Auszugsschmerzen

„Hoffentlich haut das hin mit dem neuen Bett.“, sage ich also ungefähr vor sechs Wochen und betrachte kritisch mein Kind. Kind F. aalt sich sehr zufrieden in dem kleinen Beistellbettchen direkt neben mir und sagt irgendetwas Undefinierbares, das klingt wie „Aaarp. Aaargh. Örrööö.“ Es hört sich irgendwie nicht nach Zustimmung an, fürchte ich. Ich wäre gern mal wieder allein mit dem J., aber der F. scheint den Wunsch nach separaten Schlafstätten nicht zu teilen.

„Hoffentlich haut das hin mit dem Durchschlafen trotz Jet Lag.“, sage ich ungefähr vorgestern, weil der F. trotz Rückkehr nach Berlin nach wie vor im Rhythmus der amerikanischen Westküste zu ziemlich blöden Zeiten munter ist. Nachts etwa schläft er zwar ordnungsgemäß ein, wacht dann aber um 3.22 Uhr auf, muss zu uns ins Bett geholt werden und schlummert erst eine halbe Stunde später wieder ein. „Das nervt.“, sage ich zum J. Der J. sieht das auch so.

„Hoffentlich klappt es heute.“, sage ich gestern zum J. und verpacke den F. sorgfältig in seinen neuen Sommerschlafsack. Dann legt der J. den F. in sein neues, separates Bett. Zwanzig Minuten später schleichen wir uns weg und gehen mit dem Babyphon bewaffnet bei der Bar gegenüber Wein trinken.

Als wir nach Hause kommen, träumt Kind F. selig und lächelt im Schlaf wie eine kleine, fette Putte. „Hoffentlich schläft er heute durch.“, sage ich zum F., und dann schlafe ich selbst. In meinen Träumen wandern lauter dicke Tiere im Gäsnemarsch singend durch eine sehr gelbe Sahara.

Um 4.00 Uhr morgens wache ich auf. Es ist irritierend still. Vorbei am selig schlummernden J. schleiche ich mich zum F. und schaue ins Bett. Mit offenen Augen, aber offenbar ruhig und zufrieden, liegt der F. auf dem Rücken und lächelt mich an. „Magst du trinken?“, frage ich ihn und verabreiche ihm etwas Milch. Drei Minuten später seufzt der F. zufrieden auf, schließt die Augen und schläft ein. Ich bleibe neben seinem Bett stehen und schaue ihn an. F. scheint selig zu schlummern. Ohne Baby im Arm schlurfe ich ins Bett zurück und lausche. Ich höre: Nichts.

Inzwischen bin ich hellwach. Leer klafft neben mir das Beistellbett. Zwischen dem J. und mir befindet sich nichts als Luft. Auf dem Rücken liegend ziehe ich die Beine an und schaukele ein bißchen hin und her. Dann stehe ich noch einmal auf und gehe zum F. Der F. schläft.

„Was ist denn?“, ächzt der J. schlaftrunken, als ich wiederkehre. „Weiß nicht. Ganz komisch ohne Baby.“, sage ich und versuche, wieder zu schlafen. Einen letzten Blick werfe ich auf die Uhr. Es ist 4.35 Uhr.

In drei Stunden, rechne ich mir aus, kann ich aufstehen und F. holen.

30 Gedanken zu „Auszugsschmerzen

  1. ?

    Wenn das Kind nicht stört, warum muss es dann in einem anderen Bett schlafen?

    Wenn es aufwacht und schlecht geträumt hat oder dann nervös wird, weil niemand da ist und es dann erst so laut werden muss, dass es Dich aufweckt und Du dann erst los musst, um es zu beruhigen, meinst Du nicht, es hat sich dann mehr aufgeregt als wenn es direkt neben Dir aufwacht? Und also länger zum einschlafen braucht?

  2. ich

    lese aus dem beitrag heraus, dass vielleicht die eltern sich mehr aufregen als das kind. zum schlafen braucht ein kind nämlich niemanden, wenn man ihm nicht erst beigebracht hat, dass das so ist. gut, wenn rechtzeitig die notbremse gezogen wird. man muss nicht erst allnächtlich die füße eines sechsjährigen im gesicht und ein verlorerenes sexualleben haben, um zu merken, dass es nun zeit wird für das eigene zimmer.

  3. REPLY:

    exakt. so dauert jeder schlechte traum nämlich nur – und wenn überhaupt – wenige minuten, und niemand wird richtig wach, auch die eltern nicht. und die schlechten träume fangen ja um zwei herum meistens erst richtig an. ich empfehle bei solchen dingen ja auch immer den blick zu den menschenaffen, da braucht es keinen ratgeber und kein time magazin titelthema (was aber auch mal dringend nötig war). da weiß man immer genau, welche stunde es beim kind gerade geschlagen hat, die evolution hat das ja schließlich lange genug auf den idealzustand geformt (aber unsere industriegesellschaft weiß ja vieles besser). natürlich hat da aber auch jedes paar so seine eigenen störempfindlichkeiten, insbesondere wenn „unnormale“ arbeitszeiten bei den eltern anstehen.

    unser ich-kann-alles-allein-zwerg wird ende des jahres drei, und er darf ausziehen, wann er will. das passiert erfahrungsgemäß um diesen zeitpunkt herum ganz von selbst, ebenso wie das thema windel. eines tages stand er halt da und sagte aus dem nichts heraus „windel will nicht mehr!“. und seit diesem tag ist das thema von alleine erledigt gewesen. kinder sind in solchen dingen sehr kompetent, wenn man sie einfach machen läßt und die klappe hält. das ergebnis ist jedenfalls ein kind, das – ausgeschlafen – weder tod noch teufel fürchtet. und was das liebesleben angeht: wer in dem alter nur noch im eigenen schlafzimmer sex hat, hat bald eh keinen mehr …

  4. REPLY:

    es ist von natur aus umgekehrt, ich habe bei tieren jedenfalls noch nie nachwuchs außerhalb der herde schlafen sehen. man bringt dem kind aus eigenem interesse bei ohne jemanden einzuschlafen. das bekommt man definitiv mit jedem kind hin, man muss es nur lange genug schreien lassen. irgendwann springt ein tiger halt auch durch einen brennenden reifen.

  5. ich bin

    hoch erstaunt, dass schlechte träume anscheinend als gottgewollte normalität angesehen werden. kinder in einem guten, harmonischen umfeld haben wenig schlechtes, von dem sie träumen können. das urvertrauen in die eltern funktioniert, und das ist später wichtig!, auch dann, wenn die mal nicht da sind.

  6. REPLY:

    Schlechte Träume gehören! zur normalen (Schlaf-)Entwicklung eines Kindes  – völlig unabhängig vom familiären Umfeld. Allerdings kommt diese Tagverarbeitungsphase erst später und auch meist dann, wenn die sogenannten kindlichen Meilensteine genommen werden.

    Trotzdem kann ein Kind natürlich im eigenen Zimmer schlafen, wenn es vorher –wie ja hier wohl wunderbar geschehen – das Schlafen erlernt hat. Kinder bzw. Babys können dies mitnichten von ganz alleine. Im ersten halben Jahr ist es sogar wichtig, gerade in Bezug auf SIDS, dass Säuglinge nicht alleine schlafen, um nicht in zu tiefe Schlafphasen rutschen. Baby- und Kinderschlaf ist nicht mit unserem Schlafverhalten zu vergleichen. Ganz andere Baustelle.

  7. REPLY:

    Alleine schlafen wollen, finde ich auch völlig legitim. Hier wurde immer durchgeschlafen – bis die ersten Zähne kamen und das Laufen erlernt wurde. Seitdem zwei Flaschen in der Nacht. Viel Energie für ein Energie-Bündel. Da bin ich dann ganz egoistisch: lieber mit Flasche neben mich ins Gitterbettchen gegriffen, als dauernd durch die Wohnung gepilgert. Sobald das ein Ende hat – Räumungsklage! Auszugsschmerzen werde aber auch ich haben. Ganz sicher. Nabelt sich halt nicht nur das Kleingewusel ab.

  8. es ist

    … wohl normal, dass jede elterngeneration meint, dass sie die allein richtigen antworten auf das mysterium der elternschaft hat. wäre es anders, täte man die dinge ja schließlich anders.
    trotzdem erlaube ich mir, ein paar schlaglichter zu rekapitulieren:

    … man bringt dem kind ja nur aus eigenem interesse bei … und niemand wird richtig wach, auch die eltern nicht.
    – wessen interesse steht denn da nun im vordergrund?

    … besonders in bezug auf sids (plötzlichen kindstod) … das kind nicht in zu tiefen schlaf …
    -die wissenschaft wird sich freuen über diesen endlich klärenden beitrag zu einem bislang noch immer ungeklärten phänomen.

    … und er darf ausziehen, wann er will.
    – hoffentlich vor dem siebenundvierzigsten geburtstag, weil das windelwechseln den bis dahin betagten eltern doch reichlich schwer fallen dürfte.

  9. REPLY:

    Aber spricht das nicht gerade fürs frühzeitige Auswildern?

    (Ich glaube aber, Herr Timanfaya, wir haben grundlegend unterschiedliche Vorstellungen von Erziehung. Um es etwas überspitzt zu formulieren: Sie möchten, dass die Welt lernt, sich den Wünschen Ihres Kindes anzupassen, und ich möchte, dass mein Kind lernt, seine Wünsche der Welt anzupassen.)

  10. REPLY:

    Die ersten Zähne hat F. ohne Probleme bekommen. Laufen kann er natürlich noch nicht. Derzeit trinkt er eine Flasche am späten Abend, dann gibt es erst wieder Frühstück.

  11. REPLY:

    Dass sich durch bestimmte Vorkehrungen (Raumtemperatur, Schlafsack, Elternzimmer bzw. Beistellbett & C0), das SIDS-Risiko im ersten Jahr auf ein Minimum reduzieren lassen, SIND wissenschaftliche Erkenntnisse, die in jeder Kinderklinik an werdende Eltern weitergegeben werden. Die Zahlen sprechen für sich: in den 80er starben noch 1.500 Säuglinge jährlich, heute sind es „nur“ noch 260. Das häufige Aufwachen – gerade am Anfang – dient als Schutz des Kindes. Aus diesem Grund schlafen Babys erst durch, wenn sie gelernt haben richtig zu atmen. Wobei wir auch bei dem Thema Hirnreife wären. All das: Wissenschaft. Nicht ausgereift, aber ein weiterer und vor allem wichtiger Schritt zum Thema SIDS-Prävention.

    In Bezug auf Interessenkonflikte Eltern/Kind halte ich es so: treffen wir uns doch einfach in der Mitte. Im ersten halben Jahr reagiere ich allerdings auf Grundbedürfnisse und stelle mich mal kurz hinten an. Kann ich verknusen.

  12. REPLY:

    Ich drücke die Daumen, das es so bleibt. Bei uns ging es Schlag auf Schlag. Auch wurde plötzlich früh aufgestanden– wo wir doch alles Eulen sind! Aber wie heisst es so schön: Phase, Schub, Phase, Schub, Phase, Schub – Auszug.

  13. REPLY:
    nun gut,

    das klingt ja schon etwas versöhnlicher.
    und nicht die allgemein bekannten vorkehrungen gegen den plötzlichen kindstod störten mich, sondern die formulierung „zu tiefer schlaf“. was ist das? und: muss ich baby jedes mal wecken, wenn es (zu) tief schläft?

  14. REPLY:

    Einen neugeborenen Säugling sollte man (wenn er überhaupt so viel schläft) ca. alle 4 Stunden wecken (alleine schon, um zu füttern). Im Normalfall kommt so ein Miniwurm alle 2-4 Stunden in 24 Stunden. Nach ein paar Monaten ist ein Baby in der Lage bis zu 6 Stunden am Stück zu schlafen. Zu flache Atmung , häufige Atemaussetzer und „komatöses schlafen“ über einen gewissen Zeitraum sollte man untersuchen lassen. Leider musste ich mich in Bezug auf SIDS intensiv „weiterbilden“, da meine Tochter aifgrund ihrer Herkunftsgeschichte ein sehr erhöhtes Risiko hatte.

    Trotzdem kann ein Baby natürlich nach ein paar Monaten aus dem Elternschlafzimmer ausziehen. Am Anfang ist es einfach nicht sinnvoll – für beide Seiten (wer will alle Nase lang nachts durch die Wohnung rasen, um zu stillen oder Flasche zu geben?). Ich hätte mich erschossen. Ich hasse Etappenschlaf allerdings grundsätzlich.

  15. REPLY:

    nö, bei den wünschen sehe ich das genau so. und das funktioniert auch im rahmen eines noch etwas diffusen kleinkinduniversums sehr gut. ich komme jedenfalls ohne tobsuchtsanfälle und größere diskussionen durch jeden spielzeugladen. bei den natürlichen bedürfnissen sehe ich das aber völlig anders. wie gesagt, ich schaue immer zuerst auf die menschenaffen, denn die evolution hat immer recht.

  16. REPLY:

    das kann ich nur bestätigen, und das ist auch allgemein wissenschaftlich ohne zweifel anerkannt. schlechte träume , oder wie hier besser benannt „die nachbearbeitung des tages“, sind ein naturgegebener psychischer entwicklungsschritt der für die entwicklung des kindes sehr wichtig ist und es hat mit harmonie oder sonstigen dingen in dieser richtung rein garnichts zu tun.

  17. REPLY:

    es gibt neben den vielschichtig gelagerten körperlichen risikofaktoren aus meiner sicht einen hauptgrund für einen großen teil der SIDS Fälle und das ist meiner ansicht nach der kreislaufkollaps durch überhitzung (ist naürlich „hinterher“ immer schwer feststellbar, die wenigsten kinder werden obduziert). was ich da schon alles in betten und kinderwagen gesehen habe ließ mir oft die haare zu berge stehen.

  18. Da ich zur Zeit bei meiner Tochter permanent „ghost bustern“ muss (man mag gar nicht glauben, wo überall Monster und Gespenster nur darauf lauern, ein fünfjähriges Mädchen zu erschrecken), bin ich ganz froh, dass sie bei mir schläft. Wenn nachts ein schlechter Traum kommt, dann einfach ranziehen, drücken und die Nachtalben schleichen fort. Aber wir haben ja auch viel Platz in unserer Schlafstätte.

  19. REPLY:

    @Wortschätzchen: Warum sollte man ein Baby wecken? Die entscheiden schon selbst, wie es mit dem Hunger steht. Und wenn eines doch schon in den ersten Monaten durchschläft, dann tut es das eben. Ich habe einfach immer nach Bedarf gestillt. Erst mit Beikost, gab es immer festere Stillzeiten.

  20. REPLY:

    @ada vanwegen
    Wenn ein Kind schon in den ersten Monaten durchschläft (über 6 Stunden!) und mehrere Tage weit über viele Stunden am Stück nichts zu sich nimmt, sollte man das ärztlich checken lassen bzw. mit der Hebamme/Stillberaterin sprechen. Dann sollte schon geschaut werden wie es um Gewicht, Atmung etc. steht, denn das ist schon sehr aussergewöhnlich. Ausnahmen bestätigen immer die Regel.

  21. REPLY:

    @wortschätzchen: Es gab in meiner Umgebung einige Mütter, die behauptet haben, dass ihre Kinder schon durchschliefen. Aber was auch immer darunter zu verstehen ist. Wahrscheinlich haben die Babies einfach nur länger als der Durchschnitt geschlafen.

    Aber in den meisten Fällen ist doch sowieso eine Hebamme dabei. Die hat Erfahrung, ob es sich um ein wirkliches Problem oder einfach nur um ein Murmeltier handelt. Meine Tochter war sowieso nie eins. Mit einem halben Jahr wollte sie schon nicht mehr tagsüber schlafen und mit einem Jahr hat sie den Mittagsschlaf abgelegt. Da hatte ich dann eher ein umgekehrtes Problem.

  22. REPLY:

    @ada vanwegen: Das kenne ich, mittlerweile schläft Madama auch weniger, statt mehr. Nicht immer schön.

    Eine Hebamme haben wir leider als annehmende Eltern eines Neugeborenen auf die Schnelle nicht bekommen. Und gerade wir hätten sie gut von Anfang an gebrauchen können. Unsere KK hat dann auch noch rumgezackert, so dass wir sie dann selbst gezahlt haben.

  23. REPLY:

    Na ja, das muss man dann im Fall der Fälle auch, wenn das Kindchen im eigenen Reich schläft. So Geister, Gespenster, Monster und böse Menschen wollen ja vertrieben werden. Und manchmal muss auch geholfen werden einen neuen Traum zu erdenken.

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