sie. mein lieblingsdialog ist:

    person a, kommentar in einem erziehungsbereich freier wahl von sich gebend:
    „… das hat uns doch auch nicht geschadet!“
    ich: „doch!“

    nichtsdestotrotz stimme ich zu: es ist etwas wunderbares, mit einer ordentlichen portion bauchgefühl und einem guten selbstverständnis ausgestattet zu sein. ich wünsche ihnen, dass sie das nie verlieren.

  20. REPLY:

    ich möchte den bzw. unseren lieblingsdialog erweitern auf: „das hat uns doch auch nicht geschadet!“ – „wenn ich mich so umschaue denke ich bei den meisten … doch!“

    es ist nämlich selten nur die einzelperson. die anzahl der durch seltsame „erziehung“ tendenziell bis stark gestörten ist nämlich nach wie vor grenzwertig. und da klammere ich mich nicht bei aus.

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