Uncategorized

Sonntag, 31.01.2010

Morgens scheint die Sonne. Der Prenzlberg ist sonnig und hell, und mit der neuen, silberglänzenden Tasche in der Hand spaziere ich ganz, ganz vorsichtig über den Kollwitzplatz. Der Schnee von Wochen hat sich festgetreten zu einer ungleichmäßigen, gesplitterten, buckeligen Eisschicht. Ab und zu gleite ich ein Stück zur Seite, und dann bekomme ich einen Schreck. Gleich, gleich werde ich fallen. Dann falle ich doch nicht.

Weil Berlin im Winter noch etwas unwirtlicher ist als alle anderen Städte schauen die Berliner im Winter alle ziemlich verdrossen in die Gegend, als habe die ganze Stadt ein halbes Jahr schlechte Laune. Würde man einen Passanten nach der Uhrzeit fragen, würde man wohl angebellt, seh‘ ich aus wie die Zeitansage?, und würde man anlasslos fremde Leute anlächeln, sperrten die Berliner einen wohl ein. Sogar an einem hellen Wintertag wie diesem scheinen die Leute auf der Straße die Zähne zu fletschen und nach ihren Kindern zu rufen, als sei Friedrich oder Marie ein tiefschwarzes, böses und höllisches Schimpfwort.

***

Angekommen wird alles wieder gut. Es gibt Kaffee und Semmeln, Käse, Obst und Quiche Lorraine, es gibt Gelächter und Freunde, und ich sitze vier Stunden lang oder so auf dem Sofa und lasse mir etwas erzählen, lache, erzähle selbst, vergesse das Erzählte auf der Stelle und esse zwischendurch ein Stück Ananas, ein wenig Käse, eine schmale Scheibe Zwiebelkuchen, Schokoküsse und noch viel mehr und fühle mich wohl.

***

Gegen fünf dann fange ich an zu kochen. Ich habe Gemüse abonniert, das kommt in einer grünen Kiste freitags zu mir, und wenn es da ist, dann muss ich es essen. Das meiste Gemüse ist wohlbekannt und mir durchaus geläufig. Niemals aber kaufte ich in einem ganz gewöhnlichen Geschäft etwa eine derbe, violett schimmernde Steckrübe, noch nie habe ich Pastinaken erworben, und wie es scheint, war letztgenannte Abstinenz auch genau richtig. Die Steckrübe zwar war einwandfrei und wohlschmeckend, zunächst in Honig und Butter karamellisiert und dann in Orangensaft geschmort mit Ingwer und Rosmarinnadeln. Die Pastinaken aber, ein weißes, leicht verkrümmtes Wurzelgemüse, hätten mich um ein Haar umgebracht: Ich rühre also in den grob geraspelten Pastinaken herum, gieße eine Vinaigrette mit viel Honig und Apfelessig über den Salat, und dann schmecke ich ab. Es schmeckt gut.

Im selben Moment schlägt die Pastinake mir mit der geballten Faust zwischen die Augen. Die Welt wird etwas glasig, leicht verzerrt, mein Mund beginnt zu prickeln, meine Unterlippe wird dick, und die Schleimhäute fangen an, trocken und zum Zerreißen gespannt zu vibrieren. Der J. soll sich um die Katzen kümmern und bekommt meine Bücher, schießt es mir durch den Kopf. Auf jeden Fall Feuerbestattung. Ich schwanke also durch die Küche, setze mich auf einen Stuhl, und dann stehe ich wieder auf und torkele ins Bad. Ich habe immer Cetirizin, denn ich bin nicht lebensfähig ohne diese Substanz. Zwanzig Minuten später ist dann auch alles wieder gut.

Am Ende essen alle die Pastinaken außer mir. Zur Steckrübe gibt es nach Foie Gras auf Blattsalaten Rosmarinkartoffeln und Kalb und einen leichten, sehr kühlen, fast sommerlichen Riesling. Ich habe Törtchen gekauft in der fabelhaften Werkstatt der Süße, die C. erzählt von ihrem neuen Job und der neuen Wohnung, und ich taste mit der Zunge die nun wieder abgeschwollene Stelle am Gaumen ab, die eine Nuance empfindlicher bleibt als an allen anderen Tagen.

***

Sonderbare, schwer bestimmbare Träume von Rolltreppen und großen, schweißnass schlafenden Tieren.

Samstag, 30.01.2010

Katzen kratzen sich. Das ist normal. Meine Katzen kratzen sich aber seit zwei oder drei Wochen ständig und meistens an den Ohren, das ist nicht normal, und deswegen erscheinen der J. und ich und Tilly und Willy am Samstag beim Tierarzt.

Dem Tierarztbesuch geht ein etwas längerer Kampf voraus. Tilly lässt sich folgsam in eine Katzenbox sperren und schaut etwas unglücklich durch das Gitter, aber Willy wird größer, breiter, seine Beine vermehren sich, seine Krallen werden zu halbmondförmigen Säbeln, und er faucht wie ein Tiger im Zirkus kurz vor dem Sprung. Gleich fällt der Dompteur blutend vom Podest. Dann aber überlegt der Tiger es sich anders, zischt in der geschlossenen Tasche noch ein wenig weiter und lässt sich durch den buckelig-eisverkrusteten Prenzlberg zum Tierarzt schleppen. Beide Katzen wiegen jeweils 7,4 Kilo zuzüglich Verpackung.

Der Tierarzt schaut beiden Katzen lange in die Ohren. Beide Katzen, sagt er dann, haben Milben in den Ohren. Beide Katzen bekommen Salbe, Spritzen, bei Tilly hat sich alles entzündet. Der Tierarzt schaut etwas bedenklich, und der J. und ich sehen schuldbewusst aufs Linoleum. Rabenkatzenhalter, schauen beide Katzen uns vorwurfsvoll an. Zu Hause werden wir demonstrativ geschnitten. Mit uns kommuniziert man in Katzenkreisen am Samstag ausdrücklich nicht.

***

Nicht, dass ich den Cava Cava Rock wirklich gebraucht hätte, aber irgendetwas muss ich schließlich anhaben, wenn ich vor die Tür gehe, und außerdem war er viel günstiger als der von Lena Hoschek, und den habe ich nicht gekauft. Obwohl ich ihn gut fand, und gepasst hatte er mir auch. Das puderfarbene Strickkleid von Ti-Mo habe ich auch nicht gekauft, und deswegen besteht keinerlei Anlass – also wirklich kein einziger Fetzen einer Ursache – für ein schlechtes Gewissen, nur weil ich in der Lychener Straße die Tasche (ach was: DIE Tasche!) gesehen und gekauft habe, eine Art gerafften Beutel, statt eines Zugbändchens eine silberglänzende, grobe Metallkette, silberfarbene Lederriemen, und den Beutel selbst über und über mit ganz, ganz, ganz vielen kleinen, viereckigen Pailletten besetzt, so dass es glitzert bei jeder Bewegung und jedem Sonnenstrahl. Dass der J. mich um ein Haar für den Kauf entmündigt hätte – nun gut, jedem kann man’s halt nicht recht machen, und der J. ist reizend, gewiss, aber manchmal hat er einfach keinen Geschmack.

***

Wir fahren ja jedes Jahr alle zusammen weg. Letztes Jahr waren wir in Schweden. Dieses Jahr wollen wir auch irgendwohin, aber sich zu sechst auf ein Ziel zu einigen, ist nicht ganz einfach. Plan daher: Erst wird gegessen, dann wird bei M. und M. ein Ziel gesucht, ein Flug gebucht und ein Hotel reserviert.

Am Ende ist es gegen ein Uhr nachts Venedig. Vorher aber haben wir im Basim in der Immanuelkirchstraße gegessen, und wenn es teurer gewesen wäre, hätte ich ein wenig genörgelt, dass eine Schinkenscheibe kein Amuse Gueule ist, und der in eine weitere gebratene Scheibe Schinken eingewickelte Radicchio (ein abscheuliches Gemüse) gleichzeitig bitter und nach Schwein geschmeckt hat. Für die knapp € 40 pro Person aber war das Brot wirklich super, das Makrelentartar mit der gebratenen Makrele gut gewürzt und nett angerichtet, das Fleisch war durchweg gut, das Tobleroneparfait zum Dessert mehr als okay, und der Wein vom Weingut Hensel sehr in Ordnung. Im Gugelhof am Kollwitzplatz oder im Kreuzberger Jolesch etwa isst man bei nicht unähnlichem Zuschnitt trotzdem besser.

***

Tiefer, traumloser Schlaf.

Die Rückkehr des Tagebuchbloggens

„Nun,“, sage ich zu mir: „Das Tagebuchbloggen im Frühjahr war doch recht lustig. Du hast ganz gern Abend für Abend etwas aufgeschrieben, und dich bisweilen am Tag gefreut, wenn es etwas zu erzählen gab.“

„Aber, meine Liebe,“, antworte ich mir und stelle ein wenig geniert meine Teetasse ab, „niemand will wissen, was eine Berliner Rechtsanwältin mit ein bißchen Übergewicht und ganz viel Langeweile den lieben langen Tag treibt. Das Tagebuchbloggen ist genau das, was diejenigen, die aus dem Netz einen seriösen Ort mit Bedeutung und Einfluss und so machen wollen, ein bißchen dumm und ziemlich lächerlich finden. Zu alledem liest kaum jemand mehr dein Blog, wie ja Blogs generell ein wenig nachgelassen haben, so rezeptionsseitig, und Darstellungen deines beispielsweise heute abend wirklich sehr gelungenen Essens in der Kimchi Princess in Kreuzberg gemeinsam mit dem J., dem R. und der I.2 finden vermutlich sogar die Leute langweilig, die dich wirklich kennen.“

„Muss ja keiner!“, schleudere ich mir entgegen. Kann ja jeder durch das Netz fahren und halten, wo es ihm gefällt. Soll doch abhauen, brülle ich mir hinterher, wer hier Bedeutung vermisst, und zu langweilig ist es hier, wenn es mir zu langweilig wird.

Ab morgen geht es also wieder los.

Neu und lesbar

Andere Leute lesen das doch auch, denke ich und zwinge mich durch die Leseproben der Bücher von der Longlist für den Deutschen Buchpreises. Die ausgewählten Bücher, stelle ich fest, interessieren mich nicht die Bohne.

Vermutlich liegt’s an mir, sage ich mir. Bestimmt sind die Bücher super, und nur meine Vorurteile gegen die Gegenwartsliteratur hindern mich daran, mir etwa aus dieser Liste ein dickes Päckchen für den demnächst stattfindenden Urlaub auf Bali zusammenzustellen. Bestimmt warten irgendwo Perlen auf mich, an denen ich auf den eingefahrenen Gleisen meiner Lesevorlieben einfach vorbeifahre, und doch bringe ich es einfach nicht über mich, mir bei amazon irgendetwas auszuwählen und mitzunehmen. Gerade, stelle ich fest, erscheint mir das alles nicht reizvoll, was in den letzten Jahren geschrieben worden ist, und so frage ich, sehr verehrte Damen und Herren, wiederum Sie:

Hat Sie eine Neuerscheinung beeindruckt? Oder können Sie vor irgendwelchen Lieblingen des Feuilletons nur warnen? Was soll eine wirklich diesmal ziemlich erholungsbedürftige Frau auf Bali am Strand lesen, der die Politeia zu mühsam, Krimis zu langweilig, Familiengeschichten zu oft dagewesen, Problemliteratur zu abscheulich und Paolo Coelho und Konsorten zu flach erscheinen?

Journal :: (Ende)

„Weißt du,“, sage ich zum J., „ich führe doch eigentlich eins der langweiligsten Leben der westlichen Welt. Morgens stehe ich auf, dann fahre ich arbeiten. Ich gehe jeden Mittag essen, meistens einmal die Woche Thai, einmal italienisch, einmal chinesisch, und ab und zu fliege ich durch die Gegend und verhandele mit Leuten irgendetwas, was von außen betrachtet vermutlich auch nicht so besonders spannend ist. Abends gehe ich irgendwohin.“

Sehr angenehm ist das so an und für sich. Ich habe keine essentiellen Sorgen, eine nette Familie, einen lustigen Freund, einen guten Job und mag die Stadt, in der ich lebe. Besonders aufregend aber ist das alles nicht, und die Dokumentation dieser doch etwas gleichförmigen Existenz beginnt mich gerade ebenfalls ein wenig zu langweilen, und bevor auch alle anderen Leute gähnen, wenn sie mein Blog ansteuern, ist für den Juli erst einmal Schluss mit dem Journal.

Es hat Spaß gemacht.

Journal :: 02.07.

Zuerst fallen nur ein paar Tropfen schwer auf den grauen, warmen Asphalt. Die ersten Gäste des Pappa e Ciccia stehen auf, ihre Gläser in der Hand, und suchen sich Plätze unter der Markise. Wir bleiben noch sitzen.

Gegessen haben wir schon, eine Pasta mit Pfifferlingen ich, und der Mek eine Pasta mit Fleisch. Nun sitzen wir da auf der Schwedter Straße und trinken einen dunklen und weichen roten Wein. Schwarz verfärbt vom Regen aber wölbt sich der Himmel über der Stadt, bis die Wolken sich ganz und gar entladen, aus den wenigen Tropfen viele werden, und erst manche, dann alle Gäste und dann auch wir unter die Markise flüchten. In blanken Schnüren fließt das Wasser auf die Erde.

So plötzlich, wie der Regen begonnen hat, ist er vorbei. Wieder sitzen wir auf der Straße, warm ist die Luft, doch schwül nicht mehr länger. Auf den Tischen leuchten Kerzen in weißlichen Tüten. Man lacht. Am Nachbartisch sprechen fünf Mädchen über die Fashion Week, wir trinken auf die Liebe, und alles erscheint so leuchtend, so rund und golden und perfekt, dass es fast schmerzt, den Abend nicht in Bernstein nach Hause zu nehmen für später, für die kalten Tage, wenn keine laue Luft die Beine streichelt, niemand lächelt, wenn es Abend wird, und kein Wind dir durch die Haare fährt, wenn du heimgekehrt auf dem Balkon stehen wirst, die letzte Zigarette des Tages in der linken Hand.

Journal :: 29.06.

Gäbe es ein Museum menschlichen Scheiterns, die Vasa hätte einen Ehrenplatz in der Dauerausstellung. Auf der Jungfernfahrt im 17. Jahrhundert noch im Hafen gesunken und irgendwann in den Sechziger Jahren wieder ausgegraben (nein: vom Meeresgrund gehoben) steht das riesige, reich verzierte Schiff in einem Gebäude, das selbst ein bißchen aussieht wie ein Segelschiff auf Djurgarden an der Ostsee.

Eigentlich aber ist das Wetter immer noch zu schön für geschlossene Räume. Eigentlich sollte man seinen Tag auch nicht in Geschäften verbringen, doch dann laufe ich durch Östermalm, verliebe mich in eine isabellafarbene Handtasche, die ich am Ende doch nicht kaufe, kaufe dafür ein Paar Legionärssandalen, trinke Kaffee vor der Markthalle, die dann doch zur Enttäuschung wird, als wir am Ende dort sitzen, denn allzu steril, zu sauber und zu geschleckt geht es hier zu, nichts mehr von blutenden Ochsen, Gerüchen und Fischweibern. Eine riesige Delikatessenhandlung mit Bistrobetrieb gibt es hier, so sauber wie ganz Stockholm, und nicht halb so lebendig, so schmutzig und vital wie Berlin, Berlin, Berlin.

Am Abend dann wieder nach Hause.

Journal :: 28.06.

Zur Feier des Tages esse ich schon zum Frühstück Fisch. Alles, was sonst noch auf dem Buffet steht, esse ich auch. Mittags schiebe ich einen gebratenen Hering hinterher und abends gibt es große Köttbullar und noch mehr Fisch. Wegen der verzehrten Fischschwärme fühle ich mich den ganzen Tag ein wenig schwer, in meinem Magen kämpfen Heringe vergebens gegen Enzyme und reichlich Magensäure, aber gut, bestens eigentlich geht es mir trotzdem. Auf einer Fahrt durch die Schären Stockholms braten ich und der jüngst verzehrte Fisch bis auf die Knochen in der Sonne. Am Abend werde ich vorm Spiegel stehen und dort, wo der Saum meines Kleides endet, werden rote und weiße Haut aneinander stoßen.

Sehr, sehr schön sieht Stockholm vom Wasser aus aus. Ein wenig wehrt sich das zur Kritik vielleicht allzu bereite Empfinden gegen die Idylle aus roten Häuschen aus Holz mit weißen Fenstern. Gischt spritzend fahren die Schweden auf Motorbooten an dem Ausflugsschiff vorbei, Sonne und Wind streicheln die kräuselnde Ostsee, silbern blinkt es auf dem Wasser und alle Menschen sehen so zufrieden aus, als sei die ganze Welt aus Erdbeeren und Dickmilch gemacht und so perfekt, dass man es nicht aushielte, würde das Glück länger dauern als diesen Sonntag und den Montag noch dazu.

Journal :: 26.06.

Noch schnell drei Mails und loslaufen zur S 9. Bei der I. im Garten sitzen, weil sie näher am Flughafen Schönefeld wohnt als ich, der S. föhnt den Grill, und der M. hat Lammfleisch gekauft. Fröstelnd unter dem Wacholder sitzen, zwei Glas Sekt und den J. anrufen, ob er jetzt noch kommt oder nicht. Er wasche Wäsche, lässt der J. verlautbaren. Vielleicht erscheine er noch. Vielleicht auch nicht.

Die Gespräche drehen sich um die Jobs, in denen wir fünf am Tisch unsere Kreise drehen. Vorgesetzte und Politiker. Dienstreisen und Konferenzen, die sehr, sehr virtuelle Welt, in der wir leben und auf die wir angewiesen sind, weil wir etwas anderes nicht gelernt haben und vielleicht auch gar nichts anderes könnten oder wollten. So ganz hat noch keiner sein Büro abgeschlossen, irgendwo im Hintergrund knarren noch schlecht geölt die Räder unseres Alltags, und erst als ich im Bett liege (allein, denn der J. ist nicht erschienen), irgendwann ziemlich spät, atmet die Arbeitswoche aus, die hinter mir liegt. Ruhig ist es hier, bemerke ich auf einmal, blättere noch zehn, fünfzehn Minuten in der ZEIT, stopfe alles, was die zehn Kilo Handgepäck übersteigt in einen Beutel, der hierbleiben soll, und schlafe ein. Jenseits der Schwelle des Schlafs vergräbt ein großes Unternehmen ein Atomkraftwerk in einem schwarzen Moor unweit des Hauses meiner Eltern, und auf dem Schlamm inmitten von Schilf und Weiden flackern Lichter und Schatten durch meine Nacht.

Am Morgen putze ich mir Zahnpasta auf dem Zeigefinger die Zähne. Ich reise nie ohne drei Paar Schuhe, aber meine Zahnbürste vergesse ich stetig, fällt mir auf, als ich das Haus verlasse, im Taxi sitze und nach Schönefeld fahre, wo der J. schon wartet, ein Baguette in der Hand, und mich diskret auf den Verkäufer des Marché aufmerksam macht, der kurz zuvor die Ausführung verschiedener Bestellungen aufs Ärgerlichste verzögert hat, um ungefähr zehn Baguettes langsam und akkurat mit jeweils einem kleinen grünen Fähnchen zu verzieren.

Pausbackig und reinen Sinnes steht der vielleicht zwanzigjährige Bub hinter dem Tresen und schaut einher wie ein lockiger Hirte auf einer durchaus zweitklassigen Verkündigung eines zu recht vergessenen Nazareners.