Weihnachten im Hotel

Irgendwann, wir waren ziemlich jung, hörten wir Weihnachten auf, nach Hause zu fahren. Wir feierten Heiligabend im Kaffee Burger, tranken zu viel, kauften uns wahnsinnig viel wahnsinnig gutes Essen und aßen das teilweise allein, teilweise mit Freunden und gingen ins Theater. Wer was von uns wollte, musste herkommen, aber dabei möglichst nicht stören. Weihnachten war sehr erholsam damals. Manchmal blieben wir einfach ganze Tage im Bett und tranken Champagner.

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Wer Kinder hat, weiß: Mit Kindern ist das kein Konzept. Kinder wollen geschmückte Bäume, Trubel, Weihnachtsmänner, riesige goldene Schleifen überall und gemeinsam geschmetterte Weihnachtslieder. In ungefähr zehn bis zwölf Jahren darf der heute vierjährige F. das alles doof finden und anfangen, Weihnachten auswärts auf die Pauke zu hauen, aber es ist quasi ein Naturgesetz, dass man seinen Kinder Konventionen schuldet, damit die später irgendwas zum Rebellieren haben. Einen Haken hat die Sache allerdings. Ein konventionelles Weihnachten ist sehr, sehr aufwändig. Man muss Massen an Lebensmitteln einkaufen und Mahlzeiten planen, man muss einen Weihnachtsmann bestellen, alles dekorieren, einen Baum erwerben und aufstellen, schmücken, Plätzchen und Stollen backen, Gänse braten und Rotkohl schmoren, Knödel drehen, im Internet nachschauen, wann der Kindergottesdienst stattfindet und diesen besuchen, ohne genervt aufs Handy zu schauen, und während der Weihnachtsfeiertage andauernd aufräumen, weil man so viel zu Hause ist, dass alle in der Wohnung befindlichen Gegenstände in regelmäßigen, circa zehnminütigen Abständen den Aufenthaltsort wechseln, um insbesondere den Fußboden alsbald gleichmäßig zu bedecken.

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Wenn aber Heiligabend auf einen Samstag fällt, kein Urlaub mehr genommen werden kann und die Versuchung, stundenlang bewegungslos auf dem Sofa zu liegen, von Tag zu Tag ohnehin unkontrolliert wächst, ist ein heimisches Weihnachten keine Alternative. Bei unseren Eltern ist es auch zu anstrengend. Man muss also raus.

Man fühlt sich schon großartig, wenn man im Internet die Weihnachtsarrangements der Hotels scannt. Es fühlt sich so ein bisschen an wie Schule schwänzen: Man müsste eigentlich aktiv werden, statt dessen lehnt man sich in den Kissen zurück und döst noch zwei Stunden. Anders als bei Menschen, die irgendwann nicht mehr duschen und Rechnungen nicht mehr öffnen, läuft man aber nicht Gefahr, dass das eigene Kind in zwanzig Jahren eine Weihnachtsneurose entwickelt, weil es bei der Geburt Christi von prekären Zwangsvorstellungen von kalten Ravioli aus der Dose überfallen wird. Weihnachten im Hotel ist perfekt: Es ist alles da. Aber man muss sich nicht selbst darum kümmern.

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Während es bei Reisen zu irgendeinem beliebigen Zeitpunkt auch ein unkompliziertes Hotel tut, sollte ein Weihnachtshotel so bequem wie möglich sein. Zum einen ist es Weihnachten oft kalt und man selbst nicht so arg dolle draußen. Zum anderen dekorieren bequeme Hotels besser. Optimal bietet das Hotel der Wahl ein Weihnachtsessen an, abends kommt ein Weihnachtsmann, und wenn es sehr gut läuft, sind viele andere Familien da, die auch den häuslichen Weihnachtsanstrengungen entkommen wollen, dann haben die eigenen Kinder immer jemanden zum Spielen. Man selbst sitzt sehr zufrieden auf ausgesprochen bequemen Polstermöbeln, unterhält sich ein bisschen nach rechts und links, und ab und zu reicht einem jemand ein volles Glas oder etwas zu Essen.

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Es war toll. Ein voller Erfolg. Das mache ich wieder.

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8 Gedanken zu „Weihnachten im Hotel

  1. Für mich gehört die ganze Vorbereiterei zu Weihnachten dazu. Baum schmücken, Salat schnippeln, Braten begiessen, Klösse formen ist irgendwie Teil des Vergnügens.
    Wir haben mit unsrem Fröschlein sogar mal ne Art halben Geburtstag gemacht weil bei Petterson und Findus ne Pfannkuchentorte auftauchte und diese dringend nachgebaut werden wollte. Ungefähr 15 Pfannkuchen später und mit Pudding, Apfelmus und Schlagsahne hatten wir ne perfekte Geburtstagstorte.
    Das war glaube ich die leckerste Torte die
    Hotel wäre da doch nur der halbe Spaß.

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