Man denkt ja immer, es trifft nur die anderen. Man selbst würde, ist das Kind erst mal da, natürlich niemals seine kinderlosen Freunde vernachlässigen, keine Konzerte mehr besuchen oder zunehmen. Dann aber ist das Kind da, man trinkt nicht mehr, man ist dauernd müde, und auf einmal vergehen zwei Jahre und man hat die kinderlosen Freunde nicht einmal gesehen. Es vergehen drei Jahre und man lädt sich nicht mehr zum Geburtstag ein, weil das ja auch etwas komisch wäre, wenn man sich sonst nie sieht, und wenn vier Jahre vorbei sind, das Kind kann allein essen, sich allein anziehen, allein auf Toilette gehen und allein spielen, bemerkt man, dass man seine alten Freunde vermisst.
Nach vier Jahren einfach wieder um die Ecke zu kommen, sieht natürlich auch komisch aus. Ich googele deswegen abends auf dem Sofa den alten, kinderlosen Freunden erst einmal hinterher. Wer was macht. Berufe. Wohnorte. Konzerte, auf denen sie waren, Bärte, die sie sich haben wachsen lassen, all das, und dann überlege ich mir, mit wem ich gern einmal wieder ein Glas Wein oder auch drei oder vier trinken würde, und wer sich freut, wenn ich mal wieder anrufe, und nehme mir vor, mich noch dieses Jahr wieder zu melden. Na gut: Noch diesen Winter.
Am Morgen wartet das Taxi vor der Tür und fährt mich nach Tegel. Es ist früh, sehr früh, und ich bin noch nicht ganz wach. Als Berlin unter mir kleiner wird, immer kleiner und schließlich unter Wolken verschwindet, fallen mir für einen Moment die Augen zu. Ich habe heute nach von einem weißen Haus geträumt, in das ich einziehen wollte, obwohl ich im Wachzustand kaum etwas so abschreckend finde wie ein eigenes Haus. Es gab aber Schwäne dort, einen riesigen Nussbaum und die Zweige einer Weide hingen in spiegelndes Wasser.
Neun Stunden später bin ich wieder in Berlin. Ich bin inzwischen sehr solide übermüdet, am Rande dieses Stadiums der Müdigkeit, in dem die ganze Welt sonderbar illuminiert wirkt, so ein wenig zu sehr gesättigte Farben, dafür alle Töne und Stimmen leicht verrauscht. Wenn ich die Augen schließe, drifte ich weg, deswegen halte ich mich wach und höre dem Taxifahrer zu, der schimpft, dass in Berlin nur noch Ausländer genug Geld dafür hätten, Taxi zu fahren. Überhaupt würde alles immer schlimmer, deswegen würden auch immer mehr Leute die AfD wählen. Mit den Flüchtlingen hätte das gar nichts zu tun, behauptet der Taxifahrer, nur mit Angela Merkel, die endlich zurücktreten sollte, damit alles wieder besser wird und auch der kleine Mann wieder so viel Geld in der Tasche hätte, dass er es sich leisten könnte, abends mal einen drauf zu machen und mit dem Taxi heimzufahren.
Ich bin zu müde, um zu widersprechen, heute und überhaupt. Ich schweige angeekelt und starre aus dem Fenster und überlege, wann die selbstfahrenden Autos wohl endlich so weit sind, dass sie mich schweigend durch Berlin fahren, aber vermutlich vermieten die Taxiunternehmen die Fahrzeit dann für Werbung, und ich muss mir die ganze Zeit Werbung anhören, die natürlich personalisiert sein wird und auf allem fußt, was ich jemals im Internet nachgeschaut habe.
Zu den beworbenen Waren und Dienstleistungen wird dann in vielen Jahren sicherlich auch das natürlich großartige künftige Spätwerk Christian Krachts gehören. Der ist dann vielleicht siebzig. Und ich bin eine ältere Dame, die im selbstfahrenden Taxi sitzt und Christian Krachts toller Stimme zuhört, der einen kurzen Auszug aus einem Roman vorlesen wird. Das Taxi wird mich zur Kracht-Lesung fahren, die ganz so wie heute im Deutschen Theater stattfinden kann und grandios sein wird. Nur bessere Plätze hätte ich dann gern und nicht in Reihe 15 direkt an der Säule.
Es gibt Mahlzeiten, die man aus Bequemlichkeit oder Zeitmangel auswärts isst. Spaghetti Bolognese etwa, das kann man prima zuhause machen, aber es dauert halt vier Stunden, und die habe ich nicht. Es gibt aber auch Essen, das ich nicht zuhause esse, weil ich das nicht kann. Das betrifft die ganze Hochgastronomie, aber auch Steaks mangels offenem Feuer und Schnitzel. Die sind bei mir nämlich ungefähr zentimeterdick, die Panade klebt eng am Fleisch und das Ganze schmeckt okay, aber eher nach Bielefeld als nach Wien.
Nun verfügt Berlin über mehrere renommierte Schnitzelbräter. Ich schwöre aufs Alt Wien. Das ist zum einen bei mir um die Ecke, zum anderen ist es großartig. Hauchdünn, riesengroß, perfekter Kartoffelsalat. Hirter Bier und Null Komma Josef, ordentlicher Wein.
Als ich komme, sind Herr SvenK, seine zauberhafte Frau und Frau Wortschnittchen schon da. Der J. biegt gerade um die Ecke. Es werden vier Schnitzel bestellt, drei Bier und einen Wein, danach eine Mehlspeisenplatte. Wir sprechen über Craft Bier (wir waren am Wochenende mit dem großartigen Mek und seiner Frau ausführlich Bier trinken), über Neukölln, über Kommunalpolitik, Reisen, unsere Eltern und wie man nach Kambodscha kommt. Ich bestelle noch einen Wein. Das Leben ist schön.
Eine Woche weilt der F. allein bei den Großeltern, weil seine Kita vier Tage geschlossen hat. Teamfortbildung. Ich habe ein bisschen Angst vor Teamfortbildungen und den daraufhin unweigerlich folgenden pädagogischen Experimenten, weil ich Veränderungen nicht schätze und die aktuellen pädagogischen Trends für Blödsinn halte, vom offenen Konzept bis zur Kompetenzorientierung. Vermutlich liegt das am Alter. Leute werden ja immer konservativer, wenn sie älter werden. Das gilt auch für mich, allerdings bisher begrenzt auf das Gebiet der Erziehungswissenschaften.
Dem F. geht es bei den Großeltern prächtig. Er isst den ganzen Tag leckeres, sehr fettes Zeug, spielt im Riesengarten und übt mit der Großmutter seine Theaterrolle für die Kitaaufführung und Schwungübungen, weil es ihn irgendwie fertig macht, dass seine Fünfen nicht so schön aussehen wie die eines anderen Kindes in seiner Kitagruppe, das er um die Schönheit seiner Zahlen heftig beneidet.
Es ist unglaublich, wie viel Zeit man hat, wenn das Kind nicht da ist. Man kann bis nach acht im Bett liegen und ist trotzdem um halb zehn im Büro. Man muss sich im Büro nicht beeilen, weil es ja total egal ist, wann man nach Hause kommt. Man kann sich irgendwann nachmittags Kaffee holen, man kann plaudern, man kann der Uhr dabei zusehen, wie es acht, neun, halb zehn wird, und wenn man nach Hause kommt, lässt man sich aufs Sofa fallen und isst Falafel von der Bude um die Ecke.
Oje. Da stehe ich also, ein Glas Sekt in der Hand, ein paar Nüsse in der anderen, und fürchte mich. Mir gegenüber steht eine ältere Lehrerin, Großmutter eines der anwesenden Kinder auf diesem Geburtstag, und plaudert über die Schule. Jahr für Jahr, so behauptet sie, sei immer weniger vermittelt worden. Die Klassenarbeiten der Siebziger wären für ihre letzte vierte Klasse nicht mehr zu schaffen gewesen. Im Gegenzug sei aber nichts an Kenntnissen oder Fähigkeiten dazu gekommen, was den Verlust an Wissen, an der Fähigkeit zu rechnen, zu schreiben, zu lesen, kompensieren würde. Die Kinder in der Kleinstadt, in der sie wohnt und wo sie bis vor zwei Jahren unterrichtet hat, seien schlicht ungebildeter als ihre Eltern.
Die Kompetenzen, die die Kultusbürokratie als Zugewinn verkaufen würde, gäbe es schlicht nicht. Die Kinder könnten sich schlechter konzentrieren, sie seien undisziplinierter, wären motorisch weniger versiert, sie seien aber auch nicht sozial kompetenter als ihre Vorgänger, obwohl das immer versprochen worden sei. Sie hätte ihre Kinder immer gemocht, aber das Elternhaus verlasse sich auf die Schule, und die senke alle Ansprüche immer weiter ab, um Konflikten aus dem Weg zu gehen und um sozial Schwache zu fördern.
Besorgt schaue ich mich nach meinem F. um. Der F. ist vier, fröhlich und eloquent, er wird in zwei Jahren zur Schule kommen, und der Zustand der Berliner Schulen, von dem man immer in der Zeitung liest, ist ohnehin nichts, was uns glücklicher macht. Irgendwo habe ich gelesen, dass die Berliner Kinder am Ende der Grundschule ein ganzes Jahr Rückstand gegenüber kleinen Bayern haben, und vermutlich beträgt ihr Rückstand gegenüber den Bayern Jahrgang 1970 mindestens drei. Ich kann danach wohl nur beten, dass der F., wenn er erwachsen ist, auch nur annähernd die Fähigkeiten besitzt, die ein Archäologe braucht, um eines Tages die Bundeslade zu finden, was dem F. gerade als Endziel seiner Bildungsbemühungen vorschwebt.
Auf keinen Fall dürfe ich meinen Sohn dem öffentlichen Schulsystem Berlins anvertrauen, erzählt mir die Lehrerin noch, und ich überlege, wie eigentlich die Alternativen aussehen. Die meisten der Privatschulen der Stadt, zumindest die mir bekannten in der näheren Umgebung, sind nämlich eher dafür bekannt, mit großem Brimborium alles Mögliche vorgeblich zu unterrichten, das die Kinder dann aber gar nicht beherrschen, was aber angeblich zum Programm gehört. Sehr anspruchsvoll ist keine dieser Schulen, weil die meisten Eltern zwar möchten, dass ihre Kinder alles Mögliche können, aber auf die Barrikaden gehen, wenn der Erwerb dieser Fähigkeiten mühsam und quälend verläuft und manchmal in Tränen und Misserfolgen endet. Außerdem hat niemand Zeit für Hausaufgaben. Wir auch nicht. Wir hatten deswegen eigentlich an die örtliche Grundschule gedacht, die einen ganz guten Ruf hat.
Auf dem Heimweg atme ich erst mal durch. Was soll’s, denke ich dann. Virginia Woolf ist gar nicht zur Schule gegangen. Entweder ist der F. so klug, dass nicht mal das marode Berliner Schulsystem ihm schaden kann, und er liest sich alles, was er braucht, in seiner Freizeit an. Oder er ist es nicht, dann profitiert er vermutlich immer noch von den immensen Vorteilen der Kinder bildungsbürgerlicher Familien, von denen man immer in der Zeitung liest, wenn es um die Ungerechtigkeiten des Schulsystems geht.
Aber irgendwann endet auch dieser lange Sommer. Irgendwann wachsen die schwarzen Schatten unter den Bäumen, bis die Stadt ganz und gar in Dunkelheit versinkt und in Regen. Irgendwann steigen die Nebel aus den Kellern unter der Stadt, irgendwann streichen die Toten schon mittags über den Kurfürstendamm und sitzen einsam vor eiskaltem Tee.
Heute aber leuchtet die Stadt noch einmal. September. Heute ist das Laub noch aus Gold, aus glänzender, grüner Seide, aus funkelndem Licht. Heute sitze ich noch einmal am Schwanenteich. Café Schönbrunn. Heute gibt es noch einmal Bratwurst und Bier. Die Kinder laufen Bällen nach, die Hunde springen und kläffen, und die Toten liegen noch tief unterm Rasen und träumen vom früheren Licht.
Mose, wie man weiß, hat das gelobte Land auch nicht selbst betreten, sondern ist im Angesicht der grünen Triften Kanaans verstorben. Verstorben immerhin sind wir nicht, aber als wir im Auto saßen, Ortseingang Siena, fing es wahnsinnig an zu regnen. „Wir kehren wieder um.“, beschloss der geschätzte Gefährte und fuhr an. Vor uns lag die Porta Romana im Regen, hinter uns die Aussicht auf Rückkehr auf den Bauernhof, ganz direkt hinter uns saß allerdings jemand, der blass aussah und auf einmal begann zu schreien. Der F. schreit sehr selten, deswegen muss man das beachten, insbesondere wenn der Schrei davon handelt, ihm sei übel und er müsse brechen. Das tut er dann auch, zum Glück nicht im, sondern neben dem Auto.
An sofortiges Weiterfahren ist nicht zu denken. Es regnet auch gar nicht mehr so stark. Mose glaubt, er werde doch noch im Heiligen Land auf der Terrasse sitzen und Rotwein trinken. Wir parken also, steigen aus und laufen die Via Roma entlang Richtung Dom.
Wenn es mir schlecht geht, dann kann das dauern. Wenn es F. schlecht geht, verlangt er zehn Minuten später nach Pizza und Eis, denn das hat die Evolution für Kinder so vorgesehen, damit auch Autokotzer beständig weiterwachsen. Wir halten also erst an einer Eisdiele an, dann an einer Bäckerei, wo wir drei Stück Pizza mitnehmen und auf der gegenüberliegenden Straßenseite aufessen. Der J. studiert die Aushänge vor Maklerbüros und schaut sich an, was wir hier für eine Mio. Euro bekämen. Die haben wir zwar gar nicht, auch möchten wir gar kein Haus in der Toskana kaufen, aber das macht nichts. Der geschätzte Gefährte hat mit derselben Intensität auch schon in Bangkok nach Häusern geschaut.
Als wir weitergehen nimmt der Regen zu. Wir sind noch 400 Meter vorm Dom, da beginnt es auf einmal schrecklich zu schütten. Wir laufen, auch der F. läuft, das Wasser spritzt, nach weniger als einer Minute ist mein T-Shirt durch, und dann flüchten wir uns in das erste Lokal, das wir sehen. Es gab viele anziehende Cafés auf dem Weg, aber hier ist es scheußlich. Die Wände sind orange gewischt wie in einem ewigen 1993. Die Möbel billig mit blauen Knubbeln, es läuft der Fernseher, und außerdem sitzen da außer uns nur andere Touristen. Meiden die Einheimischen diese Pizzeria vielleicht wegen ihrer Schmutzigkeit und des schlechten Essens?
Wir bestellen gleichwohl. Überraschenderweise ist die Pizza super. Für diese Pizza würde man in Berlin gefeiert. Ich bin eigentlich satt, schließlich habe ich schon die Bäckerpizza gegessen, aber trotzdem verschlinge ich meine Pizza bianco mit Trüffelsauce, kippe einen Wei hinterher und warte darauf, dass der Regen aufhört. Der Dom. Das Gelobte Land.
Stattdessen schließt die Pizzeria. Alles wartet darauf, dass wir gehen, man bestellt uns freundlich ein Taxi, aber natürlich kommt kein Taxi, während vermutlich gerade die ganze Stadt auf ein Taxi wartet. Es schüttet immer noch, als habe der liebe Gott sich diesmal wirklich entschlossen, sich das nun keinen Moment länger anzuschauen.
Irgendwann kapitulieren wir. Mose setzt sich auf seinen Berg und verstirbt, ohne den Dom gesehen zu haben. Der J. läuft vor, wir hinterher, kaufen noch einen Regenschirm und setzen uns in den Wagen. Wir sind sehr, sehr nass. Als wir Siena knapp hinter uns gelassen haben, hört der Regen auf.
Ich schraube an einem längeren Text. Der Text soll von einem Wochenende auf dem Lande handeln, irgendwo nördlich von Berlin. Es soll Sommer sein, eine Familie und ihre Freunde im Sommerhaus, Mücken und Birken und helles Licht. Jedes Kapitel soll aus einer anderen Perspektive einen Abschnitt der Handlung erzählen, wobei es mir schwerer fällt als gedacht, die männlichen Perspektiven einzunehmen.
***
Ich würde gern mehr schreiben, aber der F. möchte nicht in der Kinderbetreuung bleiben. Das Programm gefällt ihm schon, ich glaube, er mag auch die Betreuerin, aber ich soll auf Schritt und Tritt neben ihm laufen. Ich glaube, ich war in den letzten Wochen ein wenig zu wenig daheim.
***
Montalcino gefällt mir. Zwar trinke ich keinen einzigen Schluck Wein, ich bedaure das auch nicht, aber ich sehe mir Montalcino so an, wie mit 18 Paris: Ein Ort, an dem ein späteres, älteres Selbst einmal sehr gern sein wird. Vielleicht bin ich dann 58, der J. entsprechend älter. Wir werden die Weingüter abfahren, sehr gut essen, uns darüber unterhalten, dass es einmal sehr schön war, als wir jünger waren und mit dem F. auf einem Bauernhof.
Innerhalb der EU habe ich kein Auslandsgefühl. Auf eine selbstverständliche Art und Weise gehe ich davon aus, dass alles, was zuhause in Berlin gilt, auch in allen anderen Mitgliedstaaten Gültigkeit besitzt. Dass man nirgendwo Verständigungsschwierigkeiten hat. Dass man das Leitungswasser trinken kann. Dass die Stecker passen. Wenn das – wie hier – einmal nicht stimmt, bin ich immer so ein ganz klein wenig verstört, bemerke umgehend das Unpassende an dieser Empfindung und vergegenwärtige mir, dass Italien (Frankreich, England …) so lange Ausland war, dass man auf Schritt und Tritt auf Relikte der Fremdheit stoßen wird. Ab und zu denke ich dann daran, dass sich das auch alles sehr schnell wieder ändern kann mit dem Inlandsgefühl, aber daran will ich nicht denken. Statt dessen suchen wir in Buonconvento und schließlich in einem Ortsteil von Montalcino nach einem Adapter für mein Macbook.
***
Ich lese Lauren Groffs „Licht und Zorn“ durch. Das Buch besteht aus zwei Teilen, jeder Teil erzählt eine Perspektive einer Ehe, einmal die des sonnigen, charmanten, sportlichen und erfolgreichen Lottos und einmal die seiner schönen, verdüsterten, geheimnisvollen Frau Mathilde. Mathilde ist möglicherweise ein monströser Mensch, klug, abgründig, kalt. Vielleicht ist Mathilde aber auch ein verstörtes, verstoßenes Mädchen. Vielleicht ist sie ein Engel. In jedem Fall ist sie hundertmal interessanter als ihr Mann, in dessen Schatten sie lebt, der es mir sauer gemacht hat, das Buch durchzulesen. Es ist sehr, sehr gut, aber gemocht habe ich es nicht.
***
Am ersten Nachmittag F. zum Reiten gebracht. Am zweiten selbst ausgeritten. Dieses leuchtende Heu. Die schmerzhafte Perfektion der toskanischen Landschaft, die Farben, der straff gespannte Himmel. Der Geruch von Pferden, wie eine Mähne sich anfühlt, diese Empfindung von gesammelter, gezähmter Kraft. Vielleicht werde ich wieder häufiger reiten.
Ich habe ungern Geburtstag. Dabei hadere ich nicht mit meinem Alter, das ist okay. Ich bin auch nicht unzufrieden mit meinen Lebensumständen, die sind auch in Ordnung, aber so, wie andere Leute Silvester Depressionen bekommen, bin ich an meinem Geburtstag schlechtgelaunt. Ich feiere deswegen immer erst etwas später, dann freue ich mich meistens wieder.
***
Ein Geburtstag als Reisetag ist vielleicht auch nicht ideal. Wir checken aus, streichen noch so ein bisschen durch die Stadt, essen im Café Giubbe Rosse, ich kaufe eine klassische, schwarze Handtasche, so wie richtig erwachsene Leute, und dann lassen wir uns mit dem Taxi zum Mietwagenstand am Flughafen fahren und verlassen Florenz.
Als wir in Buonconvento ankommen, ist es unglaublich still. Der Bauernhof, auf dem wir die höchste Woche verbringen wollen, besteht aus einer Reihe weit auseinander liegender Gehöfte, zwischen den kleinen, erdfarbenen Häusern erheben sich sanft die Hügel der Toskana, und als wir am Abend vom Essen zurückkommen, vorbei an Pferden, Kühen, Olivenbäumen und Feigen, ist der Geburtstag schon fast überstanden und die Welt halbwegs im Lot, und das neue Lebensjahr schickt mir zum Entzücken eine kleine, getigerte Katze.
Diese Website verwendet Cookies und das Tool Counterize, über das ich einige Daten, wenn auch keine IP-Adresse, erhebe und verwende. Wenn Sie auf meiner Seite bleiben, gehe ich davon aus, dass Sie damit einverstanden sind.OKNeinWeiterlesen